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Jenas Literaturszene – zwischen „Open Mic“ und Autorenbühne

Von Anne Dünger




Foto: Katharina Schmidt Das Schreiben, das Schreiben – soll man nicht übertreiben – das kostet bloß Papier.
(Wilhelm Busch)

Wollte man Kosmos und Szene der jungen Literatur in Jena als Ganzes vorstellen, käme man aus dem Schreiben nicht mehr heraus: Eine Landkarte aus vielen Orten des Geschehens und einem dichten Netzwerk aus Vereinen, Veranstaltungen und einzelnen Autoren öffnet sich allen, die „lesen und schreiben“ als persönliche kreative Berufung sehen. Hinter der Vielfalt findet man jedoch bestimmte Namen immer wieder, die wie Landmarken die Karte definieren.

Unbekannte finden Gehör

Die „Lautschrift“ ist so ein Name, der besonders jungen Autoren in Jena ein Begriff ist. Seit den Anfängen 2006, als das Projekt von Studenten der FSU gegründet wurde, bietet die „Lautschrift“ ein Forum für Schreibende und eine Lesebühne für Literaten wie auch für literaturinteressierte Zuhörer. Schüler, Studenten und andere Jungautoren, die erste Erfahrungen mit der Öffentlichkeit machen wollen, haben hier die Möglichkeit, sich in monatlichen Lesungen im Kunsthof Jena in der Ballhausgasse vor kleinem Publikum auszuprobieren. Ihre Texte können sie anschließend im gleichnamigen Literaturheft veröffentlichen. So finden die noch unerfahrenen Autoren zum ersten Mal Gehör, und das literaturinteressierte Publikum kann auf regelmäßigen Veranstaltungen erleben, was im stillen Kämmerlein geschrieben wurde.
Geleitet wird die Lautschrift von den drei jungen Literaten Romina Voigt, Moritz Gause und Johannes Lange. Die Studenten sind mittlerweile auch überregional mit ihren Texten erfolgreich. Seit Anfang 2009 bilden sie den Vorstand der Lesebühne. Romina sagt mit einem hintergründigen Lächeln, dass der ungleiche Dreierbund der „sehr verschiedenen Poetenpersönlichkeiten“ es eigentlich ganz gut schaffe, ein breiter gestreutes Publikum von Schreibern und Zuhörern zu erreichen. Seit dem letzten Jahr hat sich das Profil der Lesebühne und der halbjährlichen Zeitschrift tatsächlich ständig erweitert: In Zukunft soll, so Romina, eine stärkere Mischung aus neuen Autoren und älteren Hasen der Lesebühne erreicht werden. Auch mit dem Jungen Literaturforum Hessen-Thüringen wurden im letzten Jahr so gute Kontakte geknüpft, dass die Zusammenarbeit dieses Jahr mit Gastlesungen intensiviert werden soll, deren Höhepunkt auch 2010 die Preisträgerlesung des Literaturwettbewerbs des Forums Hessen-Thüringen darstellt. Sie wird wieder im Café Wagner gehalten. Die übrigen Lesetermine finden seit 2010 regelmäßig im Kunsthof Jena statt. Seit Januar ist die „Lautschrift“ auch mit regelmäßigen Mitschnitten auf dem Radiosender „Offener Kanal Jena“ (OKJ) zu hören. Nach bisher nur wenigen geglückten Mitschnitten der Lesungen, so Romina, sind die Macher der „Lautschrift“ stolz, ihrem Publikum jetzt auch etwas zum Nachhören zu geben.
Die Lesebühne ist seit 2009 auch Bestandteil eines großen Literaturverbands in Thüringen – der Literarischen Gesellschaft Thüringen (LGT). