Von Löchern, Ausfällen und einer Erhöhung

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Die Geschichte, wie der Stura seinen Haushalt zustande brachte

Von Jan-Henrik Wiebe Maria Hoffmann

Die Recherche erfolgte in Zusammenarbeit mit dem Campusradio.




Fast wie beim Stura: Ein Kohlezug nach Nirgendwo.

Foto: flickr.com/stpaulgirl

Wir können nur erahnen, wie die Gesichter der Sturamitglieder am Ende des vergangenen Jahres ausgesehen haben müssen, als sie bemerkten, dass ihnen mehrere Zehntausend Euro für den neuen Haushalt fehlen. Niemand will das während des Jahres entstandene Loch bemerkt haben, trotz starker Erhöhungen bei den Referaten und dem Personal. Auch beim Zwischenbericht des Haushalts hatte noch keiner den Überblick. Entstanden sei die Finanzierungslücke für das Jahr 2012 durch die wenigen Überträge aus dem vergangenen Jahr. Diese setzen sich aus den nichtausgegebenen Geldern der Fachschaften, Referate und anderen vom Stura unterstützten Gruppen zusammen. Diese Restbeträge beliefen sich in den vorherigen Jahren immer auf etwa 120.000 Euro und werden im Haushalt jedes Mal als feste Größe eingeplant. Für 2012 waren jedoch nur noch 34.000 Euro übrig. Diese Abschmelzung der Überträge wurde im vergangenen Jahr sogar noch vom Landesrechnungshof nach einer Prüfung des Haushaltes gefordert. Dass durch diesen Abbau 2012 Probleme entstehen – das war zu erwarten.

Um den Ausfall zu kompensieren, gab es für den Stura nur zwei Möglichkeiten: kürzen oder die Semesterbeiträge erhöhen. Damit beginnt die lange Geschichte des Haushalts 2012. Die Fronten sind verhärtet und die Positionen klar: Auf der linken Seite Stur-A-ktiv, auf der anderen der RCDS. Dazwischen steht der derzeitige Finanzverantwortliche des Stura: Peter Held.
Sein Vorgänger Hagen Schmidt muss sich schwere Vorwürfe aus manchen Fachschaften anhören. Ihm wird unter anderem angekreidet, dass in seiner Amtszeit die Finanzen chaotisch geführt worden seien und Rechnungen auch schon mal länger liegen geblieben seien. Hagen entgegnet: „Als ich anfing, habe ich die Relikte meiner Vorgänger übernommen, und die Unterstützung des ehemaligen Haushaltsverantwortlichen blieb größtenteils aus. Der Vorstand war nicht wirklich in der Lage mich fachlich zu unterstützten.“ Auch den gewählten Studentenvertretern schiebt er eine gewisse Mitschuld zu: „Aus Unwissenheit und vielleicht auch Trotz haben die Gremiumsmitglieder fälschlicherweise angenommen, wir würden jedes Jahr Unmengen an Vermögen ins Folgejahr schieben.“ Jedoch fügt er in seiner Erklärung, die dem Akrützel vorliegt, am Ende hinzu, dass er selbst auch nicht frei von Fehlern sei. Für ein Interview erklärte er sich nicht bereit, schließlich habe er seit September keinen Einblick mehr in die Sachlage. „Die aktuelle Lage wird, wie schon so oft, aus Unwissenheit und Geltungsdrang schlicht falsch bewertet“, schreibt Hagen in seiner Stellungnahme.

