Zertrümmerte Denkfabrik

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Die Auswirkungen der Kürzungspläne für die Uni Jena

Von Marco Fieber



Foto: Katharina Schmidt
Montage: Johanne Bischoff

Äußerlich scheint Klaus Dicke genauso aufgeräumt wie sein großer Schreibtisch an diesem Freitagmorgen. Doch die geplanten Kürzungen im Hochschulbereich 2011 bereiten dem Rektor Kopfschmerzen: „Die Raumsituation ist wirklich prekär – wir haben riesige Raumprobleme“. Aus dem Entwurf der Großen Koalition geht hervor, dass die Uni Jena bereits jetzt zu fast 200 Prozent ausgelastet ist. „In den Erziehungswissenschaften ist dieses Jahr so hoch immatrikuliert worden, dass sie dort mittlerweile eine Überlast von über 240 Prozent haben“, ergänzt Dr. Karin Kaschuba, Hochschulpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Thüringer Landtag. Der vorgelegte Landeshaushaltsplan wird das Hauptproblem an der Uni Jena weiter verschärfen: Viel zu viele Studenten kommen auf viel zu wenig Lehrpersonal bei viel zu wenig Seminarräumen.

Trotz der Vereinbarung zwischen dem Land und den Hochschulen, des Thüringer Hochschulpakts II, sollen laut Kaschuba 22,4 Millionen Euro an laufenden Mitteln und zusätzlich mehrere Millionen Euro bei den Investitionen, wie Bauvorhaben, gestrichen werden. Für das Geld, das das Land im nächsten Jahr einsparen will, „könnte man an den Hochschulen reichlich 300 Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter schaffen“, meint der Landesvorsitzende der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) Torsten Wolf. Das Problem sei, dass im Thüringer Haushalt – im Gegensatz zum Bundeshaushalt – im Bildungsbereich völlig falsche Akzente gesetzt werden. Denn der Bund zahlt den Hochschulen 14,9 Millionen Euro zusätzlich aus dem Hochschulpakt 2020. Diese stark zweckgebundenen Gelder müssen nun aber an den Thüringer Hochschulen zum Löcherstopfen verwendet werden, die durch die gekürzten Landesmittel entstehen. Nach Meinung des Gewerkschafters Wolf rechnet „das Kultusministerium verschiedene Haushaltsposten miteinander auf, die sachlich überhaupt nichts miteinander zu tun haben“. Für Kaschuba handelt es sich bei den gemeinsamen Plänen von CDU und SPD um eine „reine Mogelpackung“, der längerfristigen Finanzierung der Hochschulen sehe sie mit Skepsis entgegen. Zudem stagniere der Etat des Kultusministeriums in den letzten Jahren auf einem niedrigen Niveau, sodass die Hochschulen bereits jetzt unterfinanziert seien.

Die Unabhängigkeit der Uni ist gefährdet

Wie bei jeder Hochschule setzt sich auch an der Uni Jena der Haushalt aus zwei großen Töpfen zusammen. Der kleinere der beiden Töpfe in Höhe von rund 70 Millionen besteht aus den Drittmitteln, dabei macht die Förderung vom Bund ungefähr ein Fünftel aus. Der größere Topf wird mit Landesmitteln in Höhe von rund 127 Millionen Euro gefüllt (Stand: 2009). Diese Einnahmen, geregelt im Thüringer Hochschulpakt II, berechnen sich auf Grundlage des Jahres 2001 mit nur sehr geringen jährlichen Zuwächsen. Im selben Zeitraum stiegen die Jenaer Studentenzahlen um rund 25 Prozent.
Kritisch kann es werden, wenn das Verhältnis zwischen Drittmittelförderung, deren Steigerung in der so genannten Rahmenvereinbarung II gefordert wird, und Landesmitteln die 50:50-Marke erreicht. Denn dann wäre die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Universität gefährdet. Der Drittmittelanteil der Uni Jena ist bereits jetzt „sehr sehr hoch in Relation zur Grundzuweisung“, bestätigt Dicke. Ein weiteres Manko ist, dass eine sichere Planung mit erhöhtem Drittmittelprozentsatz nur schwer möglich ist. Zudem könnte die Landesregierung mit Verweis auf das Drittmitteleinkommen der Uni Jena in Zukunft weitere Gelder zurückhalten. Schon jetzt hat die Uni Erfurt pro Student in etwa 750 Euro mehr Landesgelder zur Verfügung als die Uni Jena.
Dass die Regierung überhaupt die drastischen Kürzungen durchführen kann, liegt an der Notfallklausel, die in der Rahmenvereinbarung II zwischen dem Land und den Thüringer Hochschulen festgeschrieben ist. Es müssen „unabweisbare Gründe im Einzelfall“ vorliegen, um diese anwenden zu können. Die Vereinbarung an sich sollte die „Leistungskraft und die Zukunftsfähigkeit der Thüringer Hochschulen“ bis zum 31. Dezember 2011 sichern. So war auch Rektor Dicke überrascht, dass die Landesregierung die Notfallklausel beansprucht hat, denn das sei ein deutliches Signal: „Ich kenne die Haushaltssituation des Freistaates Thüringen, ich bin Politikwissenschaftler, aber ich finde die Prioritätensetzung einfach nicht richtig.“ Mit den 68 Studenten, die auf eine Lehrkraft kommen, liegt die Uni Jena im bundesweiten Mittelfeld. Dicke gesteht aber ein, dass „wir grundsätzlich zu wenig Lehrende haben. Als ich 1995 nach Jena kam, hat die FSU ungefähr 10.000 Studierende gehabt. Heute hat sie mehr als doppelt so viele, aber die Anzahl der Professoren und wissenschaftlichen Mitarbeiter ist nur geringfügig angestiegen.“

