In täglicher Mission

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Unterwegs mit den Mormonen in Jena

Von Anna Zimmermann




Elder Fock und Elder Speelman auf ihrem täglichen Rundgang.

Foto: Katharina Schmidt

„Ich bin Elder Speelman. Wir sprechen Leute an, weil wir herausgefunden haben, dass es einen Sinn in diesem Leben gibt.“ Freundlich lächelnd, die Hände gefaltet, schaut der junge Mann seinem Gegenüber in die Augen. Sein Kollege, Elder Fock, steht daneben und schmunzelt zurückhaltend. Beide sehen seriös und konservativ aus in ihren schwarzen Stoffhosen und den Schlipsen, die aus den Wetterjacken gucken. Vorne an die Jacke ist ihr schwarzes Namensschildchen geheftet: Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage. Beide sind mormonische Missionare und beginnen heute ihren Werbegang vor ihrem Gemeindezentrum am Teichgraben mitten im Stadtzentrum Jenas.

Elder Speelman ist ins Mormonentum hineingewachsen. Er stammt aus Idaho und entschied sich dafür, zwei Jahre lang als Missionar tätig zu sein. „Das ist kein Zwang“, sagt er, es sei aber eindeutig erwünscht. Seinen Bestimmungsort – Ostdeutschland – hat sich der Zwanzigjährige genauso wenig ausgesucht wie sein Begleiter Elder Fock, der aus Hamburg stammt. Vielmehr wurden sie berufen: Der Prophet und Kirchenpräsident betete über ihren Zielort. Während sie durchs Damenviertel laufen, erzählen sie, dass es ihnen hier aber durchaus gefällt.
Als eine Mutter mit ihrem Kind die Straße „Am Planetarium“ heruntergelaufen kommt, halten sie inne. Und wieder: „Guten Tag, ich bin Elder Speelman.“ Wieder lächeln beide. Wieder erzählen sie, dass sie herausgefunden haben, dass Gott wirklich da ist; dass er einen Plan für uns alle hat; dass wir alle eine Aufgabe auf der Erde haben. Und die­se Aufgabe verlangt den beiden während ihrer Missionszeit einiges ab: Sie legen für zwei Jahre ihren eigentlichen Vornamen ab und werden zu „Elder“. Sie leben fern von ihrer Familie und dürfen diese nicht sehen. Nur zweimal im Jahr dürfen sie mit ihr telefonieren, einmal in der Woche E-Mails schreiben, Briefe immer. Die Stadt, in der sie missionieren, kann alle sechs Wochen wechseln – Elder Speelman war bereits in Prenzlau, Zwickau und Nordhausen. Sobald der Missionspräsident in Berlin, der für die Mission Ostdeutschland zuständig ist, einen Städtewechsel ankündigt, ziehen sie um – auch wenn es ihnen in der Stadt gefällt. „Wir können ja wiederkommen, wenn unsere Zeit als Missionar vorbei ist“, berichtet Elder Fock. Dann könne man auch machen, was man will.
Zügigen Schrittes marschieren die beiden durch Jena. „Wir sind heute bis 21.00 Uhr unterwegs“, erzählen sie. Im Moment ist es gerade einmal 12.00 Uhr. Außerdem sieht es nach Regen aus, es ist kalt und ungemütlich. Schlafwetter eigentlich. Den beiden Missionaren hat das egal zu sein: Wie immer sind sie um 6.30 Uhr aufgestanden, haben ihren Morgensport absolviert, die Bibel studiert, sich darüber ausgetauscht und Sprachunterricht bekommen. Nur der Montag ist frei von Terminen: An diesem Tag wird die Woche geplant, sie können E-Mails schreiben oder Sehenswürdigkeiten besuchen. Auf dem Weg nach Zwätzen sind nicht viele Menschen unterwegs, und so haben die beiden Zeit, noch ein bisschen zu plaudern. Bevor ihre Zeit als Elder begann, besuchten sie eine Missionarsschule. Dort bekamen sie, wie im Fall von Elder Speelman, Unterricht in der Landessprache, studierten ihre Heiligen Schriften und lernten auf Menschen zuzugehen und mit ihnen zu sprechen. „Damit es nicht komisch ist“, sagt Elder Speelman und lacht. Träfe man ihn einfach so auf der Straße – die beiden versichern, dass sie auch zivile Kleidung haben –, würde er wohl nicht in das ernste, strenge, landläufig verbreitete Bild eines Mormonen passen. Er macht Scherze, singt vor sich hin und lacht viel.
Doch dieses betont freundliche Auftreten zeigt nicht bei jedem Wirkung. Elder Speelman erzählt von einem anderen Missionar, der schon zweimal zusammengeschlagen wurde. Nicht jeder kann seinen Unmut angemessen artikulieren, wenn Mormonen an der Haustür klingeln oder einen an der Ampel in ein Gespräch verwickeln. Pro Tag sprechen nur etwa fünf bis sieben Leute überhaupt länger mit ihnen. Heute Mittag hört nur eine Passantin aufmerksam zu – sie selbst ist Anhängerin der Zeugen Jehovas. Als Elder Fock einen Mann anspricht und davon erzählt, dass er herausgefunden hat, dass es einen Sinn im Leben gibt, reagiert dieser ungehalten: „Für mich aber nicht!“ Davon lassen sich die beiden nicht die Laune verderben. Höchstens ein bisschen. „Aber dann kaufen wir ein Eis und der Tag ist besser“, gibt Elder Speelman mit einem Grinsen zu.

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