Flaming Heinzelmann

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Theaterspektakel eröffnet die 19. Jenaer Kulturarena

Von Johannes Weiß



Foto: Joachim Dette / Theaterhaus

Ein „Spektakel“ zur Eröffnung der Kulturarena hat das Theaterhaus Jena wieder mal angekündigt, und ein Spektakel ist in der Tat geliefert worden: Feuerstrahlen, Flitter und Vierbeiner bereichern Markus Heinzelmanns Inszenierung der „Nibelungen“ nach Friedrich Hebbel. Wie schon der hinzugefügte Untertitel „Lockruf des Goldes“ und die an „Inglourious Basterds“ angelehnten Werbeplakate erahnen lassen, begnügt man sich nicht mit der literarischen Vorlage, sondern versucht dem großen Kino Konkurrenz zu machen.
Siegfried (Sebastian Thiers) reitet als smarter Revolverheld auf den Theatervorplatz und trifft dort auf die wenig gastfreundlichen Burgunden: König Gunther (Ralph Jung), dessen Brüder Gerenot (Mohamed Achour) und Giselher (Ferenc Kohl), den „Spielmann“ Volker (Julian Hackenberg) sowie den schießwütigen Hagen Tronje (Bernhard Dechant). Die Begrüßung verläuft etwas rau, denn schon bald ziehen die Hausherren ihre sämtlichen Feuerwaffen und nehmen den umherreisenden Draufgänger lautstark unter Beschuss; doch der erweist sich als unverwundbar und lässt cool die eingesammelten Patronen auf den Boden fallen. Für eine angemessene Atmosphäre sorgt die Hintergrundmusik, die mehr als einmal das Todesmotiv aus Richard Wagners „Ring des Nibelungen“ im Western-Stil erklingen lässt. Aus Wagners Werk wird ohnehin literarisch wie musikalisch ausgiebig zitiert, und schließlich erscheint sogar das Porträt des Komponisten auf einer Videoleinwand. Doch an die Präsenz von Hitler reicht er damit noch nicht ganz heran, denn diesem begegnet man auf der Bühne unaufhörlich, vor allem in Gestalt der Amme (Anne Haug) am Hof der „isenländischen“ Königin Brunhild (Zoe Hutmacher). Bereits ihr Name „Frigga“ weist sie als Vertreterin der germanischen Mythologie aus, auf die sich auch die Nationalsozialisten gerne bezogen haben; daher darf sie sich den ganzen Abend als Hitler-Imitatorin betätigen und bei jeder sich bietenden Gelegenheit die rechte Hand gen Himmel strecken. Nun ja, sogar die Deutschen gehen inzwischen – nicht nur während einer Fußball-WM – zu entspannt mit ihrer Nation um, um sich von so etwas noch provozieren und nicht langweilen zu lassen. Apropos: Wer als Fußballmuffel Zuflucht in der Premierenvorstellung gesucht hat, sieht sich bald so betrogen wie der arme Siegfried. Nicht nur Vuvuzelas und schwarz-rot-goldene Fahnen, sondern auch ein aktuelles Zwischenergebnis des zeitgleich stattfindenden Halbfinalspiels Deutschland gegen Spanien erwarten die Zuschauer.
Eigentlich stört das nicht weiter, denn Heinzelmanns Zugang zum germanischen ‚Nationalmythos’ der Nibelungen besteht gerade darin, alles Deutsche oder vermeintlich Deutsche ohne größere Bedenken in einen Topf zu werfen: Hitler, Wagner, die Fußball-Nationalmannschaft, Gartenzwerge, Rotkäppchen – alles wird zusammengemischt, verrührt und dann ordentlich flambiert mit viel Feuerwerk und Knalleffekten. Nach der kurzen Abkühlzeit schmeckt dieser Cocktail aber dann doch ziemlich fad und abgestanden.
Das liegt vor allem daran, daß inmitten der bunten Bilderflut kein roter Faden sichtbar wird, der auf die Aktualität der „Nibelungen“ für das Deutschland des 21. Jahrhunderts hinweisen könnte. Man denke nur an den personifizierten Etikettenschwindel, die hinzugedichtete Figur der „Operation Walküre“ (Vera von Gunten). Ihr bedeutungsschwerer Name verweist auf die wichtigen Themen der Inszenierung: die deutsche Geschichte, das Mythische, sogar das Filmische. Doch in Wahrheit ist sie nicht viel mehr als eine Erzählerin, die einzelne Szenen miteinander verbindet, mal als Hitler „Ein bißchen Frieden“ singt, mal mit Pickelhaube die martialischen Verse Felix Dahns zitiert: „Brach Etzels Haus in Glut zusammen, als er die Nibelungen zwang,/ So soll Europa stehn in Flammen bei der Germanen Untergang“. Dass just an dieser Stelle vereinzelt Applaus im Publikum eingesetzt hat, beweist vor allem zweierlei. Erstens, dass Vera von Gunten mitreißend deklamieren kann; zweitens, dass man bei dieser Inszenierung mit der Zeit gar nicht mehr so genau hinhört, was eigentlich gesagt wird. Wozu sich auch mit Inhalten abmühen, wenn Augen und Ohren eine Show bekommen, die selbst den Rummel des Jenaer Frühlingsmarktes problemlos in den Schatten stellt? Aus diesem Grund nur ganz kurz den Rest der Handlung: Siegfried heiratet Gunthers Schwester Kriemhild (Saskia Taeger), wird aber nach einer stummfilmartigen Jagdszene von Hagen hinterrücks ermordet. Die trauernde Gattin heiratet den mit südländischem Akzent sprechenden Hunnenkönig Etzel (Antonio Cerezo) und nimmt bald blutige Rache an ihrer Familie. Wie man sieht, ist für reichlich Action gesorgt; vielleicht hätte man ja dann so viel Pyrotechnik gar nicht gebraucht.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. mat

    Sogar den Jenaer Frühlingsmarkt stellt das Stück in den Schatten? Ein echter J.W. 🙂

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