Soll die AfD an der Uni mitdiskutieren dürfen?
Zwei Meinungen
von Niclas Seydack und Jan-Henrik Wiebe
Eine blockierte Podiumsdiskussion mit der AfD wirft die Fragen auf, wer in der Uni reden darf – und wer nicht.
Ja, die AfD darf mitdiskutieren
von Niclas Seydack
Einige Positionen der AfD sind menschenverachtend. Das ist kein Gerücht, sondern ein Fakt. Doch menschenverachtend sind auch Aussagen von CSU-Politikern zu Flüchtlingen. Oder HartzIV und die Vorratsdatenspeicherung. Wir können das alles für falsch halten, für unmoralisch oder ekelhaft. Trotzdem müssen wir diskutieren.
Auch die Positionen des nationalkonservativen Flügels der AfD, zu dem Stefan Möller gehört. Zuerst müssen wir versuchen, sie nachzuvollziehen: Begreift man Menschen als Humankapital, ist es nur logisch, Flüchtlinge und Zuwanderer nach ihrer Nützlichkeit für das eigene Land zu beurteilen. Das mag eine Arschloch-Meinung sein, aber keine verbotene. Wir müssen solche radikale Positionen aushalten – und sei es nur, um uns von ihnen abzugrenzen.
Clemens Schneider vom Prometheus-Institut soll der FDP nahestehen. Die Zusammenstellung der Gesprächspartner als Gegenpositionen darzustellen, ist daher eine Farce. Beide beurteilen Menschen nach ihrem Nutzen.
Deshalb war es falsch, die Veranstaltungen zu blockieren. Mutig und richtig wäre es gewesen, auf der Veranstaltung selbst die eigene Position zu verteidigen. Mit Argumenten zu ringen, statt mit Klatschprotesten und Blockaden einen Austausch zu verhindern. So rückten nur die Anhänger enger zusammen, um geschlossen in die Räume der Burschenschaft Arminia umzuziehen. Welche Töne dort womöglich angeschlagen wurden, besoffen davon, sich als Hüter des freien Worts aufspielen zu können – das sei der Fantasie jedes Einzelnen überlassen.
Die Veranstaltung blockiert zu haben, ist kein Erfolg, sondern ein Armutszeugnis der eigenen Bereitschaft zum politischen Diskurs. In diesem darf es nur einen Maßstab geben. Und das ist nicht das eigene Weltbild, sondern das Strafgesetzbuch. Solange Positionen nicht volksverhetzend sind oder zu Straftaten aufrufen, müssen wir uns mit ihnen auseinandersetzen – so absurd oder verabscheuenswürdig sie auch sein mögen.
Wir können sie widerlegen, wenn vermeintliche Argumente nur Ressentiments sind. Wir können Menschen mit echten Argumenten überraschen und sie vom Gegenteil überzeugen. Wir können uns austauschen und dennoch der gleichen Meinung bleiben. Oder wir können uns am Ende in der Mitte verorten.
Aber dazu müssen wir bereit sein, uns auch Meinungen anzuhören, die nicht mit unser eigenen vereinbar sind. Diese Podiumsdiskussion wäre eine solche Chance gewesen.
Nein, die AfD muss draußen bleiben
von Jan-Henrik Wiebe
Es gibt Themen, die müssen nicht an einer öffentlichen Universität diskutiert werden. Dafür gibt es den Stammtisch und dort kann jeder seine Meinung vertreten, wie er oder sie will. Es würde ja auch niemand auf die Idee kommen, ein NPD-Mitglied, und damit auch seinen Anhang, zu einer Veranstaltung in die Uni einzuladen, bei der er dann über Flüchtlinge und Menschenrechte „streiten“ darf.
Nein, die AfD ist nicht die NPD, vertritt jedoch teilweise gleiche Ansichten. Nur weil sie nicht mit Springerstiefeln durch die Straßen laufen und Migranten jagen, muss ihnen nicht gleich ein Podium geboten werden. Denn mit welcher Begründung würde dann die NPD von der Uni ferngehalten werden? Schließlich ist auch sie eine legale Partei.
Es kommt auf die Inhalte an und die sind gerade in der Thüringer AfD ganz weit rechts. „Völkischer Nationalismus“ wird das Gedankengut von Kritikern genannt, das die Männer und Frauen um ihren Fraktionsführer Björn Höcke vertreten und Stefan Möller, der in Jena diskutiert hat, gehört zu den Erstunterzeichnern von Höckes Erfurter Resolution, die sich bewusst vom liberaleren Parteiflügel abgrenzt.
Wenn heute an der Universität Jena über den Mehrwert von Flüchtlingen mit einem AfD-Mitglied diskutiert wird, stehen morgen dann der Nutzen von Homosexuellen in der Gesellschaft oder die „Rassenfrage“ zur Diskussion?
Dass wir nicht weit von einer Diskussion dieser Themen entfernt sind, zeigt der Wille Höckes, die Paragrafen 86 und 130 im Strafgesetzbuch abzuschaffen. Darin geht es um das Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen und Volksverhetzung. Würden diese abgeschafft, dürften die Neonazis und alle anderen Stammtischexperten nach Lust und Laune hetzen. Alles gedeckt vom Mantel der Meinungsfreiheit.
Wer die AfD an der Universität zulässt, muss auch die NPD tolerieren. Ein schauriger Gedanke. Deshalb muss Meinungsfreiheit an der Stelle begrenzt sein, wo gegen Minderheiten gehetzt wird.
Die Studenten, welche die Veranstaltung blockierten, haben an dieser Stelle unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung verteidigt, indem sie der Intoleranz gezeigt haben, dass für sie kein Platz an einer Universität ist. Rassisten und völkische Nationalisten dürfen keine Freiräume in unserer Gesellschaft bekommen.
Foto: Christoph Worsch