Und täglich grüßt der Marlboro-Mann

  • Beitrags-Autor:
  • Beitrags-Kategorie:Allgemein
  • Beitrags-Kommentare:6 Kommentare

Wer heute studiert, wird mit Werbung zugeschüttet – doch Studenten werk und Rektor behaupten, sie hätten keine andere Wahl

Von Philipp Böhm




Foto: Katharina Schmidt Was nehm ich bloß?

Das Wort „Basar“ kommt ursprünglich aus dem Persischen und bezeichnet ganz profan einen Marktplatz. Ganz automatisch verbindet der Otto-Normalverbraucher damit orientalische Straßen und lange Reihen von Händlern, die lautstark ihre Waren feilbieten. Manch unbedarfter Student, der in der letzten Zeit über den Campus spazierte, dürfte aber auch beim Anblick der Abbe-Mensa oder des Foyers in der Carl-Zeiß-Straße an dieses Bild gedacht haben. Hatte er sich erstmal an den etwas steif aufgestellten Burschenschaftern vorbeigekämpft, die ihm Partyflyer in die Hand drückten, erwarteten ihn schon die zahnpastaweiß lächelnden Damen von O2 mit dubiosen roten Umschlägen. Auf abweisende Handbewegungen reagierten sie verblüfft: „Ist doch umsonst!“ Hatte er schließlich auch diese Hürde gemeistert, musste er nur noch den Marlboro-Stand und dessen Mitarbeiter in perfekt aufeinander abgestimmter Montur abwimmeln, um sich freudig in die Schlange vor der Essensausgabe einzureihen. Den traurigen Stand für die Fachschaftsparty hatte er dabei glatt übersehen.

Unternehmen haben längst den Kunden Student und damit auch die Werbefläche Universität entdeckt. Was bei den Bergen an Flyern in der Mensa anfängt, hört beim ersten Gesundheitstag der Universität noch lange nicht auf, der freundlicherweise von der Coca-Cola GmbH unterstützt wird. Der Reservistenverband ist ebenfalls ein oft gesehener Gast bei sommerlichem Wetter – Krankenkassen geben sich ein Stelldichein mit Repetitorien, bei denen es sich um Firmen handelt, die Studenten durch ihr Studium bringen sollen, wenn es die Universität selbst nicht mehr schafft.

„So wirtschaftlich wie möglich“

„Wir versuchen natürlich, das Volumen an Werbung so gering wie möglich zu halten“, sagt Elke Voß vom Studentenwerk und fügt hinzu: „Aber natürlich muss das Studentenwerk versuchen, so wirtschaftlich wie möglich zu arbeiten.“ Wer in der Mensa einen Werbestand aufstellen will, muss das zuerst bei den jeweiligen Wirtschaftern beantragen und eine Standgebühr bezahlen. Die ist mit 25 Euro täglich für eine Fläche von fünf Quadratmetern allerdings nicht allzu hoch. Die Richtlinien, nach denen Werbung zugelassen wird, sind vage gehalten: „Es muss einen Nutzen für die Studenten haben“, so Voß. Nicht geworben werden dürfe für Alkohol und Zigaretten. Doch diese Leitlinie wirkt angesichts großer Marlboro-Werbestände in der Mensa wie ein Hohn. „Die machen das sehr clever“, versucht es Voß zu begründen. „Die Firma wirbt in diesem Fall ja nicht direkt für Zigaretten, sondern tarnt das als Gewinnspiel oder Ähnliches, dabei ist das eine gezielte Image-Kampagne.“ Sie spricht in diesem Zusammenhang zumindest von einer „Gratwanderung“.
Nicht nur für eine „Gratwanderung“, sondern für ein ernstes Problem hält es dagegen Mike Niederstraßer von der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW): „Das sind schleichende Einflüsse, die immer größer werden“, meint er. Das „große Geld“ würde damit zwar nicht gemacht, aber dennoch „wichtige Vorfeldarbeit“ geleistet. Die omnipräsente Werbung auf dem Campus sieht Niederstraßer kritisch: „Die Studenten werden hier ja auch permanent mit einem Imperativ konfrontiert: Vermarkte dich! Verwerte dich!“
Es bleibe ja nicht bei Werbeständen im Foyer, sondern setze sich fort bei Kongressen, die von Lobbyorganisationen gesponsert werden, und reiche bis hin zur öffentlichkeitswirksamen Umbenennung von Hörsälen, wie es im Zuge der „Lichtgedanken“ zum Universitätsjubiläum 2008 geschah. Besonderes Aufsehen erregte damals die Umbenennung des Hörsaals 5 in der Carl-Zeiß-Straße in „Commerzbank-Hörsaal“.
Dass es für die Studenten dabei nicht immer nur um Ideale und individuelle Lebenswege geht, wird deutlich, wenn sich pünktlich zu den Studieneinführungstagen diverse Banken die Klinke in die Hand geben – mit dem Ziel, Studienkredite an den Mann zu bringen. Der Stura hatte dies in der Vergangenheit wiederholt kritisiert und darauf hingewiesen, dass im Foyer der Universität wohl kaum ordentliche Beratungsgespräche stattfinden könnten.
Die Vergabe wird dabei zwar jeweils von verschiedenen Leuten geregelt – im Fall der Mensa vom Studentenwerk, beim Foyer von der Unileitung – die unmittelbaren Auswirkungen auf den Studenten bleiben aber die gleichen.
Rektor Klaus Dicke jedenfalls stören die­se Werbeaktionen nicht wirklich, im Gegenteil: „Studienkredite halte ich für eine sinnvolle Angelegenheit.“ Auch generell sieht er privates Sponsoring als nicht problematisch an, mit den verfügbaren öffentlichen Geldern könne man bestimmte Projekte einfach nicht finanzieren.
Und die Nachfrage nach der Werbefläche Uni ist hoch: „Ich bekomme eine Unmenge von Anfragen. Viele sind daran interessiert, Studenten langfristig als Kunden zu gewinnen.“ Ausschlaggebend sei für ihn dabei „ein erkennbares studentisches Interesse“ an den verschiedenen Angeboten – seien es nun Handyverträge, Versicherungen oder Studienkredite. Verzichten könne die Universität jedenfalls nicht auf die Werbegelder. Dicke wolle das nur „nicht übertreiben“.
Automatisch stellt sich hier die Frage nach der generellen Hochschulfinanzierung: Wer soll eigentlich für Bildung zahlen? Laut Dicke sei die Bolognareform in Jena mit 15 Prozent unterfinanziert, die Universität also auf Sponsoren angewiesen. Er verweist in diesem Zusammenhang auf den oft genannten Wettbewerb zwischen den Hochschulen: „Wenn ich beispielsweise eine Professur international ausschreibe, den Kandidaten jedoch die Reisekosten nicht bezahlen kann – dann ist das ein klarer Wettbewerbsnachteil.“

