JUCKEN IM SCHRITT

Unsere Autorin berichtet über eigene Erfahrungen in Sachen Geschlechtskrankheiten während Corona. #notindernovember

Von Xueyan Li

Als eine Freundin und ich auf der Treppe vor der Thulb gechillt haben, hat sie mir erzählt, dass ihr Date jetzt Krätze hat. Sie und ihr Sexpartner sind beide keine Anhänger von Monogamie. Er datet gleichzeitig drei Frauen. Zwei davon und er selbst haben jetzt Krätze. In dieser Konstellation ist es eigentlich wahrscheinlich, dass besagte Freundin sich auch angesteckt hat, hat sie zum Glück aber nicht. Sie hat mir dann vorgeschlagen, dass ich öfter zur Frauenärztin gehen sollte, weil viele sexuell übertragbare Erkrankungen keine Symptome haben. Wenn Chlamydien zum Beispiel lange Zeit nicht behandelt werden, dann kann dies bei Frauen zu Unfruchtbarkeit führen. Obwohl ich keine Beschwerden hatte, habe ich dann einen Untersuchungstermin ausgemacht.

Kondome sind nie hundert Prozent sicher

„Sie haben Condylome. Ich werde Ihnen zwei Cremes verschreiben. Sie müssen damit am Dienstag-, Donnerstag- und Samstagabend die betroffenen Stellen eincremen und erst morgens duschen.”
„Hä? Krass, die kleinen harmlosen Pickel auf meiner Vulva sind Condylome? Ich habe doch eine HPV-Impfung bekommen und habe immer Kondome benutzt. Das kann nicht sein.” Aber die Ärztin meinte, dass HPV auch durch Hautkontakt übertragbar sei. Okay, gut. Ich muss dann wohl alle ehemaligen Dates anschreiben, damit sie sich am besten auch testen lassen können. Eine Geschlechtskrankheit entsteht nicht von selbst, man bekommt sie immer von anderen.
Die Reaktionen der Männer sind ganz unterschiedlich: Manche sind nur sauer auf mich und haben null Verantwortungsgefühl gegenüber anderen Leuten: „Ich habe keine Lust auf einen Test.” „Du solltest dich eigentlich öfter testen lassen.” Andere stellen dann unnötige Fragen: „Mit wie vielen Männern hast du geschlafen? Dann kann ich statistisch überlegen, ob ich es haben könnte oder nicht.” Manche haben mich sofort entfreundet, obwohl wir vorher immer nette Gespräche hatten. Fast so, als wäre ich die Bakterie, und als könnten sie sterben, wenn sie mit mir reden. Manche haben Mitleid gezeigt und sofort einen Termin beim Arzt gemacht, und sie haben mich getröstet: „Das ist nicht deine Schuld. Gute Besserung”.
Ja, ich muss sie mutig damit konfrontieren.

„Dein Partner ist vielleicht nicht so gesund, wie du gedacht hast”

In einem Zoom-Meeting über Black Venus von Angela Carter habe ich dann zwei Anrufe bekommen. „Wir haben jetzt das Ergebnis von ihrem Urintest bekommen. Sie sind positiv auf Chlamydien getestet worden.” Ich konnte mich dann gar nicht mehr auf mein Seminar konzentrieren. Soll das heißen, ich bekomme jetzt jede Woche eine neue Krankheit?
Daraufhin bin ich wieder zu meiner Ärztin gegangen und habe Antibiotika bekommen. Die musste ich dann zehn Tage nehmen. Ich darf drei Stunden davor und danach kein Milchprodukte essen. Ich habe wieder allen geschrieben: „Hey, tut mir leid, ich habe jetzt anscheinend Chlamydien.” Aber das Problem ist, dass ich nicht von allen Dates die Kontaktdaten habe. Das heißt, manche Leute haben vielleicht unbewusst Sex mit Chlamydien- und HPV-Infizierten, aber sie wissen es selbst nicht.

Weniger Slutshaming

Nach meiner Diagnose kann ich nicht aufhören daran zu denken, wie ich damit umgehen würde, wenn ich kein eigenes Kind haben könnte. Ich habe einer Freundin davon erzählt, aber sie zeigte wenig Verständnis und meinte nur, dass ich damit rechnen müsste, wenn ich so viele Sexpartner hätte. Ich fühlte mich davon super verletzt, obwohl ich eigentlich weiß, dass das ganz normale Krankheiten sind. Man bekommt Grippe auch durch Kontakte mit anderen Menschen, aber niemand sagt: „Hey, wenn du keine anderen Leute triffst, dann bekommst du safe keine Grippe.”
Wegen körperlicher Unterschiede ist die Wahrscheinlichkeit einer Chlamydieninfektion bei Frauen viel höher als bei Männern. Obwohl Männer nicht unbedingt Symptome haben, können sie dennoch weitere Personen infizieren. Aber sie gehen nicht so oft zum Urologen. Und obwohl es auch eine HPV-Impfung für Männer gibt, wird sie nur von wenigen in Anspruch genommen.

