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Die erste große Bachelor-Welle stürzt sich auf den Master

Von Ulrike Schiefelbein und Annemarie Block



Foto: Michael Tettinger

Die Verunsicherung ist groß. In diesem Sommer wird in Jena der erste große Bachelor-Jahrgang sein Zeugnis erhalten und sich anschließend für ein Masterstudium bewerben. Doch weder Studenten noch Uni wissen so recht, was auf sie zukommt. Wie also bereitet sich die Uni auf die kommende Welle von Bachelor-Absolventen vor?

„Sie wollen Meister Ihres Faches werden, und greifen dafür nach dem Apfel der Erkenntnis! (Und das ganz ohne verführerische Schlange)“ – das Masterportal der Uni Jena wirbt seit einiger Zeit im Internet für die hiesigen Masterprogramme und schneidet damit ein Thema an, das so manchen Bachelor-Studenten momentan schlaflose Nächte bereitet.

„Werden an die Kapazitätsgrenze stoßen“

Denn die Frage „Wo machst du deinen Master?“ hört man nicht nur in den Seminaren und Vorlesungen der fortgeschrittenen Bachelor-Studenten immer öfter. Vor allem die Anzahl der Masterplätze und die oftmals schwammigen Zulassungsvoraussetzungen dürften bei vielen Magenschmerzen verursachen. In der Psychologie kursiert unter den Studenten sogar schon der Vorschlag, man solle den Leistungsstand eines Studierenden in einer Art Rangliste des Fachs einordnen, um die eigenen Chancen bei der Bewerbung gegebenenfalls verbessern zu können.
Es seien „gewisse Planungsgrößen“ vorhanden, sagt Eva Schmitt-Rodermund, Dezernat-Verantwortliche für Studentische und Akademische Angelegenheiten. Dennoch könne niemand wissen, wie viele Master-Bewerber es letztendlich geben wird: „Es ist alles möglich. Es können im Wintersemester tausende Leute vor der Tür stehen oder keiner. Ich hoffe auf keines von beidem.“
Die Kalkulation der Masterplätze ist nicht nur von der Bewerberanzahl, sondern vor allem von den Lehrkapazitäten der einzelnen Institute abhängig. Dennoch bemühe sich die Uni laut Kurt-Dieter Koschmieder, Prorektor für Lehre und Struktur, um eine „gewisse Flexibilität“. Verdoppeln könne man die Platzanzahl aber nicht. „In einzelnen Fächern werden wir wahrscheinlich an die Kapazitätsgrenze stoßen“, sagt Koschmieder, beispielsweise in der Soziologie und Psychologie. Konkret heißt das: Die Uni Jena kann nicht jedem Absolventen einen Master-Studienplatz gewährleisten.
Zumindest in den meisten geisteswissenschaftlichen Fächern geht Schmitt-Rodermund erst einmal nicht von Platzproblemen aus. Anders sieht die Situation bei Fächern aus, die bereits als Bachelor-Studiengang einen Numerus Clausus hatten. In bestimmten Fächern seien schon jetzt Platzprobleme sehr wahrscheinlich, so in Deutsch als Fremdsprache, Interkultureller Wirtschaftskommunikation oder Sozialpädagogik.
Die konkrete Anzahl der Masterplätze wird in vielen Fällen erst zu Beginn des Wintersemesters feststehen. Die Devise heißt abwarten bis zum Bewerbungsschluss am 15. Juli. Prinzipiell lässt die Uni deutlich mehr Leute zu als Plätze vorhanden sind, da sie annimmt, dass sich viele Studenten sicherheitshalber an mehreren Unis gleichzeitig bewerben.

