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Intrigen, Konflikte und Grabenkämpfe an der Uni

Von Philipp Böhm und Matthias Benkenstein

Fotos: Katharina Schmidt

Auf einmal war er weg. Auf der Internetseite des Instituts für Politikwissenschaft stand nur noch: keine Veranstaltungen im Wintersemester 2009/10. Und weiter unten ein kleiner Text, in dem Dr. Christoph Schuck mitteilte, er habe einen Ruf an die Uni Dortmund angenommen. Schon im Sommersemester hatte Schuck in Vorlesungen mehrmals angedeutet, dass er möglicherweise ab Oktober nicht mehr in Jena lehren werde. Einige Politikstudenten setzten sich daraufhin für ihn ein und legten Unterschriftenlisten im Hörsaal aus, um für eine dauerhafte Berufung Schucks zu mobilisieren – vergebens. Gerüchte machten die Runde: Schuck, bei vielen Studenten beliebt, sei Institutskollegen ein Dorn im Auge gewesen und „gegangen worden“.

Das große Schweigen

Allgemein sind Konflikte, Streitigkeiten und Ränkespiele an der Universität nichts Neues. Studenten müssen sich wohl daran gewöhnen, dass innerhalb der Institute bei Stellenbesetzungen oder auch bei Prüfungen nicht immer die Vernunft regiert, sondern persönliche Interessen und Machtverhältnisse. Das Problem ist vielen bekannt, doch darüber reden möchte fast niemand. So zum Beispiel der Fachschaftsrat Kunstgeschichte, der eine Anfrage mit der Begründung ablehnte, man wolle die Situation nicht noch verschlimmern. Streitigkeiten am Institut für Erziehungswissenschaft führten sogar dazu, dass sich hier ein kompletter Lehrstuhl im vergangenen Sommer abspaltete. Ob nun zwei verfeindete Prüfer stark divergierende Noten bei einer Magisterprüfung abgeben oder ein beliebter Professor plötzlich nicht mehr an der Uni lehrt – meist sind die Studenten direkt oder indirekt davon betroffen.
Das Problem des großen Schweigens wird auch im Fall Schuck offensichtlich – vieles ist inoffiziell bekannt, offiziell wird wenig geäußert. Ein Student, der namentlich nicht genannt werden will, gibt an: „Ältere und weniger aktive Kollegen haben sich durch den ehrgeizigen 33-Jährigen bedrängt gefühlt.“ Und tatsächlich zählte Schuck zu den Engagierteren der Jenaer Politikwissenschaftler. So war er an zahlreichen internationalen Projekten beteiligt, etwa zur Stärkung der Zivilgesellschaft in Indonesien.
Der Fachschaftsrat Politikwissenschaft hingegen will von persönlichen Zerwürfnissen, die zu Schucks Wechsel führten, nichts wissen: „Es ist nun mal nicht die Regel, dass ein Dozent, der eine Professur vertritt, automatisch auf diese berufen wird“, meint Tim Nerlich. Gerade für junge Dozenten wie Schuck sei es generell schwierig, längerfristige Stellen zu bekommen.
Für Stellen an der Uni wird grundsätzlich eine Berufungskommission eingesetzt, die sämtliche Bewerber prüfen und anschließend eine Liste mit den Favoriten an den Fakultätsrat weitergeben soll. Schuck bewarb sich, wurde auf der Liste aber nicht berücksichtigt. Professor Michael Dreyer, Direktor des Instituts für Politikwissenschaft, weist die Verantwortung dafür von sich: „Mit der Neuberufung von Lehrstühlen hat das Institut als solches überhaupt nichts zu tun.” Auf die Entscheidung der Kommission habe er keinen Einfluss gehabt. Dabei verschweigt er jedoch, dass von den acht Teilnehmern der Berufungskommission drei dem Institut für Politikwissenschaft angehörten und das Institut somit sehr wohl Einfluss hatte.
Ein Mitglied des Fakultätsrates für Sozial- und Verhaltenswissenschaften, das lieber ungenannt bleiben möchte, reagiert mit Unverständnis auf die Entscheidung: „Schuck ist wirklich ein großer Verlust für die Uni und die Studenten. Ich kann die Begründung der Kommission nicht nachvollziehen.“ Dort sei Schuck vorgeworfen worden, thematisch zu spezialisiert zu sein, sich zu stark auf sein Forschungsthema Südostasien eingeschossen zu haben, was ein Mitglied der Berufungskommission bestätigen konnte. Ein Vorwurf, der dem Fakultätsratsmitglied fadenscheinig vorkommt: „Der letztendliche Favorit ist mit seinem Steckenpferd Amerika ebenso thematisch eingeschränkt. Außerdem ist das ein Thema, das extrem ausgelatscht ist.“ Umso fadenscheiniger, wenn man Schucks weitere Vorzüge betrachte: „Gerade bei der Drittmitteleinwerbung, die bei Berufungen eine wichtige Rolle spielt, hat Schuck Enormes geleistet. Ich könnte mir vorstellen, dass er damit andere in den Schatten gestellt hat.“ Es wurde gemunkelt, dass einige in der Kommission nicht objektiv entschieden hätten. Die studentischen Vertreter in der Berufungskommission wollten sich zu diesen Vorwürfen nicht äußern.
Auf das Thema „interne Konflikte“ angesprochen, reagiert auch Institutsdirektor Dreyer lediglich mit blumig umschreibenden Floskeln: „Verglichen mit vielen Instituten anderer Universitäten ist das gute Arbeitsklima und der kollegiale Umgang miteinander einer der unzweifelhaft starken Punkte unseres Institutsalltags.“ Schuck habe sich in diesen Alltag „hervorragend eingefügt“. Unerwähnt bleibt hier wiederum, dass der gesamte Lehrstuhl für vergleichende Regierungslehre aufgrund interner Streitigkeiten ausgelagert wurde und auch nicht mehr auf der offiziellen Internetseite zu finden ist, was nicht so gut in das Bild des „guten Arbeitsklimas” passt. Schuck selbst wollte sich über seine Berufung und seinen Weggang nicht äußern, merkte aber an, dass er gerne an der Universität geblieben wäre.

