Student 2.0

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Pro: Digital ist besser

Von Marco Fieber



Foto: Katharina Schmidt

Als meine Eltern in den 80ern studierten, gab es an ihrer Uni nur einen Großrechner. Man musste sich lange Zeit vor dem Gebrauch anmelden, um diesen kurzzeitig für Berechnungen nutzen zu dürfen. Waren die angefertigten Lochkarten zur Programmierung des Ungetüms fehlerhaft, konnte man die Wartezeit in den Papierkorb werfen. Solche Zustände kann sich der heutige Student 2.0 nicht mehr vorstellen.

Denn das studentische Leben wurde in den letzten 30 Jahren nahezu vollständig digitalisiert. Dieser Tage geht an der Uni nichts mehr ohne Account und Login. Einen Vortrag ohne Powerpoint kann man sich zwar gerade noch vorstellen, doch bereits jede noch so kleine schriftliche Arbeit muss elektronisch eingereicht werden. Die Entwicklung an der Uni kommt nicht von ungefähr, waren doch die Hochschulen die ersten zivilen Einrichtungen, die sich schrittweise computerisierten. Im Zuge dessen waren sie Vorreiter für andere Einrichtungen wie Verwaltung, Schule oder Wirtschaft.
Damit ging die mittlerweile abgeschlossene Umstellung auf den digitalen Studenten einher: Friedolin, DT-Workspace oder der Online-Katalog der Thulb. Alle drei Systeme zeigen beispielhaft die Vorteile für Dozenten, Uni-Verwaltung und vor allem uns – die Studenten. Friedolin erspart uns das frühe Aufstehen, die Drängelei und das Warten bei der Einschreibung auf Zettel, die am Professorenbüro hängen. DT-Workspace erleichtert das Kopieren von Skripten und Literatur. Das spart sogar Papier, denn bereits vor dem Ausdruck können unwichtige Dinge aussortiert werden. Last but not least ermöglicht die Bestandsdatenbank der Thulb sekundenschnelles Auffinden von Büchern oder anderen Medien sowie das Bestellen und Verlängern. Das funktioniert in Carrel 440 genauso gut wie am Urlaubsstrand. Die Karteikartenkataloge sind längst zum Relikt vergangener Tage geworden. Bei der aktuellen Auslastung der Studiengänge wären diese sowieso kaum noch zu gebrauchen.
Man muss aber nicht mal so weit ausholen, auch ganz banale Dinge wie E-Mail oder Facebook werden nicht erst seit gestern für die Kommunikation und Organisation des Studienalltags genutzt. Wie soll es sonst funktionieren, einen übereinstimmenden Treff- und Zeitpunkt für Gruppenarbeiten auszuhandeln? Dank überfüllter Studiengänge und verkürzten Bachelorstudiums müssen oft fünf oder mehr Leute zusammenarbeiten. Eine komplette Abkapselung von der Technik ist als Student nicht mehr möglich, ohne sich automatisch für jegliche Arbeit zu disqualifizieren. Für die Studenten, die keinen eigenen Computer besitzen, stehen zahlreiche Rechner mit modernster Technik und Software zur Verfügung. Doch scheinen alle versorgt zu sein, betrachtet man die verwaisten PC-Labore im MMZ. Genauso weiß der letzte Philosoph oder Sportwissenschaftler, dass Grundkenntnisse in Textverarbeitung und Onlinerecherche Standardvoraussetzungen in jedem Job sind.
Auch meine Eltern arbeiten täglich am Computer und mittlerweile ist dieser im Haushalt so etabliert wie früher Telefon und Farbfernseher. Nur meine Großeltern wehren sich noch dagegen. Aber die dürfen das!

Contra: Skillupdates verfügbar

Von Anna-Sophie Heinze

Natürlich möchte im Jahr 2011 niemand mehr mit der Keule ums Feuer rennen. Man kann es aber auch übertreiben. Die Rede ist von einem Studienalltag, der ohne Technik gar nicht mehr denkbar ist. Es scheint, als seien Studenten wie auch Mitarbeiter der Universität ohne Laptop & Co. überhaupt nicht mehr lebensfähig.

Frisch Immatrikulierte lernen das Problem Nummer eins bereits in den ersten Wochen kennen: Beinahe jede Vorlesung verzögert sich um mindestens zehn Minuten, nur weil der Professor den Beamer nicht überreden kann, die mit Müh und Not erstellte Powerpoint-Präsentation an die blau erleuchtete Wand zu werfen. Es ist eine Tragödie. Hoch gebildete Menschen stoßen an die Grenzen ihrer Möglichkeiten – nur wegen ein paar Klicks, die sich gegen sie verschworen haben.
Wer von diesen verzweifelten Versuchen profitiert? Niemand. Es ist ein wildes „einfach alles Ausprobieren“, das nur den Zuspätkommern zu Gute kommt. Um sich der weiteren Blamage zu entziehen, setzt die Lehrkraft meist schnell und voller Hoffnung den Publikumsjoker ein. Blöd nur, dass der Student von heute bereits mit seiner Facebook-Freundesliste oder den frisch eingeflogenen Ebay-Angeboten beschäftigt ist.
Auch zu den nächsten Veranstaltungen schleppt sich die träge Masse eher geis­tesabwesend, dafür aber online. Dort schießen sie sich mit imaginären Pfeilen auf dem nicht mehr wegzudenkenden I-Phone ab und loten die Neuigkeiten bei gala.de aus. Langeweile-Bekämpfung auf einem sichtbar neuen Level. Womit sollte man sich auch sonst beschäftigen? Mitschriften scheinen unzeitgemäß, die Lösung lautet DT-Workspace.
Es kann nicht sein, dass hochgebildete Menschen kapitulieren, sobald Themen technischer werden. Fernab vom unberechenbaren Feind Powerpoint scheinen ihnen auch bezüglich Friedolin die Hände gebunden. Natürlich erleichtert das „Campus Management System“ Arbeit und beseitigt Zettelchaos. Es ist jedoch kein Geheimnis, dass bereits zahlreiche elektronische Prüfungsanmeldungen missglückten. Anstatt sich über die scheinbare Allmacht dieses einen Klicks hinwegzusetzen, lassen Dozenten die Studenten einfach die gesamte Veranstaltung wiederholen. Auch das Aspa kann da „nichts machen“ – Verstand: offline.
Neben all dem Bürokratiekrieg bleiben Fragen offen: Wann soll es unter diesen Umständen eigentlich noch möglich sein, „richtig“ zu studieren? Und was heißt das eigentlich? Wie sah Wissenschaft vor dem Internet aus? Wenn selbst Professoren bei ihren Ausführungen auf Wikipedia verweisen, kommt nicht nur der Oldschool-Student ins Grübeln. Wo bleibt zwischen all dem eigentlich das kritische Hinterfragen? Im Standby-Modus. Wer übernimmt dafür die Verantwortung? Google. Und was ist nochmal Zwischenmenschlichkeit? Spam. Alles andere können wir ja per E-Mail klären.

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