Halbe Stelle – volle Arbeit

Die prekäre Lage ist auch den vielen Mitarbeitern im so genannten „Mittelbau“ bekannt. Dr. Robert Gramsch, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Historischen Institut, erzählt, dass „manche Dozenten nur auf der Basis von – gemessen am Aufwand – lächerlich vergüteten Lehraufträgen praktisch als Ein-Euro-Jobber arbeiten.“ Insgesamt gäbe es wenig Perspektiven, dafür aber den Druck, sich nebenher weiterzuqualifizieren, um überhaupt im Spiel bleiben zu dürfen, resümiert Gramsch. Die Zahlen des GEW unterstreichen das, dort geht man davon aus, dass heute 85 Prozent der Beschäftigungen im Mittelbau atypisch, z.B. befristete Stellen, sind. So dienen auch die herrschenden Arbeitsverhältnisse dazu, den Haushalt abzufedern.
Die FSU als Thüringens größte Universität muss auch den höchsten Anteil der geplanten Einsparungen tragen. Erik Bodenstein, Mitglied der Juso-Hochschulgruppe und des Sturas, beziffert diesen auf 1,9 Millionen Euro. Geld, das fest eingeplant war. „In solchen Fällen stand in der Vergangenheit immer der Topf mit den Personalmitteln zur Verfügung, das heißt, es wurden Stellen nicht besetzt“, erklärt der Vorsitzende des Uni-Personalrates Dr. Herbert Schulze die Möglichkeiten, die bis dato blieben. Mittlerweile sei dies aber auch begrenzt und man müsse gegebenenfalls auf die Drittmittel zurückgreifen, so Schulze weiter – diese wurden bisher beispielsweise zur Mitfinanzierung der Hiwi-Stellen genutzt. Man verschiebe das Problem in die Zukunft, heißt es aus dem Personalrat: Eine kurzfristige Durststrecke könne man verkraften, aber langfristig werde es zum Stellenabbau kommen müssen.

Gesucht: Hörsaal für die Wiese

Während der Semestereröffnung der Theologischen Fakultät in der vergangenen Woche war Kultusminister Christoph Matschie zu Gast, um zum Thema „Bildung als soziale Frage“ zu referieren. In dem Zusammenhang sprach er davon, dass der Aufstieg oder Fall einer Region stark vom Bildungsgrad abhängig sei. Bezieht man dies auf die Region Thüringen, so scheint die oft zitierte „Denkfabrik“ ins Stottern geraten zu sein. Ein weiteres Argument, das Matschie während seines Vortrages äußerte, war, dass man die Universität nicht nur als ein Gebäude betrachten solle. Nun ist aber die Lage bei den Universitätseinrichtungen besonders angespannt, auch weil laut Dicke der Bau-Etat „praktisch gleich null“ sei. Die Uni, so der Rektor, könne gut ein Gebäude für die Geisteswissenschaften gebrauchen, und die Naturwissenschaften benötigten eine ganze Reihe von Laborflächen – „wir haben Unterbringungsprobleme noch und nöcher – den aufblasbaren Hörsaal für die Wiese gibt es nun mal nicht.“
Dem Uni-Chef ist der Ernst der Lage mehr als bewusst: „Wir müssen jetzt wirklich stramm rechnen, bei etlichen Studiengängen müssen wir uns tatsächlich die Frage stellen, ob die Relation zwischen Ausstattung und Studierendenzahl so vertretbar ist.“ Damit kommt das Problem zu den Studenten zurück. Denen hilft es aber nicht, dass sich Kultusminister Matschie auf Rückfragen während seines Vortrags in die Bafög-Erhöhung flüchtet und damit behauptet, dass die Hochschulen insgesamt „nicht wirklich weniger Geld“ bekämen. Aus der Bafög-Erhöhung ergäbe sich aber nicht unmittelbar eine bessere Uni, führt Parteigenosse Bodenstein an, denn das seien zwei unterschiedliche Sachen. Grundsätzlich sei die Aufstockung begrüßenswert, aber nicht jeder Student bekäme überhaupt die Förderung. Um zu zeigen, dass die Hochschulgruppe mit dem Haushaltsentwurf nicht einverstanden sei, plane sie mit innerparteilichem Druck von Juso-Ebene in die SPD hineinzuwirken.
Es ist schwer vorzustellen, dass sich bis zum 7. Dezember, wenn die Pläne ins Landtagsplenum kommen, etwas am Entwurf entscheidend ändern wird. Am meisten schmerzt der völlige Wegfall der Gelder aus dem Hochschulpakt 2020. Bisher hätte die Uni von ihm profitiert, meint Dicke abschließend, „wir konnten Dinge machen, die man sonst nicht hätte machen können.“ Ginge es nach der GEW, dürfe das Kultusministerium Thüringen überhaupt nicht sparen, man müsse die 15 Millionen des Bundes nehmen, um endlich die Situation zu verbessern. Das würde auch Rektor Dicke sofort unterschreiben.




Die Unis haben beim Poker um die Landesgelder schlechte Karten…

Foto: Marco Fieber

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