Jährlich grüßt die Tarnliste

Vorwurf der Täuschung geht wieder um: Stura-Wahl rückt näher

Von Johanne Bischoff und Kay Abendroth




Stabheuschrecken sind besonders gut darin, sich im Dickicht zu verstecken. Diese Mimikry scheint sich auch mancher Stura-Anwärter zum Vorbild zu nehmen.

Foto: flickr.com/dracophylla

Was bisher vor allem dem konservativen Lager angelastet wurde, trifft nun auch linke Gruppen. Listennamen, heißt es, machen den politischen Hintergrund nicht kenntlich und führen die wählenden Studenten in die Irre.
An der rechtswissenschaftlichen Fakultät hat der rechtskonservative RCDS zum Angriff gegen die so genannten Tarnlisten geblasen. Konkret geht es um die mit drei Personen besetzte Liste „Jura in den Stura“, die gegen die Liste „RCDS and friends“ antritt. Belma Avcu und Kai Bekos von der erstgenannten Liste gehören der linken Hochschulgruppe SDS an. Bekos ist auch Vorsitzender des Stadtverbandes der Partei Die Linke.

Er beschreibt die Liste als ein „Bündnis, das abgesehen von Die Linke.SDS auch von der Liberalen Hochschulgruppe und von Studierenden der Grünen Jugend an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät“ unterstützt wird. Für Sebastian C. Dewaldt, Vorsitzender der RCDS-Landesgruppe Thüringen und Stura-Mitglied, stellt sich die politische Ausrichtung der Liste hingegen nicht so breit dar. In einer internen E-Mail an Mitglieder des FSR Jura, die dem Akrützel vorliegt, schreibt Dewaldt, die Wahl von Bekos und Avcu würde „linken Demagogen mit antidemokratischen Ansichten Tür und Tor“ öffnen. Außerdem würden sie für die Studenten wenig tun.

„Unterste Schublade“

Einer der Empfänger leitete die E-Mail an Avcu weiter, die wiederum Bekos informierte. Schließlich kam es zu einer Aussprache zwischen Avcu, Dewaldt und dem FSR-Vorstandsmitglied Janine Hilprecht. Dewaldt entschuldigte sich bei Avcu und versprach ihr, „dass kein Antiwahlkampf stattfinden wird“, so Avcu. Sie betont außerdem: „Daran halten wir uns.“ Doch kurze Zeit später verteilte der RCDS Flyer, die dazu aufriefen, Avcu und Bekos zu googlen, um so den vermeintlichen Tarnlistenschwindel aufzudecken.
Avcu ist von diesem Vorgehen „sehr, sehr enttäuscht“. Sich erst zu entschuldigen und dann solche Flyer zu verteilen sei „unterste Schublade“.
Für Dewaldt jedoch steht das nicht im Widerspruch zu seiner Absprache: „Auf unserem Flyer gehen wir ja nur auf die Liste ein, mit der sie beim Stura antreten, den Fachschaftsrat lassen wir da raus.“ Das Vorgehen des RCDS begründet er damit, dass für ihn der FSR ein unpolitisches Gremium sei, für das nur Einzelpersonen antreten. Der Stura hingegen wolle auch politische Akzente setzen: „Ich denke, da kann man mal in so eine Richtung schießen.“ Ob diese Unterscheidung zwischen FSR- und Sturakandidatur auch dem Wähler klar wird, darf bezweifelt werden. „Von unserer Seite wird es kein Vorgehen auf ähnlich niedrigem Niveau geben“, sagt Bekos. „Ich lehne so etwas menschlich und politisch ab.“

Bekenntnis zu „Trotzreaktion“

Das ist „immer so eine Sache mit den Tarnlisten“, sagt Heiko Ziemer, Burschenschafter und ehemaliger Vorsitzender der RCDS-Hochschulgruppe Jena. „Nachdem ich damals auf der Liste ,B.A. kann mehr‘ angetreten war, gab es diese Anschuldigung.“ Darum hat er sich diesmal für eine Liste entschieden, die klar nach der Burschenschaft „Arminina a.d.B.“ benannt wurde. Für Ziemer stellt die Verbindung eine Hochschulgruppe wie jede andere dar. Der Jura-Student bezeichnet die Entscheidung auch als „Trotzreaktion“. Wie sich dies auf das Wahlergebnis auswirkt, vermag er nicht zu sagen. Ziemer rechnet aber mindestens mit den Stimmen von Verbindungsstudenten.
Dewaldt, der selbst auf der Liste „RCDS and Friends“ antritt, hält an seinem Vorwurf der „Tarnliste“ gegenüber „Jura in den Stura“ fest. Allerdings räumt er ein, dass im letzten Jahr die vom RCDS angeführte Liste „Staatsexamen erhalten“ – auf der er selbst angetreten war – auch als „Tarnliste“ angesehen werden kann. „Letztendlich haben wir keinen Hehl daraus gemacht, dass es der RCDS ist und wer dahinter steckt“, verteidigt sich Dewaldt.
Seine Kritik an Avcu und Bekos richtet sich besonders gegen den Flyer, der zur Wahlwerbung erstellt wurde. „In der Wahlbeilage stand natürlich drin, dass Belma und Kai im SDS sind, aber auf den Flyern nicht.“ Er betont, dass er mit den beiden menschlich gut klar käme, findet aber das Verschweigen der politischen Hintergründe „ärgerlich“. Darum sei der „Gegenflyer“ erstellt worden.

Bunt ist nicht gleich bunt 

Die „Stur-A-ktiv“-Vertreter haben bei der Wahl ihres Slogans „links-ökologisch-dufte“ besonderen Wert auf die eindeutige Zuordnung ihrer Liste gelegt. Der „Stur-A-ktiv“-Kandidat Marcel Eilenstein prangert mit einem Antrag beim Stura die Verwechselbarkeit von „HochschulAktiv“ und seiner Liste an, „die bewusst auf Irritation bei den WählerInnen abzielt.“ Unter dem Listennamen  „HochschulAktiv“ treten auffallend viele RCDSler sowohl an der Sozial- und Verhaltenswissenschaftlichen als auch an der Philosophischen Fakultät an. Als möglichen Grund für die Namenswahl formuliert er, dass der „RCDS das Wahlpotential an den beiden Fakultäten offensichtlich als schwach einschätzt“ und sich deshalb entschieden habe, erneut mit „Tarnnamen“ anzutreten. Der Antrag wurde allerdings abgelehnt.
Die Kritik kann Dewaldt nicht nachvollziehen: „Wenn man sich die Listen anschaut, dann sieht man, da sind RCDSler drauf, aber manche Leute wie Kerstin Zimmermann und Pieter Heubach sind eben keine RCDS-Mitglieder, auch wenn sich diese Annahme seit Jahren im Stura hält. Pieter ist in einer Burschenschaft.“
Der Untertitel der Liste „HochschulAktiv“ an der Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften ist „Bunte Liste“. Für Dewaldt ist auch das keine Täuschung: „Bunt ist die Liste schon, denn es ist alles vertreten: von konservativ bis liberal.“
Ziemer ist davon nicht überzeugt: „,Bunte Liste‘ fand ich jetzt nicht toll, muss ich sagen. Da bin ich einfach zu konservativ.“
Im Internet hat Rene Wieser vom RCDS seine Anschuldigungen gegenüber „Jura in den Stura“ noch einmal in einem Artikel verarbeitet. Dieser Text, der auf Jenapolis veröffentlicht wurde, ist inzwischen vom rechtsradikalen „Freien Netz Jena“ übernommen worden. Da kam die neue RCDS-Wahlrhetorik gegen links offenbar gut an.

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