Was ein kleines Wort ausmacht

Ein Kommentar zu alltäglichem Rassismus

Von Philipp Böhm

Das Wort „aber“ ist eigentlich ein beeindruckendes sprachliches Instrument. Im deutschen Sprachgebrauch erfreut es sich großer Beliebtheit und wird vielseitig und kreativ verwendet. So findet man es beispielsweise in Satzkonstruktionen wie „Ich hab ja nichts gegen Ausländer, aber…“ oder „Ich bin kein Rassist, aber…“. Fast scheint es, als wären Fremdenfeindlichkeit und Rassismus in Deutschland völlig ausgestorben. Niemand ist mehr Rassist. Stattdessen gibt es „Sachen, die man einfach mal sagen muss.“ Und „deutsche Partys“ muss man wohl auch einfach mal feiern dürfen.
Dass Fremdenfeindlichkeit längst nicht ausschließlich ein Symptom aus dem rechtsextremen Meinungsspektrum ist, zeigt der Vorfall vor der Havanna-Bar. Rassismus gibt es in allen Bevölkerungsschichten und findet fruchtbaren Boden auch in der braven demokratischen Mitte. Begünstigt werden Ansichten dieser Art nicht nur durch populistische Wahlkampfparolen aus verschiedenen Lagern oder die unreflektierte und einseitige Darstellung der Verhältnisse durch große Teile der Presse. Auch festgefahrene bürgerliche Moralvorstellungen tragen ihren Teil dazu bei: Pünktlichkeit, Fleiß, Disziplin, der Vorrang von Heimat und Familie. Toleranz steht anscheinend nicht im Tugendkatalog. Dazu kommen ökonomische Faktoren: In einer Gesellschaft, die starkes Konkurrenzdenken und den immerwährenden Wettbewerb groß schreibt, in Beschäftigungsverhältnissen, die von der ständigen Angst um den eigenen Arbeitsplatz geprägt sind, werden Migranten schnell zu denen, die „uns die Arbeitsplätze wegnehmen.“
Dem entgegenzutreten ist schwierig. Einmal pro Jahr sein Gesicht auf einer Demonstration gegen Rechtsextremismus zu zeigen, mag ja noch drin sein. Dem Bekannten, der mal wieder über „die ganzen Islamisten“ herzieht oder sich darüber beklagt, dass er auf dem Schulhof fast keine deutschen Jugendlichen mehr sieht, Kontra zu geben ist dagegen schon eine ganz andere Sache. Dabei muss die Auseinandersetzung mit Rassismus genau dort anfangen: im Büro, auf dem Campus oder an der Tür der Havanna-Bar.

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