„Ein normaler Fehler“

Dies sieht Peter Held als jetziger Verantwortlicher für die Finanzen anders. „Ich gebe zu, wir hatten den Übertrag noch höher geplant, das war ein Problem, das langsam gewachsen ist. Darum war nicht ganz klar, woraus er sich zusammensetzt und richtig entsteht. Im Zwischenbericht, der mal im Gremium abgegeben wurde, war dieses Problem nicht so sichtbar. Da hätte man schon früher die Diskussion starten müssen.“ Geplant war vergangenes Jahr ein Übertrag von 90.000 Euro für 2012, letztendlich wurden es nur 34.000. Warum das Haushaltsloch nicht gesehen wurde, kann Peter selbst nicht beantworten. „Vielleicht hat Hagen sich da nicht so den Kopf gemacht, vielleicht hat er das Problem selber so nicht gesehen, das kann passieren, das ist ein normaler Fehler.“
Eine Verschwendung der Gelder im vorherigen Jahr wollen sich die beiden letztjährigen Vorstandsmitglieder Carola Wlodarski-Simsek und Stephanie Borck nicht vorwerfen lassen. Sie betonen, dass die Gelder nur sinnvoll ausgegeben worden seien und forderten deshalb auch eine Erhöhung der Semesterbeiträge für den Stura. „Wir haben jetzt eine zweite Prüfungsberatungsstelle und dann die zweite Servicestelle für den Kopierraum. Wir haben wesentlich mehr Aktionen, die Referate sind alle voll besetzt und arbeiten wie verrückt, was sehr toll und schön ist. Allgemein haben wir auch sehr viele externe Sachen gefördert. Viele Studigruppen und zivilgesellschaftliche Akteure kamen mit Anträgen zum Stura, und die haben wir auch immer genehmigt und denen das Geld gegeben. Deswegen ist der Übertrag auch so klein. Es gab eigentlich kaum Anträge, die abgelehnt wurden. Wenn, dann waren das sehr abstruse oder sinnlose Sachen. Aber ansonsten war das Gremium auch recht großzügig – was gut ist, weil die Studis davon sehr profitieren“, erklären Carola und Stephanie. Was sie bedauern, ist die Tatsache, dass vielen Studenten gar nicht auffallen würde, wenn ihre Beiträge für Theatervorstellungen oder Lesungen verwendet werden und sie dort dann nur einen günstigeren Eintritt zahlen müssen. „Das war ja auch das, was in der Kritik stand, dass die Aktionen vom Stura nicht ausreichend kenntlich gemacht wurden. Deswegen wurde befürchtet, dass das in der Studierendenschaft nicht so gut ankommt, wenn wir jetzt den Semesterbeitrag erhöhen“, sagt Carola. Stephanie merkt an, dass schon seit mehreren Jahren der Beitrag nicht mehr erhöht wurde. „Dazu kommt, dass wir in Thüringen eine der Unis mit den niedrigsten Semesterbeiträgen sind.“

Geistige und physische Abwesenheit

Für schlecht halten sie hingegen die Kommunikation zwischen den Referaten und dem Gremium. „Nur wenige Gremiumsmitglieder sind tatsächlich aktiv in den Referaten, und wenige Leute aus den Referaten kommen in die Gremiumssitzungen. Vor allem die Leute, die ganz strikt für die Kürzungen waren, sind auch diejenigen, die nicht aktiv in den Referaten sind. Das ist dann problematisch, wenn ein Haushalt gemacht werden soll, ohne zu wissen worüber man eigentlich gerade entscheidet“, sagt Carola. Gemeint ist der RCDS. Tatsächlich kommen die Mitglieder der CDU-nahen Studentenvereinigung eher selten zu den Sitzungen. Doch auch die Jusos und Die Liste sind selten gesehene Gäste. Manche Stura-Mitglieder waren nur bei vier von zwölf der bisherigen Sitzungen anwesend. Andere haben bisher kein einziges Mal gefehlt.
Bei der Stura-Sitzung am 10. Januar wird klar, wie ernst manch ein gewählter Studentenvertreter seine Arbeit nimmt. Neben denen die Bier trinken, gerne auch zwei, gibt es diejenigen die Zeitung lesen, in der Chipstüte rascheln und dann um 22 Uhr gehen, noch bevor der Haushalt verabschiedet wird. Besonders deutlich wird die Langeweile und geistige Abwesenheit bei einer Medizinstudentin, die für die Jusos im Gremium sitzt. Wenn ihr Blick nicht gerade auf das vor ihr liegende I-Pad gerichtet ist, schaut sie wie die anderen Mitglieder ihrer Fraktion abstimmen. Warum sie immer noch, trotz acht unentschuldigter Fehltermine, weiterhin ein Mandat hat, bleibt ein Rätsel.
Dass so eine Sitzung nicht nur Spaß macht und sich in die Länge ziehen kann ist klar und wird bei einem Blick auf die Tagesordnung deutlich. Auf sechs Stunden ist sie angesetzt – bis 24 Uhr. Antrag, Gegenantrag, lange Argumentationen und Gegenstimmen folgen einander – und immer wieder der Beschluss über die Schließung der Redeliste.
Der RCDS bleibt stur und will die Beiträge nicht erhöhen, stattdessen soll radikal bei den „linken“ Referaten gekürzt werden. Dies wollen die Vertreter von Stur-A-ktiv nicht hinnehmen und plädieren für die Erhöhung. Nach langer Diskussion können sich alle, ausgenommen der RCDS, auf eine Erhöhung von sieben auf acht Euro ab dem nächsten Wintersemester einigen. Trotzdem muss bei Mike Niederstraßers Haushaltsentwurf noch gekürzt werden. Um fast jeden zu kürzenden Euro wird dabei gefeilscht. Am Ende kommt doch noch der große Konsens zustande. Kurz vor zwölf wird der neue Haushalt in seiner sechsten Lesung von 20 Mitgliedern bei einer Gegenstimme angenommen, trotz der enthaltenen Erhöhung auch vom RCDS. Madlen Schwarzenberger rechtfertigt diese Wende ihrer Fraktion: Schließlich seien auch schon ein paar Veranstaltungen der Fachschaften ausgefallen. Schuld daran ist die Ausgabensperre, die so lange gilt, bis der Haushalt vom Stura und danach von Rektor Klaus Dicke verabschiedet wurde. Ausnahmen bestehen nur bei vertraglich verpflichtenden Zahlungen. Dank dieser Verträge konnte das Eulenfreunde-Festival des Campusradio in letzter Minute gerettet werden. Damit die Arbeit in den Fachschaften weitergehen kann, stimmte auch der RCDS am Ende für den Kompromissvorschlag.

