Trittmittel

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Ein Kommentar zu Institutssprache und Uni-Streitigkeiten

Von Louisa Reichstetter

Zeichnung: Johannes Buchmann

„Wir kennen uns seit zehn Jahren nicht“, sagte Germanistikprofessor Fasbender einst über einen Kollegen. Es ist ein Satz, der den Alltag vieler Professoren illustriert wie kaum ein anderer: Vorne schüttelt man sich freundlich die Hände, hinten tritt man aus wie bockige Paarhufer. Es ist vor allem aber auch ein Satz, der die vier Dimensionen des Schadens offenlegt, den Animositäten und Zerwürfnisse zwischen Lehrenden an der gesamten Universität anrichten können.

Einerseits wortgewandt und ziemlich witzig zeigt der kleine Satz nämlich, welch hohes sprachliches Niveau ein Zwist unter Professoren erreicht. Es ist eine Sprache, gesprochen während der Gremiumssitzungen im Senat, im Fakultäts- oder Institutsrat, bei delikaten Berufungskommissionen, auf den Fluren oder an Buffets, eine Sprache, die die meisten Studenten und viele der Mitarbeiter nicht beherrschen. Doch viele der – selbst Rektor Dicke bestätigte diesen Wesenszug – selbstverliebten Professoren würden es gar nicht mögen, würde man in ähnlich pointierter Weise kontern können. Somit öffnen sprachliche Schranken gleichsam Türen für einen opportunistischen Nachwuchs, der die Codes bis zu einem gewissen Punkt perfekt zu imitieren lernt, ohne sich aber mit eigenem Wortwitz oder eloquenter Kritik selbst in die Gefahr zu bringen, in Ungnade zu fallen.
Andererseits unterstreicht der Satz auch die zeitliche und langfristige Dimension des Schadens, denn zum Signum einer Professur gehört ihre Unkündbarkeit: Es ist also nichts Ungewöhnliches, sich zehn Jahre immer wieder in herzlicher Abneigung über den Weg zu laufen und es nie zu schaffen, den Streit aus der Welt zu räumen oder zumindest zu entschärfen. Drittens deutet der Satz auf die Dimension des Schweigens, die solchen Zerwürfnissen begegnet. Die Arroganz und Eloquenz so mancher Professoren schüchtert potentiell Mitdenkende daher nur allzu leicht ein und schon, weil man nicht den richtigen Ton träfe, traut sich kaum jemand, Intrigen, Mobbing und Klientelismus zu thematisieren.

Angst und Anpassung

Es ist eine Gratwanderung zwischen Angst (auch die Studentin, bei deren Hausarbeitsbesprechung Fasbender diesen paradigmatischen Satz sagte, möchte nicht namentlich genannt werden) und Anpassung (eigentlich sollte ein Fachschaftsrat die Interessen der gesamten Studentenschaft des Faches vertreten, aber uneigentlich haben viele Mitglieder ein bestimmtes politisches Interesse oder gerade einen besonders nahen Kontakt zu Lehrenden, was sie Karrierechancen wittern lässt).
Doch wie kann man in Zukunft besser verhindern, dass einzelne Intriganten die Neubesetzung von Lehrstühlen in Berufungskommissionen mit fadenscheinigen Argumenten unendlich in die Länge ziehen? Was kann man gegen Zerwürfnisse tun, die an der Uni Jena ganze Institute spalten, sodass man als Student besser niemals bei den beiden Widersachern zusammen Prüfung macht? Was kann man dagegen tun, dass jeder irgendwie Bescheid weiß und sich unter der Hand nur zu gerne darüber aufregt, aber keiner mal öffentlich den Mund aufmacht, um das Lehr- und Forschungsklima an der Universität grundlegend zu verbessern?
Wahrscheinlich nicht viel, objektiv betrachtet ist nur ein Bruchteil der Professoren intrigant, einander abgeneigt und konsensunfähig. Doch sobald solche Platzhirsche, Pardon, Lehrstuhlinhaber Forschungserfolge vorweisen und Stellenbesetzungen diktieren können, geraten integre Akteure ins Zweifeln. Eine grundlegende Veränderung können nur die Jungen, die jetzigen Studenten herbeiführen. Sie verbinden mit der Universität noch Ideale, keine Drittmittel als Trittmittel. Doch anstatt jetzt ins Nicken zu verfallen („Akrützel hat Recht, dass es bei den intriganten Professoren mal auf die Kacke haut!“) sollten sie sich selbst hinterfragen und nicht – wie so manches Fachschaftsratsmitglied, so mancher Hiwi, so mancher Doktorand – zu einer karrieregeilen Karikatur solch rivalisierender Professoren heranwachsen.
Betont man die Menschlichkeit solch menschlichen Versagens und sortiert Interessen in einem besonnenen Gespräch, lässt sich vielleicht manchmal noch vermitteln. Es ist erstaunlich, was man alles in Bewegung setzen kann, wenn man sich traut, „Lord Voldemort“ zu sagen und beispielsweise in Berufungskommissionen gegen die
Intrigen im legalen Sprachgewand von „zu wenig Drittmitteln“ und „zu enger Ausrichtung“ durch schlichtes Nachfragen vorzugehen. Wer zudem sprachliche Floskeln hinterfragt, anstatt in dieselben zu verfallen, dem wird eher zugehört. Eine solche Mischung aus Mut und Mediation ist kein Patentrezept, aber ein vielversprechender Anfang. Was immer hingegen Rektor Dicke mit „stärkeren Geschützen“ meint, die er gegen feindliche Professoren auffahren will – es klingt so brutal wie banal.

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