Ein Name, fehl am Platz

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Ende der Debatte um Reformpädagoge Petersen nicht in Sicht

Von Anne Dünger

Foto: Katharina Schmidt

Der Kulturausschuss der Stadt Jena konnte sich nicht entscheiden: Ist Peter Petersen als Namensgeber eines zentralen Jenaer Platzes vertretbar, oder nicht? Und warum ist die Entscheidung darüber, den Platz umzubenennen, so wichtig für Jena? Die aktuelle Debatte um die Person Peter Petersens erregt seit dem letzten Herbst Aufsehen in ganz Deutschland. Akrützel berichtete über die Studie des Frankfurter Erziehungswissenschaftlers Benjamin Ortmeyer (Ausgabe 272), die unter anderem offenlegt, dass Petersen, dessen „Jenaplan“ zum Erziehungskonzept von Dutzenden Reformschulen weltweit geworden ist, eine durchaus aktive NS-Vergangenheit hat.

Kritisches Erinnern oder anerkennendes Gedenken?

1991 war der ehemalige Karl-Marx-Platz in Jena in „Petersenplatz“ umbenannt worden, in der besten Absicht, damit eines der berühmtesten deutschen Pädagogen des 20. Jahrhunderts zu gedenken. Jetzt wird dieses Gedenken von der Erinnerung an die antidemokratischen und überzeugt nationalsozialistischen Äußerungen Petersens vor, während und nach der NS-Zeit überschattet. Die aktuelle Debatte für oder wider eine Umbenennung des Petersenplatzes muss sich mit der Spannung zwischen kritischem Erinnern und anerkennendem Gedenken auseinandersetzen. Wie es im Positionspapier der Gutachter Peter Fauser, Jürgen John und Rüdiger Stutz heißt, spitzt sich die Problematik in der Frage zu, „was größeren Schaden anrichte: den Namen eines Mannes im öffentlichen Raum beizubehalten, der NS-nahe Schriften antisemitischen und rassistischen Inhalts veröffentlicht hat oder den Namen eines der bedeutendsten Pädagogen des 20. Jahrhunderts und des Begründers der Jenaplan-Pädagogik abzulegen.“
Petersens Jenaplan ist eine reformpädagogische Pionierleistung, die noch heute weltweit als Vorbild für moderne Unterrichtsgestaltung angesehen wird. Allein in Deutschland gibt es etwa 200 Schulen, die nach Peter Petersen benannt sind. Überall verfolgt man die Diskussion um die NS-Vergangenheit des Pädagogen aufmerksam: Wenn Jena, die Geburtsstadt des Jenaplans, sich gegen einen ihrer berühmtesten Bürger entscheidet, setzt sie damit ein politisches Signal für andere Städte und Schulen. Eine davon, die Peter-Petersen-Gesamtschule in Hamburg-Wellingsbüttel, hat mittlerweile beschlossen, dass der Name des „Rassisten, Antisemiten und Anti-Demokraten“ Petersen (Hamburger Abendblatt vom 2. Dezember 2009) nicht mehr als Aushängeschild einer Schule tauge. Die Gründer der Jenaer Staatlichen Jenaplan-Schule kannten im Gegensatz zur Stadt schon 1991 die NS-Vergangenheit Petersens. Sie entschieden sich bewusst gegen den Namen des Begründers und für den Namen des Konzepts.

Keine schnelle Entscheidung

Eine Entscheidung gegen Petersen hätte aber auch Folgen für den Ruf der Jenaplan-Idee. Dieser leidet schon jetzt unter den Entdeckungen der Petersen-Forschung, auch wenn sich die Reform inzwischen von der Person ihres Begründers emanzipiert hat.
Der Kulturausschuss tut sich sichtlich schwer, eine schnelle Entscheidung über den Namen des Platzes zu treffen: Während Beate Jonscher (die Linke) dafür plädiert, die Person Petersen von dem Konzept Jenaplan zu trennen und den Platz umzubenennen, meint etwa Eckard Birckner (Bürger für Jena), dass diese Trennung nicht zu machen sei. Lieber solle man die reformpädagogischen Errungenschaften Petersens sorgsam gegen seine Aktivitäten im Nationalsozialismus abwägen und so entscheiden, ob der Name Petersen noch getragen werden könne. Im Gegensatz zu der Entscheidung vor achtzehn Jahren, bei der man sich für Petersen entschied, ohne überhaupt nach seiner Vergangenheit zu fragen, soll dieses Mal die Entscheidung gut begründet werden. In der Debatte wurde derweil überlegt, ob eine Beibehaltung des Namens mit einer kritischen Informationstafel vor Ort vielleicht die Balance zwischen Gedenken und Erinnern an Petersen erreichen könnte. Auch wenn die Idee diplomatisch klingt, gut ist sie nicht. Um eine Umbenennung des Platzes wird die Stadt kaum herumkommen, denn den Namen eines erwiesenermaßen nationalsozialistisch überzeugten Antisemiten als Ortsname beizubehalten, nur um dessen Verdienste für die Erziehungswissenschaft und Pädagogik nicht zu entwürdigen, käme bei Historikern weltweit nicht sonderlich gut an, wie schon der Erziehungswissenschaftler Ortmeyer kritisiert. Vielleicht sollte sich der Kulturausschuss an der Entscheidung der Schulgründer orientieren und den schwierigen Geschichtsspagat mit einer Umbenennung in „Jenaplan-Platz“ wagen. Dann wäre auch eine Informationstafel mehr als nur ein Kompromiss.

Weitere Debatten werden folgen

Die Debatte um die mögliche Um- und Rückbenennung des Platzes bleibt ein schwieriger Balanceakt. Mit der kritischen und notwendigen Neubewertung Petersens kommen auf die Stadt Jena und vielleicht auch auf viele weitere Städte Deutschlands neue Debatten für und wider weitere Namen ihrer Plätze und Straßen zu: Wenn Petersen als Namensgeber nicht mehr in Frage kommt, sind dann Namen wie Max Wien oder Richard Wagner unkritisch beizubehalten? Wenn Petersen, der während der NS-Zeit mehr als regimetreu agierte, in seinem Wirken ausreichend Verdienste erworben hat, um seiner an Orten und Schulen zu gedenken, warum ist dann Bertolt Brecht, großer, aber unbequemer Dichter der Weimarer Republik wie auch der Nachkriegszeit, der entschiedener Kämpfer gegen den Nationalsozialismus war, von den Namensschildern Jenaer (und weiterer) Schulen verschwunden? Hätte Petersen das Gedenken in einem Ortsnamen noch mehr verdient als zum Beispiel Karl Marx, nach dem der Platz vorher benannt war? Der Kulturausschuss wird sich in etwa vier Wochen erneut treffen, um über das weitere Vorgehen in der Petersen-Debatte zu beraten. Eine Entscheidung wird aller Voraussicht nach aber auch dann noch nicht fallen.

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