Kein Plan von Haushaltsplanung

Das Gremium hätte ein „relativ großes Problem“ bekommen, wenn der RCDS seine Zustimmung zum Haushalt verweigert hätte, meint Peter. Die Kürzungen wären drastischer ausgefallen. „Das hätten viele nicht mitgemacht und somit wäre der Haushalt hundertprozentig nicht verabschiedet worden“, sagt er. Warum der RCDS in der Sitzung nicht selber Kürzungsvorschläge eingebracht hat, vermutet der Haushaltsverantwortliche: „Vielleicht haben sie jetzt nicht so den Plan von Haushaltsplanung, vielleicht durchsteigen sie das Thema nicht oder möchten nicht. Ich weiß es nicht.“ Selber gekürzt hätte er bei der Technik und den Campusmedien. Beim Campusradio würde er die Bezahlung des Musikredakteurs streichen. Stattdessen hätte er dieses Geld lieber auf die Referate und Arbeitskreise verteilt.
Gerade dort würde Madlen aber am liebsten sparen. Wo genau, konnte sie jedoch nicht sagen. Stattdessen soll das übrige Geld an die Fachschaften verteilt werden. Dort würden die Studenten mehr vom Geld haben, so die Auffassung der Konservativen. Bei den Fachschaften werden neben Vorträgen vor allem die eigenen Partys finanziert, eine Aufgabe, die nicht im Landeshochschulgesetz festgeschrieben ist, also nicht zum Kernbereich der Studentenvertretung gehört.
Dass der Stura einen Haushalt von über einer halben Million verwaltet, stört Rektor Dicke nicht, schließlich seien alle über 18: „Das Vertrauen muss ich einfach haben und damit müssen sie umgehen können. Dass das überwacht wird von Seiten der Universität ist darin begründet, dass jeder Umgang mit öffentlichen Geldern Kontrollen unterworfen sein muss.“
Bevor der Haushalt vom Rektor unterzeichnet wird, durchläuft er eine Prüfung der Finanz- und Rechtsabteilung, sowie zusätzlich noch der Rechnungsprüfung der Universität. „Wir werden uns das sehr genau ansehen“, sagt Dicke in Bezug auf die Semesterbeitragserhöhung. Auch die Fehltage will er prüfen: „Falls das gehäuft auftritt und es dazu führt, dass Sand ins Getriebe gerät und die Arbeit beeinträchtigt, gibt es ein Problem. Wenn das der Fall wäre und ich wüsste davon, dann würde ich bei den Besprechungen, die ich zweimal im Semester mit dem Stura-Vorstand habe, rückfragen, was da los ist.“ Dass es beim Stura, den Referaten und Fachschaften Probleme bei der Kommunikation untereinander gibt, ist sogar bis zu ihm vorgedrungen. Hätten die Gremien öfters über Finanzen mit dem Haushaltsbeauftragten gesprochen, wäre das Problem mit den geringen Überträgen vermutlich schon viel früher erkannt worden. Nicht nur aus aktuellem Anlass hat Dicke laut eigener Aussage schon mehrfach gesagt: „So kann das nicht weitergehen.“

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Alfred

    Ich weiß gar nicht, wieso über die Sache überhaupt ein Wort verloren wird – längst ist es doch gang und gäbe, daß in Bund, Ländern, Kommunen und sonstigen Abrechnungsstellen bei Beträgen unter einer Billion EUR faustwertig sowie ohne weitere Überprüfung abgerechnet wird. Ab dem Grenzwert noch mittels Belegen.

    = Transportable Geldbeträge sind der Erdnuß nicht wert.

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