Die „American Songbirds“ erkunden die Grenzen des Singer/Songwriter-Tums
von Sandra Vogel
Wie eine schwarze Masse erhebt sich die Bühne im schummrigen Blau des Volksbads. Wo früher platschendes Wasser zu vernehmen war, hallt heute ein gespenstiges „Ave Cuckoo“ von den Wänden wider. Es verkündet den Beginn des Konzertes der American Songbirds.
Ein mehr als 80 Jahre altes Stück über sehr aktuelle Probleme
von Corinna Hofmann
Mit Kasimir und Karoline eröffnete die Kulturarena das Theaterprogramm. Kasimir hat seine Arbeit als Kraftwagenfahrer verloren – er wurde „abgebaut“. Damit scheinen auch sein Selbstverständnis und sein Selbstbewusstsein dahin, er fühlt sich reduziert auf einen „armen Hund“. Seine Verlobte Karoline will das Oktoberfest genießen, Eis essen und Achterbahn fahren. Sie träumt von einem besseren Leben. Darüber kommt es zum Streit. Karoline sucht ihr Glück in einer Beziehung mit einem besser situierten Mann. Kasimir schließt sich Franz an, einem ehemaligen Kollegen mit kriminellen Neigungen, und seiner Freundin Erna, um seinen Kummer im Bier zu ertränken.
Wer kennt das nicht: Da will man sich in Ruhe erschießen und dann wird das eigene Leben nur noch auf dieses Ereignis reduziert. Ernest Hemingway, 62 Jahre alt, doppelläufige Schrotflinte und bumm. Davor: Macho, Alkoholiker, Nobelpreisträger.
Betritt der Besucher den Raum der Ausstellung „Incipit vita nova“ (ein neues Leben beginnt), sieht er zu seiner Rechten die Fotografie eines bedrohlich wirkenden umzäunten Gebäudes, vor welchem eine weiße Pferdeskulptur steht. Es ist das Colosseo Quadrato in Rom, welches eine politische Utopie der 30er Jahre verkörpert und mit der Absicht Mussolinis einhergeht, ein neues Rom zu schaffen.
Veralbert – so kommt man sich in den ersten zehn Minuten vor. Durch übertriebene Mimik, melodramatische Stimmlagen und scheinbar sinnloses Hin-und-Her-Gerenne auf der Bühne. So beginnt die Inszenierung von Brechts Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui am Nationaltheater in Weimar. Die Irritation lässt erst langsam nach.
„Dir wurde es wohl noch nicht von einem richtigen Mann besorgt!“ So eine ausfallende Bemerkung im Vorbeigehen an zwei Händchen haltenden Frauen in einem Jenaer Stadtteil.
Ein Mann hält eine Taschenlampe zwischen seinen Zähnen. Er füllt Sprengstoff in ein Loch in der Wand. Hektische Bewegungen, der Angstschweiß steht ihm auf der Stirn. Die Bombe explodiert – doch Hitler verlässt die Veranstaltung zu früh. 13 Minuten später und Georg Elser (gespielt von Christian Friedel) hätte die Welt verändert.
So ein Kanon ist eine tolle Sache. Der macht das Leben leicht und gezieltes Namedropping schindet mächtig Eindruck: Flaubert, Tolstoi und Kubrick – schon kriegen Studis feuchte Unterhosen. Ganz schnell outet sich als Prolet, wer die große Kunst nicht als solche erkennt.
Wir starten eine neue Serie und widmen vermeintlichen und echten Meisterwerken Liebeserklärungen und Hasstiraden. Den Anfang macht Vladimir Nabokovs Lolita.