La boum — die Fete

Ein Streifzug durch Lobedas Nachtleben

Von Philipp Böhm

Foto: Katharina Schmidt

Die Straßenbahn ist gut gefüllt, wohlige Wärme und dezenter Glühweingeruch machen sich in den Wagen breit. Es ist zwanzig vor zehn und die 35 macht sich mit einem Rucken auf den Weg nach Lobeda. Ein Student, der trotz seiner geschätzten zwanzig Sommer schon mit Geheimratsecken geschlagen ist, schläft auf seinem Platz und bemerkt nicht, dass sein Mund sperrangelweit offen steht. Neben ihm unterhalten sich drei Mitt­sechzigerinnen über die Fortpflanzungsaktivitäten ihrer Nachfahren. Ein junges Pärchen streitet über den Abwaschplan in ihrer gemeinsamen Wohnung. Die Straßenbahn passiert derweil das Sportforum und Burgau und hält schließlich an der Emil-Wölk-Straße in Lobeda-West.

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In Lobeda schmeißen sie Hunde

Die Platte und ihre zahlreichen Vorurteile

Von Stefan Montag und Vera Macht

Foto: Katharina Schmidt 1.700 Studenten haben die Platte als Zuhause gewählt.

Das Schönste an Lobeda ist die Straßenbahn in die Stadt. Jeder, der das Geld dazu hat, zieht weg. Übrig bleiben Arbeitslose, Alleinerziehende, Rentner und Migranten. Und ein paar Studenten natürlich, die notgedrungen dort wohnen: aus finanziellen Gründen oder auch der Wohnungssituation wegen. Was will man auch in Lobeda? Riesige Wohnbunker, eng vereint in grauer Tristesse, kulturelles Brachland. Ideale Bedingungen für das, was man heute einen sozialen Brennpunkt nennt: hohe Kriminalitätsrate, Hartz-4-Empfänger, schwer erziehbare Jugendliche.

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Ein Treueschwur

Die Geschichte Neulobedas

Von Christian Fleige

Foto: Katharina Schmidt 1964 erfolgte der erste Spatenstich für die spätere Trabantenstadt.

„Am 1. Dezember 1967 erfolgte die Schlüsselübergabe. Einziehen durfte man jedoch noch nicht – nur einräumen“, erinnert sich Norbert Müller an seine persönliche Anfangszeit in der Theobald-Brenner-Straße in Neulobeda, ein Begriff, der sowohl Lobeda-West als auch -Ost umfasst. „Der Grund für die vorweihnachtlichen Verzögerungen war das kleine Kohleheizwerk in unserer Straße“, fügt Herr Müller hinzu. Es sei einfach noch nicht in Betrieb genommen worden. Dies passierte aber nur wenige Tage später und die Fernwärme füllte die neuen Wohnungen mit Gemütlichkeit. Die ersten Bewohner Neulobedas durften einziehen.

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Die Angst überwinden

Interview mit einem Mitglied der DDR-Bürgerrechtsbewegung

Moritz Hütten




Zur Person:
Reinhard Meinel ist Professor für Theoretische Physik an der Universität Jena und forscht auf dem Gebiet der relativistischen Astrophysik. Während seines Studiums in Jena war er Mitglied der evangelischen Studentengemeinde. Als er nach seiner Promotion 1984 Aussicht auf eine Assistentenstelle an der Universität Jena hatte, wurde diese ihm aus politischen Gründen verweigert. Nach einem Aufenthalt in der Industrie kam er 1986 an das Zentralinstitut für Astrophysik in Potsdam, wo er schließlich Kontakte mit der Bürgerrechtsbewegung in der DDR knüpfte. 1991 kehrte er wieder an die Universität Jena zurück, wo er seit 1999 eine Professur innehat. Reinhard Meinel ist verheiratet und hat drei Kinder.

Neues Forum:
Das Neue Forum war eine überparteiliche Plattform, die im Herbst 1989 gegründet wurde und neben der kirchlichen Oppositionsbewegung und anderen Bürgerrechtsinitiativen wie „Demokratie Jetzt“ und dem „Demokratischen Aufbruch“ wesentlich zum Ende der SED-Diktatur und zur Demokratisierung der DDR beigetragen hat. Der Gründungsaufruf begann mit den Worten: „In unserem Land ist die Kommunikation zwischen Staat und Gesellschaft offensichtlich gestört“. Es wurde zunächst von der DDR-Staatsmacht verboten und am 8. November 1989 als „politische Vereinigung“ schließlich zugelassen. Zu den dreißig Gründungsmitgliedern gehörten zahlreiche bekannte DDR-Intellektuelle wie Katja Havemann, Bärbel Bohley und Jens Reich. Ein Teil des Neuen Forums ging 1990 im Bündnis 90 und nach der Wiedervereinigung in der Partei Bündnis 90/ Die Grünen auf.

Foto: Katharina Menzer

Herr Professor Meinel, was ist faszinierender: Die Entstehung eines Schwarzen Loches durch Gravitationskollaps oder der Zusammenbruch der SED-Herrschaft im Herbst 1989?

Schwarze Löcher sind hochinteressante Objekte – die Entwicklung in der DDR im Jahr 1989 grenzt aber an ein Wunder. Es war mir zwar klar, dass eine so absurde Konstruktion wie die DDR nicht hätte ewig existieren können. Aber hätte mir jemand vorausgesagt, wie schnell und vor allem friedlich sich die Ereignisse im Herbst 89 entwickeln würden: Ich hätte ihn oder sie schlicht für verrückt erklärt.

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Verklärtes Risiko

CEJ veranstaltet Gentechnik-Vorträge und lädt Lobbyisten ein

Von Philipp Böhm

Foto: Diegesellschafter.de Anderswo geht die Gentechnik-Lobby wesentlich rabiater vor – wie hier Monsanto.

Zur „Versachlichung“ einer bisher „leidenschaftlich geführten Debatte“ wollte man beitragen: Ein hohes Ziel hatte sich das Collegium Europaeum Jenense (CEJ) mit seiner Vortragsreihe gesteckt, die am 28. Oktober begann. Und der Titel „Landwirtschaft – heute und morGEN. Ist die grüne Gentechnik in Europa am Ende?“ ließ auch auf einen kritischen Umgang mit dem kontroversen Thema „Gentechnik in der Landwirtschaft“ hoffen.
Doch einige der Reaktionen zeigen, dass das gewünschte Ziel offenbar nicht erreicht wurde. Ein wütender offener Brief ging beim Collegium kurz nach Beginn der Vortragsreihe ein.

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Das Phantom der Groschenoper

Siehst du den Mond über Soho?

Von Louisa Reichstetter

Foto: Bernd Uhlig/DNT Nationaltheater Weimar inszeniert Brecht als russisches Musical

„Dawai!“ Polly Peachum hat hinter dem Rücken ihrer Eltern, eines zwielichtigen Londoner Geschäftspaars, einen noch zwielichtigeren Konkurrenten geheiratet.Dafür wird sie nun mit russischen Imperativen von der Bühne gescheucht. Was Polly, die ihre Liebe selbstbewusst verteidigt, nicht weiß: Ihr Angebeteter Mackie Messer lässt nicht nur sie erbeben, sondern versetzt alle weiblichen Wesen – von Königin bis Hure – in einen erregten Schwebezustand unberechenbarer Handlungsfreudigkeit.

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