Kaltstart am Freitag

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Ein Bericht aus der Akrützel-Redaktion

Von Christian Fleige




Fotos: Katharina Schmidt
Mag dieser Anblick auch einladend anmuten, …

Der Ball, den Adidas mehr oder weniger ästhetisch mit tiefschwarzen Sternen als Verweis auf seine anarchische Flugkurve versehen hat, wird von Ribéry nicht wie gedacht mit viel Effet dicht ans Tor, sondern an die Strafraumgrenze und auf den dort wartenden Robben geschlagen. Der nimmt den Verweis auf Herrschaftslosigkeit volley und nagelt ihn völlig humorlos ins untere linke Eck – und ich bin der Depp. Während Arjen sich mindestens eine Sportschau-Medaille verdient, sitze ich am Mittwochabend im Kreis der Redaktion und suche ein Titelbild für diese Ausgabe – again. Denn schon am Vorabend – die reguläre Sitzung findet dienstags statt – wurde unter diesem Motto palavert. Das Ergebnis war ein seitenfüllendes Porträt eines Comic-Schweins. Tragen sollte es eine 20-Jahre-Geburtstagsbrille.

Die prima Idee wurde zufrieden lächelnd durchgewunken, um dann am folgenden Tag direkt wieder eingestampft zu werden: Unser Chefzeichner Jojo muss am Wochenende in die Hauptstadt. Und da Jojo der Einzige in unserem Kreis ist, der schon im Kindesalter mit Essknete und ein wenig Spucke Pollock-Werke imitieren konnte, ging der Schaffensprozess am nächsten Tag angeschlagen in die zweite Runde. Das hart erkämpfte Ergebnis: irgendeine Hauswand, irgendwas Gesprühtes, bloß nichts Gezeichnetes. In meiner Retrospektive lesen sich die zwei Abende dann wie folgt: ein hoffentlich solides Cover und – mit Gumbrecht gesprochen – zwei verpasste sportliche Epiphanien.
Natürlich ist der dargestellte Verzicht kein heroischer, er geschieht ja freiwillig, aber vielleicht kann man vom Verpassten ja auf den Eifer schließen, mit dem die Mehrzahl bei uns zu Werke geht. Denn jeder zahlt Opportunitätskosten, manchmal überwuchern sie sogar den Ertrag.




… die Redakteure scheinen nicht mehr motiviert, …

Aber zurück zum Entstehungsprozess: Sind Cover gefunden und Artikel vergeben, beginnt das entspannte Warten auf das bedrohlich heraufziehende Redaktionswochenende, die grollende Deadline. Die „Schreibwerkstatt“ am Freitag ist unser Prolog. Erste fertige Texte sollen gelesen und besprochen werden. Und man kann an dieser Stelle, um die Tristesse dieser Veranstaltung vollends zu fassen, sogar mit dem völlig abgenutzten Carl Sandburg kommen, ohne sein Gesicht zu verlieren: „Stell dir vor es ist Schreibwerkstatt und keiner geht hin.“ Passt. Bingo.
Der Prolog wird also überblättert, das Redaktionswochenende kaltgestartet. Schädlich für Motor und Chefredakteur Philipp, aber der bekommt vom Stura auch eine üppige Entschädigung. Dafür muss er dann auch mit Leuten umgehen, die samstags einen Text schicken, der – freundlich formuliert – weit unter ihren Möglichkeiten liegt und einer ausgiebigen Korrektur bedarf. Doch wenn die neue Ausgabe montags in den Druck und der verantwortliche Redakteur an diesem Abend auf die Rolle geht, dann geht der Artikel flöten und Philipps Arsch auf Grundeis.
In diesen argen Momenten bewundere ich ihn. Er bleibt trotz dieser offenkundigen Beleidigung ruhig, während andere schon mit Fackel und Forke – ich favorisiere übrigens das Brandschatzen – durch die Gassen flitzen und den Schuldigen jagen.
Jeder kennt die Geschichte von den vielen Rädchen und ähnlich verhält es sich auch in der Redaktion. Baut einer Mist, müssen alle 50 Liegestütze und Sit-ups machen. Kameradschaft ist das Wort, an das ich denke, aber schreibe ich es an dieser Stelle, treibt mich die Redaktion am Ende kameradschaftlich durch die Altstadt. Es läuft auf jeden Fall ganz prima.
Liegt die Ausgabe schließlich aus, folgt der Epilog in Form von Klagen: Sven L. möchte KEIN Nazi sein. Und dann geht die ganze Nummer eigentlich auch schon wieder von vorne los.




… und so gibt sich auch der Chefred für einen Moment müde der Lethargie hin.

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