Über gescheiterte Utopien

Ben G. Fodor stellt in der Kunstsammlung aus

von Lisa Laibach

Betritt der Besucher den Raum der Ausstellung „Incipit vita nova“ (ein neues Leben beginnt), sieht er zu seiner Rechten die Fotografie eines bedrohlich wirkenden umzäunten Gebäudes, vor welchem eine weiße Pferdeskulptur steht. Es ist das Colosseo Quadrato in Rom, welches eine politische Utopie der 30er Jahre verkörpert und mit der Absicht Mussolinis einhergeht, ein neues Rom zu schaffen.

„Wir leben in einer utopielosen Welt“

Im ersten Stock der Kunstsammlung stellt Ben G. Fodor noch bis zum 9. August insgesamt 49 Fotografien, Zeichnungen und Objekte mit Bezug zur Architektur aus. Seit über zehn Jahren arbeitet er an dieser Museumsausstellung, die seine erste in Deutschland ist. Seine Werke sind von seiner Flucht 1981 aus Ungarn nach Wien geprägt: zwei Utopien, die gescheitert sind. Zum einen der Kommunismus in Ungarn und zum anderen der Nationalsozialismus. Fodors Meinung nach gibt es heute keine Utopien mehr, lediglich die kleinen jedes Einzelnen, ein besseres Leben zu führen – dies reiche jedoch nicht aus. Diese Idee ist beim Betrachten der Werke anfangs jedoch verborgen.

Viele der ausgestellten Holzobjekte zeigen verlassene Architektur, die politische, oft totalitäre Ideen verkörpert. Unter anderem hat Fodor die Entwürfe Hitlers zu seiner Ruhmeshalle, die nie gebaut wurde, skizzengetreu in seinem Holzmonument Hitler’s Future nachgebaut. Die meisten anderen Ausstellungsstücke bezeichnet Fodor als „Gedankenmodelle“, die an real existierende Gebäude erinnern. So auch die Habimah, das Nationaltheater in Tel Aviv, welches er bei einer Hochzeit von Freunden durch Zufall entdeckte, so wie die meisten seiner Motive, und aufgrund seiner imposanten Erscheinung fotografierte und später reduziert in einem Holzobjekt konstruierte.

„Zauberboxen“ sollen zum Weiterdenken anregen

Einen Schritt weiter muss der Besucher bei den drei Holzboxen Hiroshima, Tempelhof und Pater Noster Roulette denken, denn es sind lediglich abstrakte Darstellungen dieser Orte, die wohl ohne Beschriftung nicht zu erkennen wären. Trotzdem sind sie ausdrucksstark und fordern den Besucher heraus, sich mit diesen Orten auseinanderzusetzen.

Fodor selbst bezeichnet sie als Zauberboxen, da nur diejenigen Betrachter das Kunstwerk erkennen, die auch die Geschichte der Motive kennen, wie zum Beispiel die Atombombenabwürfe über Hiroshima. Die Zeichnungen mit Bleistift auf Putz langweilen dagegen, da diese meist Entwürfe zu Objekten sind.

„Führungen sind zwar auf Anfrage möglich, jedoch sollten die Besucher der Ausstellung lieber frei beobachten und die Kunst auf sich wirken lassen“, erklärt Kurator Erik Stephan. Für wengier Kunstaffine bietet sich eine Führung aber an, um die Gedanken hinter den Fotografien, Objekten und Zeichnungen fassbar zu machen.

Die Ausstellung ist einen Besuch wert, denn Ben G. Fodors Holzobjekte und seine Fotografien sind aussagekräftig und bringen den Betrachter dazu, auch nach Verlassen der Ausstellung noch über die Objekte nachzudenken. Jedoch könnte sich der Besucher zwischen den Ausstellungsstücken etwas verloren vorkommen, wenn er den Utopie-Gedanken hinter diesen nicht erfasst.

Kunstsammlung Jena
Eintritt: 4€, (ermäßigt 3€)
Öffnungszeiten und weitere Infos: www.jena.de

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