Wettbewerb und Effizienz

Dass die private Hochschulfinanzierung in Zukunft zunehmen wird, glaubt Dicke aber nicht: „Ganz einfach deshalb, weil die Unternehmen nicht bereit sind, mehr zu geben.“ Aber: „Die Universitäten werden sich natürlich stärker um solche Gelder bemühen müssen“, fällt sein resigniertes Urteil aus.
Es scheint, als wären die Hochschulen in eine Phase ihrer Existenz getreten, in der Bildungs- und Forschungsideale keinen Mehrwert mehr besitzen. Das Vokabular der Diskussion macht es deutlich: Wettbewerb, Konkurrenz, Wirtschaftlichkeit, Effizienz. Der nicht abreißende Strom an Werbevertretern ist dabei nur ein einzelnes Symptom eines größeren Konflikts.
Studentenwerk wie Unileitung behaupten zumindest, die Kommerzialisierung der Hochschule auf einem Minimum halten zu wollen – scheinen aber keine tatsächliche Wahl zu haben. In dem vom Staat durch die Exzellenzinitiative maßgeblich geförderten Konkurrenzkampf, euphemistisch gerne als „produktiver Wettbewerb“ bezeichnet, ist eben jene Kommerzialisierung unausweichlich.
Unbeabsichtigt bringt Klaus Dicke das Problem auf den Punkt, wenn er sagt: „Die Universität ist Teil der gesellschaftlichen Wirklichkeit – wir können diesen Teil nicht ausblenden.“ Grob runtergebrochen könnte man diesen Satz auch so übersetzen: Wir werden tagtäglich mit dem Ausverkauf des öffentlichen Raums konfrontiert – davor kann uns auch die Universität nicht schützen.

Dieser Beitrag hat 6 Kommentare

  1. André

    Es ist schon eine Schande, wenn man überlegt, dass man dafür auch noch Studiengebühren bezahlen darf…

  2. Michael

    Naja immerhin in ein paar Bundesländer werden diese wieder abgeschafft. Aber trotzdem ist es eine Frechheit das stimmt…

  3. Otto

    In Oldenburg werden die Werbe-Displays auf dem Campus einfach vehement übersprüht / überklebt…

  4. Alexandros

    Es ist wirklich erschreckend, dass für gute Ausbildung und Studium inzwischen immer mehr zur Kasse gebeten wird. Die im Umfeld entstehenden “Studienkredite” sind zwar eine verlockend klingende Sache, können aber auch direkt dafür sorgen, dass man verschuldet in die Zukunft startet. Bin auch gespannt, wie sich die gesamte Diskussion weiterentwickelt.

Schreibe einen Kommentar

*