„Die eine oder andere Spitze“

Deutlicher zeigten sich Konflikte und Grabenkämpfe am Institut für Germanistische Literaturwissenschaft, sehr zum Leidwesen der Germanistikstudenten, die hier direkt davon betroffen waren: Im Sommersemester 2008 leiteten hier Professor Jens Haustein und sein damaliger Assistent Dr. Christoph Fasbender zusammen das Modul „Ältere deutsche Literatur II” , gegliedert in Übung und Seminar. „Es wurden zwei verschiedene Reader ausgeteilt, die auf dieselbe Klausur vorbereiten sollten. Es fand überhaupt keine Koordination unter den beiden Dozenten statt”, erinnert sich eine Studentin. Viele Kursteilnehmer seien verunsichert gewesen und hätten um ihren Schein gebangt. Vermutet wurde ein kollegialer Kleinkrieg, was „durch die eine oder andere Spitze” unterstrichen wurde, die Fasbender am Ende des Semesters gegen seinen Kollegen gerichtet habe. Haustein meint jedoch, es habe keine Konflikte gegeben. Fasbender habe eben einen „speziellen hintergründigen Humor”, den manch einer wohl falsch verstanden habe.
Ein ehemaliges Mitglied des Fachschaftsrats sieht das Problem eher in dem Zwist zwischen den Instituten für Literaturwissenschaft und Sprachwissenschaft, da hier die Abstimmung vollkommen fehle: „Die lehren aneinander vorbei.” Christoph Fasbender, der mittlerweile an der TU Chemnitz lehrt, findet dagegen schon deutlichere Worte: „Ich habe mir den Tag, an dem ich dieses Institut verlassen habe, rot im Kalender angestrichen.” Trotzdem besteht er darauf, lediglich eine gute Chance auf eine Professur ergriffen zu haben. Er sei nicht „rausgemobbt“ worden, auch wenn er sich vorstellen könne, dass einige Kollegen das „vielleicht gern getan hätten“.
Für Rektor Klaus Dicke sind solche Spannungen nichts Ungewöhnliches: Die Uni sei kein konfliktfreier Raum. Während seiner Amtszeit habe er auch schon ein paar Mal eingreifen müssen, wenn Streitigkeiten sich verselbstständigten: „Bei manchen Instituten muss man hin und wieder darauf hinweisen, dass sie Wichtigeres zu tun haben, als sich gegenseitig zu beharken.” Besonders oft sei das aber nicht vorgekommen, wofür er dankbar sei. „Professoren gelten nun mal als recht eitel. Außerdem gibt es Interessenskollisionen. Manche sind ehrgeiziger als andere”, ergänzt Dicke. Dazu herrsche in Jena eine „relative Enge“ aufgrund der Größe der Stadt, die dazu führe, dass sich Konflikte „ziemlich scharf” entwickeln könnten. Auf den Fall Schuck angesprochen, reagiert er ungehalten: „Schuck lag eben nicht vorne bei der Berufung, auch wenn die Studenten da anderer Meinung sind”, antwortet er kurz angebunden. Für ihn sei das kein Konflikt gewesen. Generell versuche er als Rektor zu verhindern, dass sich Streitigkeiten verfestigen. Das Gespräch sei dabei immer „das Mittel der Wahl”, in Einzelfällen müssten jedoch auch mal „stärkere Geschütze ran”.
Für viele Studenten der Politikwissenschaft bleibt letztlich nur die Erkenntnis, einen engagierten Dozenten verloren zu haben – die wahren Gründe liegen zwischen Gerüchten, Bürokratie und vielen höflichen Phrasen. Schuck selbst scheint noch etwas an seinen ehemaligen Studenten zu liegen. Zumindest hat er einige von ihnen auf einen seiner Vorträge eingeladen – und wird ihnen sogar die Fahrtkosten bezahlen.

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