Verklärtes Risiko

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CEJ veranstaltet Gentechnik-Vorträge und lädt Lobbyisten ein

Von Philipp Böhm

Foto: Diegesellschafter.de Anderswo geht die Gentechnik-Lobby wesentlich rabiater vor – wie hier Monsanto.

Zur „Versachlichung“ einer bisher „leidenschaftlich geführten Debatte“ wollte man beitragen: Ein hohes Ziel hatte sich das Collegium Europaeum Jenense (CEJ) mit seiner Vortragsreihe gesteckt, die am 28. Oktober begann. Und der Titel „Landwirtschaft – heute und morGEN. Ist die grüne Gentechnik in Europa am Ende?“ ließ auch auf einen kritischen Umgang mit dem kontroversen Thema „Gentechnik in der Landwirtschaft“ hoffen.
Doch einige der Reaktionen zeigen, dass das gewünschte Ziel offenbar nicht erreicht wurde. Ein wütender offener Brief ging beim Collegium kurz nach Beginn der Vortragsreihe ein.

Die Autorin des Briefs, Simone Ott, kritisierte darin heftig die Auswahl der Referenten, insbesondere von Prof. Klaus-Dieter Jany und Prof. Inge Broer. Beide seien in Lobbyorganisationen aktiv, die „wenig umsichtig für die Durchsetzung der Gentechnik in der Landwirtschaft eintreten.“ Darunter fielen beispielsweise der Wissenschaftlerkreis „Grüne Gentechnik e.V.“ und „InnoPlanta“, in denen Jany Mitglied sei, und der Verein „Finab“ zur Förderung innovativer und nachhaltiger Agrobiotechnologie, dessen Vorsitzende Broer ist. „Ich bin im Internet auf die Veranstaltungsreihe gestoßen und diese Namen sind mir sofort aufgefallen“, sagt Simone Ott. Sie gehört zu einem bundesweiten Netzwerk von Gentechnikkritikern und beschäftigt sich schon seit mehreren Jahren mit dem Thema.

„Keine radikalen Befürworter“

Die Verantwortlichen der Vortragsreihe sehen diese Verbindungen als nicht so problematisch: „Es ist immer eine Frage des Blickwinkels, wie man Verflechtungen, beispielsweise zwischen Interessenverbänden, Forschung und Wirtschaft, bewertet“, sagt Jan Kellmann vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, das an der Veranstaltung beteiligt war. Auch Prof. Ernst Anders, einer der Kuratoren des Collegiums, wiegelt ab: Es sei „eine ganz normale Situation, dass verschiedene Institutionen und Firmen die Forschung an den Universitäten anteilig finanzieren.“ Immerhin könne man mit den Unigeldern „keine anspruchsvollen Studien im Bereich der chemischen Grundlagenforschung betreiben.“ Den Kontakt zur Industrie hält er für „nicht verwerflich“. Das maßgebliche Kriterium bei der Auswahl der Referenten sei lediglich die Frage gewesen: Welcher Wissenschaftler kann den Sachverhalt „sowohl fundiert als auch allgemein und verständlich erklären“? Außerdem: „Wer hat langjährige, eigene und praktische Erfahrungen mit der Gentechnik gesammelt?“, so die Erklärung Kellmanns. Auf die Frage, warum kein radikaler Kritiker der Gentechnik als Referent eingeladen wurde, entgegnet Kellmann: „Wir haben keinen radikalen Kritiker eingeladen – aber auch keinen radikalen Befürworter.“
Dieses Argument kann Simone Ott nicht nachvollziehen: „Gerade Herrn Jany und Frau Broer kann man durchaus als uneingeschränkte Befürworter sehen.“ Broer trete vielleicht nicht so auf, aber durch ihre Tätigkeit bringe sie Gentechnik in Deutschland nach vorne. Jany sei dagegen schon „wesentlich offensiver“ in seinen Äußerungen. Aber allein, dass Broer beispielsweise den beschönigenden Begriff „grüne Gentechnik“ verwende, deute auf ihre Ansichten zu diesem Thema hin.

Nur eine „neue Strategie“

Prof. Anders weist dagegen den Vorwurf einer einseitigen Darstellung des Sachverhalts zurück: „Man konnte bei den Vorträgen sehen, dass jeder Referent eine eigenständige und auch sehr kritische Position zu dem Thema hatte.“ Dass die Referenten durch ihre Tätigkeit in den diversen Organisationen keinen neutralen Standpunkt hätten – das glaubt er nicht.
Dem widerspricht Peter Böhlefeld, der sich einige der Vorträge angehört hatte: „Auf Einwände aus dem Publikum wurde überhaupt nicht reagiert. Wer Probleme mit Gentechnik hat, argumentiert für die unwissenschaftlich.“ Als Betreiber von ökologischer Landwirtschaft hatte er ein grundsätzliches Interesse am Thema Gentechnik. Die angebliche Selbstkritik hält er für äußerst heuchlerisch: „Alles, was Leute wie Broer oder Jany machen, ist ihre alten Rechtfertigungen als unwissenschaftlich abzutun und durch neue zu ersetzen.“ Dies geschehe jedoch nicht aus Einsicht, sondern lediglich aufgrund des öffentlichen Drucks: Alte Behauptungen wie beispielsweise, dass sich genmanipulierte Pflanzen nicht mit anderen kreuzten, seien heute einfach nicht mehr haltbar. Böhlefeld sieht in dieser Selbstkorrektur lediglich eine „neue Strategie“.
Die Reihe endete am 9. Dezember mit einem Vortrag von Prof. Peter Kunzmann vom Ethikzentrum der Uni Jena, der nach Redaktionsschluss stattfand. Dass er die grundsätzliche Ausrichtung der Vortragsreihe maßgeblich veränderte, kann dennoch bezweifelt werden. Er referierte nämlich nicht über mögliche Risiken für Mensch und Umwelt, sondern über eine „ethische Bewertung” und „Würde in der Gentechnologie”.

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