Studentenferne Orte

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Teil 24: Junggesellinnenabschiede in Jena

Von Jan-Henrik Wiebe



Foto: Flickr.com/William Murphy

Schon von weitem hört man sie kreischen, die Schnapsdrosseln und Proseccolerchen auf Junggesellinnen-Abschiedstour. Meist bewegen sie sich vom Paradies- oder Westbahnhof in Richtung Innenstadt, denn wohnhaft sind sie oft im Umland oder in einer der ranzigen Provinznachbarstädte wie Gera oder Apolda.

Um dort nicht negativ in Erscheinung zu treten, fallen sie in Horden – vorzugsweise im Sommer – in Jena ein. Dann belagern sie den Holzmarkt oder ziehen weiter durch die Wagnergasse und die Johannisstraße. Verkleidet als Feen, Engel oder Teufel vagabundieren die Frauen durch die Straßen und belästigen am liebsten junge Männer.
Doch all die Verkleidung und das Make-up helfen nicht – niemand will mit ihnen spielen. Studenten, die am Wochenende nicht nach Hause zu Mami und Papi fahren, wissen, wie sie sich zu verhalten haben. Ein leerer, verträumter Blick, ein schneller Schritt oder der kurzzeitige Gesichtsausdruck eines Massenmörders helfen, um nicht angesprochen zu werden. Hauptsache nicht so aussehen, als würde man ihren Spaß verstehen und fünf Minuten Zeit haben. Den treuen Hundeblicken und dem flehendlichen Betteln, wenigstens eine Flasche ihrer billigen ekelhaft-süßen Schnäpse aus dem Bauchladen zu kaufen, kann „mann“ kaum entkommen. Die Mitleidsmasche zieht fast immer.
Nach Deutschland gekommen ist das Ritual aus Großbritannien und Kanada. Dort werden schon seit längerem sogenannte Doe Partys vor Hochzeiten zelebriert. Der Sinn dieser Partys liegt darin, Geld für das neue Paar zu sammeln und das letzte Mal mit den Freundinnen Spaß zu haben.
Bei einem anderen beliebten Spiel, das ähnlich oft zu beobachten ist, muss der oder die künftig Vermählte die Waschanleitungen oder Etiketten der Unterwäsche von Passanten des anderen Geschlechts herausschneiden, was bei den Betroffenen hinterher einen ständigen Juckreiz auslöst – und das vielleicht sogar noch bei der Lieblings-Schiesser.
Die Männer in Deutschland haben sich hingegen für die amerikanische Variante entschieden: die sogenannte Bachelor-Party, bei der es auch um Alkohol geht, aber kein Geld gesammelt wird. Die Freunde und der zukünftige Ehemann ziehen dann gemeinsam grölend durch die Straßen, können von weitem mit Burschenschaftern verwechselt werden. Aber außer vielleicht der Stripperin im Titty Twister wird meist niemand offensiv belästigt.

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