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Versteckt im UHG: Die Rosa-Winkel-Ausstellung

Eine Wanderausstellung informiert über queere Lebensrealitäten im Dritten Reich. Studierende können sie so leicht ignorieren wie der Forschungsbetrieb die Geschlechtergeschichte.

von Markus Manz

Die Rosa-Winkel-Ausstellung im UHG. Foto: Henriette Lahrmann

Wer in den letzten Wochen einmal in den dusteren Korridoren des FSU-Hauptgebäudes unterwegs war, ist dort vielleicht auf eine Ausstellung namens „Rosa Winkel. Als homosexuell verfolgte Häftlinge in den Konzentrationslagern Buchenwald und Mittelbau-Dora“ gestoßen. Falls nicht, müssen UHG-Veteran:innen aber auch nicht an ihrem Wahrnehmungsapparat zweifeln, denn unübersehbar sind die am Lehrstuhl für Geschichte in Medien und Öffentlichkeit erarbeiteten Exponate auf jeden Fall nicht. Im ersten Stock zeigt die Ausstellung die gefährdeten Lebenssituationen queerer Menschen vom deutschen Kaiserreich bis in die Gegenwart.

Der Schwerpunkt liegt dabei auf der NS-Zeit und dem titelgebenden Rosa Winkel, einem aufgenähten Stoffdreieck, mit dem KZ-Häftlinge als homosexuell markiert wurden. Die Formulierung „als homosexuell verfolgt“ ist dabei keinen akademischen Vorlieben für sperrige Formulierungen geschuldet, sondern soll der Tatsache Rechnung tragen, dass es sich beim Winkelsystem um eine Fremdzuschreibungspraxis der Nazis handelte. Laut Geschlechterhistorikerin Professorin Gisela Mettele wollte man Häftlinge als Teil einer bestimmten Gruppe sichtbar machen, die nicht notwendigerweise mit deren Identität übereinstimmen musste. So wurden beispielsweise heterosexuelle trans Frauen als homosexuelle Männer verfolgt.

Queere Opfer waren lange unsichtbar

An der Ausstellung waren neben den Historikern Professor Jens-Christian Wagner und Daniel Schuch etwa 20 Studierende beteiligt. Außerdem hat man mit der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora zusammengearbeitet. Den Anlass gab laut Schuch die Erkenntnis, wie wenig man bis heute über die Verfolgung von queeren Menschen im Dritten Reich weiß. Dass das so ist, hat mit einer defizitären Quellensituation zu tun, die im Wesentlichen darauf zurückgeht, dass sich viele Betroffene auch lange nach 1945 noch nicht geoutet haben. Dieser Umstand geht nicht unwesentlich auf die Fortsetzung polizeilicher Verfolgung in Nachkriegsdeutschland zurück.

Die Bundesrepublik behielt den von den Nationalsozialist:innen verschärften Paragraphen 175 zur Bestrafung homosexueller Handlungen bis ans Ende der 1960er Jahre bei. Vollständig abgeschafft wurde er erst 1994. In der DDR galt zuerst eine weniger repressive Fassung, die man 1968 durch den Paragraphen 151 ersetzte. Dieser bedeutete Straffreiheit, jedoch ohne homosexuelle Menschen rechtlich gleichzustellen. Ähnlich wie später in der Bundesrepublik definiert der Paragraph höhere Schutzalter als für heterosexuelle Kontakte. Darunter kann eine Anhebung der Grenzen verstanden werden, ab denen eine homosexuelle Person als sexuell mündig gilt. In der Praxis hieß das größere Spielräume für die Ahndung gleichgeschlechtlicher Sexualhandlungen als Kindesmissbrauch. Hier wird auch deutlich, dass die Möglichkeit, Sexualitäten straffrei auszuleben, nicht automatisch das Ende gesellschaftlicher Vorurteile und Ressentiments bedeutet.

Das Schattendasein der Geschlechtergeschichte

Von diesem Punkt aus kann man sich vorstellen, wie wenig erforscht die Geschichten von Gruppen wie inter- und transgeschlechtlichen Personen sind, bei denen die rechtliche Anerkennung noch langsamer voranschreitet. Um die eklatanten Wissenslücken über queere Menschen im Dritten Reich zu schließen, braucht es aber nicht nur gesetzliche und soziale Gleichbehandlung. Laut Mettele ist dafür auch eine institutionalisierte und strukturell verankerte Finanzierung der Forschung notwendig. Nur so könne letztlich eine angemessene Grundlage für inklusives und intersektionales Gedenken geschaffen werden.

Dass das auch an Universitäten nicht selbstverständlich ist, weiß vielleicht niemand so gut wie sie, ist es doch noch kein Jahr her, dass ihr Lehrstuhl für Geschlechtergeschichte im Zuge von Einsparungsmaßnahmen gestrichen werden sollte. Vor diesem Hintergrund wirkt die wenig prominente Platzierung der Ausstellung im UHG fast schon sinnbildlich für die Prioritätensetzung von Fakultät und Universität. Auch kann man sich neben aller Hochachtung für die Arbeit der Studierenden fragen, wieso die erste Ausstellung über (als) homosexuell verfolgte Häftlinge als kostengünstiges Seminarprojekt entstehen muss und was das über einen Forschungsbetrieb aussagt, der sich so gern als progressiv und inklusiv darstellt.  Um es mit den Worten von Gisela Mettele zu sagen: „Für die benötigten Projekte reicht das Geld für zwei Pride-Flaggen vor dem Hauptgebäude nicht aus.“

Die Ausstellung wird noch bis zum 14. Juli 2023 gezeigt, der Eintritt ist frei.

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