„Für den Augenblick“

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Ein Gespräch über Thüringens Literatennachwuchs

Das Gespräch führte Maria Hoffmann




Dr. Martin Straub ist Geschäftsführer des Lese-Zeichen e.V. und Literaturwissenschaftler, der sich für die Förderung junger Schriftsteller und des Lesens einsetzt. Mit Akrützel sprach er über Thüringens literarische Landschaft und darüber, wie wichtig Netzwerke sind.

Foto: Privat

Was sind die wichtigsten Aufgaben des Lese-Zeichen e.V.?

Es ist ein Verein zur Förderung des Lesens und der Autoren, wobei wir beides in einem Zusammenhang sehen. Wir haben dabei einen umfassenden Literaturbegriff. Die Förderung geht von Kinderbüchern über anspruchsvolle Lyrik, zeitgeschichtliche politische Sachbücher, Erzählungen und Romane bis zu Poetry-Slam und anderen Geschichten. Das heißt, wir wollen ein breitgefächertes literarisches Interesse bedienen. Generationenübergreifend, thüringenweit.

Wie arbeitet der Verein?

Wir haben einen Sitz in Jena und tun das eine oder andere für die literarische Landschaft der Stadt. Wir haben aber noch einen zweiten Sitz in Ranis. Die Arbeit dort ist uns besonders wichtig. Da gibt es eine sogenannte Literatur- und Kunstburg. Die ist ungefähr fünf Kilometer von Pößneck weg. Dort finden jährlich die Literatur- und Autorentage statt – in diesem Jahr vom 21. bis zum 24. Juni – wo deutschlandweit bekannte Autoren zusammen mit lokalen Vertretern lesen. Auf dieser Burg gibt es außerdem regelmäßig Lesungen, immer am ersten Donnerstag des Monats. Und es gibt eine sommerliche Schreib- und Malwerkstatt für junge Leute zwischen 16 und 27, an der eine ganze Reihe Jenaer Studenten beteiligt sind.

Wo liegen Ihre örtlichen Schwerpunkte in Thüringen?

Die Arbeit im ländlichen Raum ist uns wichtig. Sie wissen sicher, dass es in Jena, Weimar und Erfurt, überhaupt entlang der A4, ein sehr gutes kulturelles Angebot gibt, dass es aber etwa am Rennsteig oder in Ostthüringen bedeutend dünner gesät ist. Wir haben zum Beispiel die Reihe Wortklang – Lyrik im Konzert. Da machen wir prinzipiell keine Veranstaltung in Weimar, Jena oder Erfurt, sondern wir gehen generell in kleinere Thüringer Städte, wo wir auch ein Publikum für diese Veranstaltungen finden. Damit geben wir gleichzeitig Anregungen zur eigenen Literaturarbeit.
Wir machen auch Veranstaltungen in Kindergärten zum Erzählen und Spielen, wo wir diese Arbeit mit Elternseminaren verbinden. Wir sind zum Teil in der Lehrerweiterbildung tätig und arbeiten für die Landeszentrale für politische Bildung zu Literaturprogrammen oder Ähnlichem.

Ihre Arbeit ist also sehr auf Veranstaltungen ausgelegt?

Genau, nach draußen gehen und die Leute erreichen. Eine zweite wichtige Sache ist natürlich, dass wir eigentlich keine Veranstaltung ohne Partner planen. Wir sind sehr stark an einem literarischen Netzwerk in Thüringen interessiert, wo wir eben die Veranstaltungen in anderen Orten zusammen mit örtlichen Partnern machen. Wir sind keine Alleinvertreter auf diesem Gebiet, sondern arbeiten hier auch mit anderen literarischen Gesellschaften zusammen. In Jena etwa mit den Lautschrift-Leuten, und die sind eben auch wieder vernetzend tätig. So ergeben sich diese Tätigkeitskreise.

Was in Thüringen geleistet wird, ist stark auf dieses Netzwerk zurückzuführen.

Ja. Wir machen im Jahr ungefähr 220 Veranstaltungen thüringenweit. Da wird klar, dass wir nicht zu jeder Veranstaltung in Person zugegen sein können. Das wird mit den Leuten vor Ort organisiert, konzipiert und von ihnen selbstständig durchgeführt. Wobei wir natürlich gefördert werden durch die öffentliche Hand, also durch das Thüringer Kultusministerium, aber auch von Vertretern aus der Wirtschaft. Wir werden gefördert von den Stadtwerken Jena-Pößneck und von einem Großbetrieb in Pößneck. Aber es gibt in Jena auch örtliche Vertreter, zum Beispiel die Sparkassen-Kulturstiftung. Es ist überhaupt ein ganz wichtiges Anliegen, dass die mittelständischen Unternehmen, die sehr betonen, wie wichtig gut ausgebildete Leute sind, sich daran beteiligen.

Kommen viele junge Schriftsteller auf Sie zu?

Es gibt ganz unterschiedliche Veranstaltungsformate in der Hinsicht. Die Schreibwerkstätten, die in Ranis stattfinden, sind sehr gut besucht. Es gibt aber auch von der Lautschrift regelmäßig solche Angebote. Wir sind in unterschiedlichen Jurys für junge Literatur tätig. Es gibt also auch ganz persönliche Kontakte zu Autoren, die an Manuskripten arbeiten. Das ist zur Zeit kaum zu schaffen. Wir können uns also über mangelnde Nachfrage nicht beklagen, es ist eher andersrum.

Wie schätzen Sie die beiden Varianten ein: zum einen auf der Bühne stehen und zum anderen das Buch für das Regal schreiben?

Ich finde es sehr gut, dass es diese Bühnenpoesie gibt. Also Leute, die zum großen Teil mit ausgesprochenem Sprach- und Wortwitz arbeiten. Die kommen natürlich irgendwann alle mal an den Punkt, wo ihnen das, wenn sie wirklich begabt sind und beim Schreiben bleiben wollen, nicht mehr genügt: so für den Augenblick rüberzukommen. Sondern die wollen dann auch schwarz auf weiß die Dinge weitertreiben, wenn sie vielleicht so Ende Zwanzig oder Anfang Dreißig sind. Es gibt auch Verlage, die direkt etwas tun für Leute, die auf dieser Schwelle stehen, wie Voland & Quist in Dresden zum Beispiel.

Wie steht es um die Verlagslandschaft in Thüringen?

In Thüringen fehlt natürlich ein großer, angesehener belletristischer Verlag. Es ist eine sehr kleinteilige Verlagslandschaft und es ist immer das Problem, auch gerade für junge Leute, die lyrische Sachen oder Kurzprosa schreiben, das auch unterzubekommen. Es gibt einen sehr dankenswerten Ansatz von der Literarischen Gesellschaft Thüringen, die die Edition Muschelkalk verlegt. Das sind Personalbände für junge angehende Autoren, die im Wartburg-Verlag erscheinen. Jüngst ist zum Beispiel der sehr schöne Erzählungsband „Rückwärtslaufen“ von Katrin Marie Merten, einer gebürtigen Jenenserin, erschienen. Den hätte sie woanders wohl kaum veröffentlichen können.

Kommen viele Menschen auf Sie zu, die sich mit dem Schreiben etablieren wollen?

Ganz brutal: Kein Mensch kann von seiner Lyrik leben, auch kein bekannter Lyriker, wenn er nur Lyriker ist. Gerade da ist es wichtig, dass solche Genres durch das Kultusministerium gefördert werden. Das alles sind Dinge, die Autoren Mut machen und sie mit Stipendien und anderen Möglichkeiten unterstützen.

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