Keine Quoten in Jena

Der Bachelor-Absolvent bewirbt sich an der Uni Jena mit seinem vorläufigen Bachelor-Zeugnis um eine Zulassung. Eine vorläufige elektronische Berechnung der Abschlussnote soll in einigen Tagen bei Friedolin freigeschaltet werden. Einzelne Auswahlkommissionen entscheiden dann über die Platzvergabe. Eine Zulassung bleibt selbst dann gültig, wenn die Bachelor-Note schlechter als erwartet ausfällt, es sei denn, die Bachelor-Arbeit wurde gar nicht bestanden. Im Laufe des ersten Semesters ist das vollständige Zeugnis nachzureichen. Jenaer Absolventen könne man bei der Master-Zulassung aus rechtlichen Gründen nicht bevorzugen. Nichtsdestotrotz, so Koschmieder, „spielt ja nicht nur die Abschlussnote, sondern beispielsweise auch das Motivationsschreiben eine Rolle bei der Bewerbung. Ich hoffe, dass die Jenaer Studenten ihren Heimvorteil nutzen werden.“
Koschmieder ist von dem Fakt, dass nicht jeder Bachelor-Absolvent der Uni Jena hier auch einen Master-Studienplatz erhält, nicht sonderlich beeindruckt. Vielmehr hebt er die intensivierte Betreuungssituation im Master hervor. Seminare sollen höchstens 20, Vorlesungen höchstens 60 Teilnehmer haben. Der Masterplan der Uni Jena sei – im Vergleich zu anderen Hochschulen – nicht unfair gegenüber den Bachelor-Absolventen: Anders als an vielen anderen Unis habe man sich in Jena zum Beispiel bewusst gegen Übergangsquoten entschieden. Das heißt, dass an der Uni Jena nicht von vornherein lediglich ein festgelegter Prozentsatz eines Bachelor-Jahrgangs in einen Masterstudiengang wechseln kann.
Was passiert mit den Bachelor-Absolventen, die keinen Masterplatz bekommen? In den physikalischen Fakultäten ist man sich bezüglich des Bachelors als finalen Hochschulabschluss ziemlich einig: „Der Bachelor ist nur ein Zwischenabschluss“, sagt Karl-Heinz Lotze, Dekan der Physikalisch-Astronomischen Fakultät. „Physiker wird man in fünf Jahren, nicht in drei.“ In sechs Semestern könne man nur Grundlagen vermitteln, da in der Physik sehr viel aufeinander aufbaue. Deshalb möchte auch die Fakultät jedem Bachelor-Absolventen einen Master-Studienplatz bieten, indem sie keinen überragenden Abschluss verlangt. Lotze fügt hinzu: „Der Vorteil ist natürlich, dass man, anders als beim Vordiplom, dann schon einen Abschluss vorweisen kann. Mit einem Physik-Bachelor auf den Arbeitsmarkt zu gehen sollte aber eher die Ausnahme bleiben.“
Ähnlich äußert sich auch Stephan Lessenich, Pro- und Studiendekan der Sozial- und Verhaltenswissenschaftlichen Fakultät: „Ob es sinnvoll ist, mit einem Bachelor-Abschluss auf den Arbeitsmarkt zu gehen, hängt vom Berufswunsch ab.“ Für eine Anstellung im Bereich Markt- und Meinungsforschung sei man beispielsweise bereits mit einem Bachelor in Soziologie qualifiziert. Aber erst der Master ermögliche eine tiefere Ausbildung und sei aus wissenschaftlicher Perspektive „als Regelstudienfall angemessen.“ Momentan ist es schwer, ein objektives Urteil über die Anerkennung des Bachelor-Abschlusses zu erhalten. Quantitative Erhebungen über die beruflichen Wege der Absolventen gibt es noch nicht. Die mediale Diskussion über die „Generation Bachelor“ ist oft wenig hilfreich und befördert meist das Vorurteil, der Bachelor-Absolvent sei verschult, angepasst, akademisch „irgendwie unfertig“. Dass viele nun einen Master anschließen wollen, ist nicht verwunderlich.

Auslese der Besten

Die Uni Jena wartet also ab. In der Zwischenzeit rettet sie sich bei der drängenden Frage nach den Masterplätzen in zwei stereotype Antworten: Erstens wisse man nicht, wie viele Bewerber es geben wird. Die Uni führte zwar im Rahmen der „Halbzeitanalyse“ eine Erhebung unter den fortgeschrittenen Bachelor-Studenten durch, um in etwa einschätzen zu können, wie viele Studenten mindestens ein Masterstudium anschließen wollen. Jedoch wurden nicht einmal 600 Studenten erfasst, sodass man wohl kaum von einer repräsentativen Umfrage sprechen kann. Genaue Bedarfsanalysen gibt es bisher nur in wenigen Fakultäten, wie beispielsweise in der für Sozial- und Verhaltenswissenschaften. Zweitens möchte man im Master die Betreuungssituation „erheblich verbessern“, was viele Institute an ihre Kapazitätsgrenzen bringen wird. Worauf das hinausläuft, ist augenscheinlich: Unter den Bachelor-Studenten findet eine Selektion statt. Koschmieder spricht offen von einer „Besten-Auslese“. Dabei sollte man sich auch fragen, was aus den Absolventen wird, die keine „überdurchschnittlichen Noten“ haben. Ein intensiviertes Betreuungsverhältnis dürfte diejenigen herzlich wenig interessieren, die aussortiert werden, weil sie vielleicht kein gradliniger, ehrgeiziger Student eines Bachelor-Musterstudienplans waren.
Letztendlich sieht Koschmieder in den neuen Master-Studiengängen „die Möglichkeit einer Zäsur“, um die eigenen beruflichen Perspektiven und Ambitionen noch einmal zu reflektieren. Für die Bachelor-Absolventen der Uni Jena könnte diese Möglichkeit der Zäsur angesichts mangelnder Masterplätze zur ungewollten Notwendigkeit werden: Die Schlange ist eben doch im Studentenparadies.




Ein bisschen Schwund ist immer.

Foto: Katharina Schmidt

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