2 Antworten auf JUCKEN IM SCHRITT

  • Also deine vielfältigen Sexualkontakte und die entsprechenden Krankheiten mit einer Grippe zu vergleichen ist absurd. Eine Grippe kannst du von jedem bekommen ohne etwas dafür tun zu müssen. Sexuell übertragbare Krankheiten bekommst du nun einmal hauptsächlich von Sex und das Risiko ist nun mal weitaus höher je mehr Sexualpartner man hat. Gegen eine Grippe kannst du wenig machen, sexuell übertragbare Krankheiten hängen mit deinem (Sexual-)Verhalten zusammen. Wenn du mit Viren belastete Luft einatmest ist das nicht das selbe wie Geschlechtsteile ineinander zu verschränken. Und wenn du nicht mal die Kontaktdaten von Menschen hast mit denen du geschlafen hast, musst du vielleicht tatsächlich einmal dein Verhalten und deine Verhältnisse reflektieren. Du kannst nicht den Männern ihre Sorglosigkeit vorwerfen und von anderen Verständnis erwarten, wenn du selbst von einigen die du eventuell infiziert hast nicht einmal die Telefonnummer hast oder weißt wo sie wohnen. Das ist nicht besser. Und deine Freundin hat nun mal recht, da hilft auch verletzt sein nicht. Ich kann verstehen, dass das eine unangenehme Situation ist, doch scheint es mir, dass du dich vielleicht etwas mit dir selbst auseinandersetzen sollten, statt die Folgen des ganzen sowie Scham- und Schuldgefühle mit dem Verweis auf Slutshaming von dir weg zu schieben.

  • Hallo Xueyan Li,

    deine Freundin hat Recht. Sie hat Recht, wenn sie sagt, dass du damit hättest rechnen müssen. Es war erwartbar, dass die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass du dich mit Geschlechtskrankheiten infizierst, wenn du mit einer so großen, und zudem noch wechselnden, Anzahl von Menschen Sex hast und wenn die angebahnten Sexualkontakte so spontan und unverbindlich sind, dass du teilweise noch nicht einmal die Telefonnummern oder Hausadressen der Personen zu kennen scheinst.

    Natürlich kann man bei Geschlechtskrankheiten auch einfach mal Pech haben. Auch ein Mensch mit einer weniger promisken Lebensweise kann sich durch nur gelegentlich stattfindenden Sex mit einer Geschlechtskrankheit anstecken. Es ist nicht immer möglich, das Sexualverhalten des Gegenübers richtig einschätzen zu können und manchmal trifft man dann halt auf eine Person, die sich dann im Nachhinein als Hochrisikokandidat entpuppt.

    Allerdings hat, wie bereits gesagt, dein (Sexual)verhalten einen großen Einfluss darauf, wie wahrscheinlich es ist, was dir in Folge von Sexualität widerfahren kann. In diesem Sinne ist es irreführend und relativierend, wenn du Geschlechtskrankheiten mit einer Grippe gleichsetzt.

    Mein Eindruck ist leider, dass du dies nur tust, um dich ein Stück weit von der Verantwortung, die du trägst, zu entlasten. Während du das unverantwortliche Verhalten einiger Männer, mit ihrer womöglich vorhandenen Infektion, zu Recht kritisierst, scheinst du selbst nicht die Courage zu haben, deine Situation auf dein unachtsames Verhalten zurück zu führen zu wollen. Und so erklärst du, im Widerspruch zu der Erkenntnis, dass bspw. eine polygame Lebensweise anfällig ist für Geschlechtskrankheiten (wie sich ja am Beispiel der anderen Freundin gezeigt hat) deine Geschlechtskrankheiten zu einem zufälligen und natürlichen Verhängnis, das über dich gekommen ist, wie eine ganz normale Grippe halt.

    Du sprichst von „Slutshaming“ und davon, dass du „super verletzt“ bist, während du durch dein Verhalten dazu beigetragen hast, dass sich andere Menschen womöglich infiziert haben, hiervon womöglich sogar gar nichts wissen können und unter Umständen, gleichermaßen naiv wie du, andere Menschen, wahrscheinlich überwiegend Frauen, infizieren werden.

    Es ist in dieser Hinsicht einfach nicht angemessen, dass du für dich reklamierst Opfer gesellschaftlicher Wertvorstellungen (“Slutshaming”) zu sein, während du (sexuell) sehr aktiv an Gesellschaftlichen Verhältnissen (der Ausbreitung von Geschlechtskrankheiten) und deiner Situation (der Ansteckung mit einer Geschlechtskrankheit) mitgewirkt hast.

    Mein Ratschlag an dich: Verhalte dich wie ein erwachsener Mensch. Dies bedeutet, die Konsequenzen deines eigenen Handelns auf dich zu nehmen und hierfür wirklich(!), ohne den Verweis auf andere Menschen oder missgünstige Umstände einzustehen.

    Ob du dich dann entschließt verantwortungslos zu handeln und die Folgen davon zu akzeptieren oder ob du dich dann entschließt verantwortungsvoll zu handeln und die Folgen davon zu akzeptieren, ist in diesem Fall deine Entscheidung.

    Welcher Schaden entstehen kann, hast du ja jetzt am eigenen Leib erfahren.

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