Die Kunst der Geheimhaltung

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Erster Bolognatag mit geringer studentischer Beteiligung

Von Philipp Böhm




Foto: Katharina Schmidt Hier war auch schon mal mehr los.

„Eigentlich sollte der Raum aus allen Nähten platzen“, sagt Professor Stephan Lessenich mit einem leicht traurigen Unterton, während sein Blick über die nur spärlich gefüllte Aula im UHG streift. Und tatsächlich: Das erste, was es über den „Bolognatag” am 27. Januar zu sagen gibt, ist, dass offenbar ein Großteil der Studenten nichts davon mitbekam. Woher auch? Abgesehen von einer kleinen Mitteilung auf der Internetseite der Universität rührte nur das Studentenwerk die Werbetrommel und setzte „Spaghetti Bolognese” auf den Speiseplan der Mensa. Die Tatsache, dass der Termin für viele Studenten mitten in der Prüfungsvorbereitung lag, dürfte ebenfalls einiges zur geringen Beteiligung beigetragen haben.

Die Universitätsleitung hatte sich als Reaktion auf den öffentlichkeitswirksamen Protest während des Bildungsstreiks dazu bereit erklärt, den Tag auszurichten. Der Gedanke dahinter: Gemeinsam sollten Studenten und Dozenten in ihren Fakultäten über die Probleme der Studienreformen diskutieren und später einem Podium, bestehend aus Unileitung und Studentenvertretern, Lösungsvorschläge und Ideen präsentieren.

„Da geht noch was“

Zumindest der erste Teil des Konzepts schien auch aufzugehen: Aus den einzelnen Fakultäten kam ein ganzer Berg Ideen und Vorschläge. Das Spektrum reichte von einer Verlängerung der Moduldauer über ein notenfreies erstes Semester bis hin zu der Möglichkeit, sich aus einzelnen Veranstaltungen ein eigenes Modul zu kreieren. Dabei gab der Vertreter der Theologischen Fakultät, die als erste ihre Ergebnisse präsentierte, die Marschrichtung vor: „Nichts Grundsätzliches“ sollte diskutiert werden, lediglich kleine Nachbesserungen der neuen Abschlüsse wolle man vornehmen. So war auch Professor Richard Kowarschik aus der Physikalisch-Astronomischen Fakultät der Einzige, der die neuen Abschlüsse grundsätzlich kritisierte und zusammenfassend meinte: „Wir versuchen nur, die schlimmsten Folgen abzumildern.”
Den Vorträgen aus den Fakultäten folgte die sogenannte „Halbzeitevaluierung”. Dabei handelte es sich um eine Zwischenbilanz des „Universitätsprojekts Lehrevaluation”, bei dem zwischen November und Januar insgesamt 697 Studenten befragt worden waren, unter anderem zu Prüfungsbelastungen und Internationalität in den neuen Studiengängen. Das Ergebnis: Die Studenten fühlen sich bei einer geschätzten Belastung von 71 Prozent durchaus stark strapaziert, sind aber noch nicht „an der oberen Grenze angelangt”, wie es Anja Vetterlein vom „Projekt Lehrevaluation“ beschrieb. Wie der ermittelte Wert zustande kam, war aus dem Vortrag jedoch nicht klar ersichtlich.Das Ergebnis veranlasste Rektor Klaus Dicke jedenfalls dazu, gleich zu Beginn der folgenden Diskussion mit zufriedenem Lächeln zu sagen: „Da geht noch was.” Jörg Hänold vom hochschulpolitischen Referat des Stura warf daraufhin die Frage in den Raum, ob es denn überhaupt notwendig sei, bis an die Belastungsgrenze zu gehen. Er kritisierte auch die fehlende Werbung für den Bolognatag: „Hier sollte eigentlich Transparenz geschaffen werden – offenbar ist dies nicht geschehen.”

Kein Konzept

Dicke zeigte sich unbeeindruckt von der Kritik und meinte, er sei skeptisch, ob die Resonanz „sehr viel größer” gewesen wäre. Auch zu konkreten Ansagen war er nicht bereit: Das Prüfungsthema habe zwar „Priorität” und auch gegen den Notendruck solle „etwas unternommen werden” – wie das aber genau aussehen wird, wollte er nicht sagen. Lediglich beim Thema Thulb ging er ein Stück weit auf die Kritikpunkte ein und kündigte an, die Bestände an Büchern aufzustocken und die Ausleihe durch ein neues System zu erleichtern.
Die eigentlichen Ansätze kamen ohnehin aus den Fakultäten, in die nach dem Streik Bewegung gekommen war: Das Historische Institut entschloss sich kurzerhand, die Konsekutivität der Basismodule abzuschaffen. Was auf den ersten Blick nicht so spektakulär erscheint, ermöglicht jedoch Dozenten und Studenten flexiblere Abgabezeiten von Hausarbeiten. Andere Punkte, wie beispielsweise die Unsicherheit um die Anzahl der verfügbaren Master-Plätze und die Zulassungsquoten dafür, gingen in der Diskussion völlig unter. Der zeitliche Rahmen war mit etwas mehr als zwei Stunden für die komplette Veranstaltung auch mehr als knapp bemessen, sodass sich eine intensivere Debatte gar nicht erst entwickeln konnte.
So fällt das Fazit des ersten Bolognatages dann auch ernüchternd aus: viele gute Ideen, keine Studenten und keine Ergebnisse.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Heinz

    Warum soll “Bologna” eigentlich immer erklärt, diskutiert und erläutert werden?

    Bei jeder Bologna-Diskussion fällt auf, dass es immer darum geht, diesen Prozess abzumildern bzw. Änderungen daran zu diskutieren. Was ist eigentlich ein durchschlagender VORTEIL von Bologna?

    Die aktuellen Diskussionen sind immer nur eine negierende Herangehensweise an den Bologna Prozess. Mir ist bis heute kein einziger, beeindruckender Vorteil von Bologna in den Sinn gekommen. Gibt es den denn überhaupt?

    In Hessen hat man 2006 nicht darüber diskutiert, was man an Studiengebühren ändern oder abmildern könnte, sondern man/frau ist auf die Straße gegangen und hat die RÜCKNAHME der Gebühren erwirkt.

    Warum sollte das Bei Bologna, gerade im Hinblick auf die – europaweiten – Proteste nicht auch möglich sein?

    Warum ist die vollständige Rücknahme von Bologna eigentlich noch kein Punkt auf der Tagesordnung?

    Auch durch Jena führt eine Autobahn.

    Liebe Grüsse,

    Jule

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