B-Seiten zu Ostern

  • Beitrags-Autor:
  • Beitrags-Kategorie:Allgemein
  • Beitrags-Kommentare:2 Kommentare

Hinter den Kulissen des „cellu l‘art“

Von Kay Abendroth




Foto: Katharina Schmidt Öffnet zumindest für ein paar Tage wieder seine Pforten: das Capitol.

Christoph sitzt auf einem schwarzen Ledersessel und isst sein mitgebrachtes Abendbrot zu Ende. Für ein Essen zu Hause blieb heute keine Zeit mehr. Auf dem Sessel und der Couch daneben können drei Personen bequem sitzen. Heute sind es sechs. Die anderen Anwesenden finden auf Klappstühlen, Bürostühlen und freien Bürotischflächen Platz. Heute ist es voll. Eine Gehminute vom Capitol entfernt ist das kleine Büro in der Oberlauengasse wöchentlich der Versammlungsort für die Mitglieder des „cellu l‘art“-Festivalvereins. Heute am Ostermontag findet die vorletzte Sitzung vor dem elften Kurzfilmfestival statt.

Die ganze linke Seite des Raumes wird von fünf weißen Bücherregalen verdeckt, die bis an die Decke reichen. Drei dieser Regale sind komplett gefüllt mit nummerierten schwarzen Kartons: den Einsendungen aus zehn Jahren. Christoph Matiss studiert Medienwissenschaft, Anglistik und Psychologie und ist seit 2004 im Festivalverein in der Gruppe Programmatik. Alle für den Wettbewerb eingereichten Einsendungen werden von mindestens zwei Leuten aus der Programmatik gesichtet und vorsortiert. Von den etwa 270 rechtzeitig eingetroffenen Einsendungen fielen damit 170 raus. Die verbliebenen 100 Filme wurden beim Screening, dem ersten Höhepunkt der Vorbereitung, vorgeführt und von allen Vereinsmitgliedern bewertet. Die besten 35 schafften es ins Festivalprogramm und werden in fünf Wettbewerbsblöcken gezeigt.
Auf der Lehne des Ledersessels sitzt Jeanne-Charlotte Vogt. Sie studiert BWL-IKM mit Zielkultur Südostasien und ist „Frau Länderschwerpunkt“ des elften „cellu l‘art“. Im Verein war man dem Schwerpunkt Indien gegenüber wegen des gängigen Vorurteils, es gäbe nur Filme à la „Bollywood“, teilweise skeptisch eingestellt. Es wurde lange diskutiert, bis die Akzeptanz da war. „Mir lag es sehr am Herzen, wegen meines Bezugs dazu“, sagt Jeanne. So wurde es dann zum erklärten Ziel in diesem Jahr, den Besuchern den Blick über den „Bollywood-Tellerrand“ hinaus zu ermöglichen.
Auch die Kontaktaufnahme zu indischen Filmemachern ist schwierig. „In Asien läuft das Meiste generell über persönlichen Kontakt“, weil dadurch „eine größere Verbindlichkeit“ entstehe. Der Länderschwerpunkt stand deshalb lange auf „wackeligen Beinen“. Bei der letzten Kulturarena in Jena traf Jeanne auf Annegret Richter, Leiterin des Filmfests Dresden, die wiederum von ihrem Vorgänger erzählt hat. Dieser hielt sich zu dem Zeitpunkt am Goetheinstitut in Delhi auf und leitete dort das Kulturressort. „Er war unheimlich nett und aufgeschlossen und hat mir gleich ein paar Namen genannt, ein paar Kontakte übermittelt, unter anderem Tina Lange vom ‚Asian-Hot-Shots-Festival in Berlin“. Über diese Kontaktkette entstand die Verbindung zu den drei Kuratoren des Länderschwerpunkts. So hat das „cellu l‘art“ erstmals Kuratoren von außerhalb, die ihre Blöcke beim Festival vorstellen werden und auch als Ansprechpartner für das Publikum dienen sollen.
Durch die Kontaktsuche erfuhr auch Dr. Gloriana Gunarubini Selvanathan, Jurymitglied der Internationalen Filmfestspiele Tamil Nadu in Indien, vom „cellu l‘art“. Sie meldete sich daraufhin und ist jetzt ein Mitglied der Jury in Jena.
Probleme während der Vorbereitungen für das Festival sind „hauptsächlich finanzieller Natur“, sagt Robert Bußler, Vereinsvorsitzender und Student der Kommunikationswissenschaften. Die kreativen Vorstellungen müssen eben auch finanzierbar sein und so kommt es hin und wieder zu „Spannungen“ und „Reibereien“, die bislang aber immer gelöst werden konnten. „Das oberste Ziel ist es, dass wir erfolgreich dieses Filmfest hinkriegen.“ Den Veranstaltungsort für dieses Jahr zu finden war auch ein Problem, weil die Umbauarbeiten zum Hörsaal im Astoria nicht rechtzeitig abgeschlossen wurden und diese Räumlichkeit damit nicht mehr zur Verfügung stand. Nun wird das elfte „cellu l‘art“ dem alten Capitol für vier Tage wieder Leben einhauchen.
Das Kurzfilmfestival zu organisieren ist nicht nur eine Menge Arbeit. Neben dem Studium ist es Abwechslung zur Theorie und hat ganz praktische Vorteile. „Für mich war das eine total spannende Aufgabe, die mich in Kommunikation und dem Knüpfen von Netzwerken trainiert hat“, sagt Jeanne. Bei der Arbeit als Vereinsvorsitzender hat Robert gelernt „einfach mal loslassen zu können und darauf zu hoffen, dass die anderen das machen und dass es gut wird.“ Aufgaben abzugeben fällt ihm aber immer noch schwer. Robert erklärt die Sitzung nach etwa einer Stunde für beendet. Es bilden sich Grüppchen, in denen noch verschiedene Anliegen besprochen werden und dann verlassen die ersten das Büro. Jemand kommt mit einem blauen 5-Liter-Eimer aus Plastik zur Tür herein. Wenig später wird darin Tapetenkleister angerührt. Mit dem Eimer, zwei Tapetenpinseln, drei Rollen Festivalplakaten und drei Flaschen Wein gehen schließlich acht Vereinsmitglieder in die Ostermontagnacht, um weiter Werbung zu machen.
Auftakt-Open-Air, fünf Blöcke Wettbewerb, drei Blöcke Länderschwerpunkt, Preisverleihung, Party, B-Sides-Block, Preisträgerblock. Fünf Tage Festival gehen schnell vorüber. Sie sind der Höhepunkt von elf Monaten Vorbereitung.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

*