„Aktiv zuhören und mitdenken“

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Interview mit den Stura-Referenten gegen Rechtsextremismus

Das Gespräch führte Philipp Böhm




Foto: Philipp Böhm


Vor etwas mehr als einem Jahr wurde das Stura-Referat gegen Rechtsextremismus gegründet. Die beiden Referenten Justus Geilhufe und Berengar Lehr sprachen mit Akrützel über vergangene Probleme, umstrittene Aktionen und die aktuelle Situation in Jena.



In Sonneberg wurden im November ein Kreistagsabgeordneter und sein Bruder von Neonazis attackiert, jetzt haben die Rechten für den 1. Mai eine Demonstration in Erfurt angekündigt. Erleben Rassismus und Fremdenfeindlichkeit gerade einen Aufschwung in Thüringen?

Berengar: Die Einstellungen bestehen nach wie vor – daran hat sich nichts geändert. Ich denke aber, dass nachdem der Kampf um die Parlamente offensichtlich verloren ist, viele Nazis zu dem zurückkehren, was sie am besten können: nämlich Gewalt gegen Andersdenkende und anders Aussehende.

Justus: Man muss aber auch sagen, dass Thüringen innerhalb der neuen Bundesländer eine Ausnahmerolle spielt. Im Gegensatz zu Ländern wie Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsen ist Thüringen eines der Länder, die vergleichsweise wenig rechts motivierte Straftaten aufweisen. Obwohl Thüringen für Nazis nach wie vor wichtige Rückzugsorte wie beispielsweise das Schützenhaus in Pößneck bietet.


Ihr seid als Referat vor allem an der Uni aktiv. Was kann ich als Student gegen Nazis tun?

Justus: In Jena hast du ein unglaublich weit gefächertes Spektrum an Möglichkeiten, dich zu engagieren: Das reicht von unserem Referat über das Netzwerk für Demokratie und Courage und das Aktionsnetzwerk bis hin zur JG, die auch sehr viel in diesem Bereich arbeitet, und diversen Antifa-Gruppen.

Berengar: Ansonsten finde ich es immer wichtig, im Alltag Augen und Ohren offen zu halten, sich zu fragen: Was sind das für Leute, was haben die für Meinungen? Der erste Schritt gegen Rechtsextremismus ist immer, dass man aktiv zuhört und mitdenkt.


Euer Referat stand zuletzt auch in der Kritik. In der Debatte um die „Unique“ habt ihr sehr deutlich Stellung bezogen, was vielen auch missfallen hat. Unter anderem wurde euch da ein „persönlicher Kleinkrieg“ vorgeworfen …

Berengar: Diesen „persönlichen Kleinkrieg“ habe ich in Form von Beleidigungen und Gewaltandrohungen im vergangenen halben Jahr deutlich zu spüren bekommen. Wichtiger ist jedoch die politische Sache: Und da hat sich gezeigt, dass es ganz viele Menschen gibt, die nicht verstehen konnten, dass da etwas Gefährliches passiert war. Diese Uneinsichtigkeit bedauere ich sehr.


Viele Leute sind ja prinzipiell gegen Nazis, können aber beispielsweise mit dem „radikalen Widerstand“ nichts anfangen. Oftmals hört man auch den Satz: Die Linken sind ja auch nicht besser…

Berengar: Wir müssen uns damit auseinandersetzen und es ist natürlich ein Problem, wenn z.B. Begriffe wie „Antifaschismus“, was ja eigentlich nur bedeutet gegen Faschismus zu sein, mit Ängsten und Sorgen aufgeladen werden. Diese Gleichsetzung verurteile ich vor allem dann, wenn sie auf bloßem Hörensagen beruht. Ich kann nur sagen: Bei uns im Referat werden keine Autos angezündet und auch keine Mollies geschmissen.


In Jena wurde im vergangenen Jahr das „braune Haus“ geräumt. Ist das als Erfolg zu verbuchen?

Justus: Das ist erstmal eine Immobilie weniger, die Nazis nutzen können. Solche Häuser bedeuten immer einen völlig abgeschotteten Rückzugsraum, in den man so ohne Weiteres nicht reinkommt. Das birgt natürlich Rekrutierungspotential. Rein pragmatisch ist das dann natürlich ein Erfolg. Aber nur weil das Haus nicht mehr da ist, heißt das nicht automatisch, dass seine ehemaligen Bewohner nicht mehr da sind.

Berengar: Man muss sich aber auch einfach mal anschauen, wie das gelaufen ist: Das war keine politische Aktion von Seiten der Stadt. Das lief im Endeffekt über irgendwelche Paragrafen, die fast niemand kennt, und das ist traurig, da die politische Auseinandersetzung fehlt.


Zuletzt gab es auch in Jena diverse „Outings“ von Nazis, wie z.B. Christian Weißgerber oder Nico Schneider (nico-packt-aus.tk). Geht das für euch zu weit?

Berengar: Wir haben ja auch am Markt der Möglichkeiten Flyer ausgeteilt und darauf den Studenten mitgeteilt, dass es Leute an der Uni gibt, die ganz eindeutig dem rechten Spektrum zuzurechnen sind. Und dabei handelte es sich eben um Leute, die nicht nur einmal auf einer Demo waren, um sich das mal anzuschauen, sondern selbst auf Kundgebungen Hasstiraden schwingen.

Justus: Natürlich ist das eine sehr heikle Diskussion, ob man diese Menschen aus ihrer Anonymität holt. Ich halte es jedoch für wichtig, dass man Nazis eben kein ruhiges Hinterland gibt.

Berengar: Hier ist es wichtig zu unterscheiden: Es ist etwas vollkommen anderes, wenn die E-Mails einer Person gehackt werden, als wenn ich öffentliche Informationen über eine Person, die öffentlich auftritt, verbreite. Letzteres finde ich vollkommen legitim und notwendig. Das andere widerspricht unseren Grundprinzipien. Ich habe bei der Debatte um die Mails immer gesagt: Leute, die Informationen sind da – wir können sie nicht ignorieren. Das macht übrigens in Deutschland kein Gericht anders.

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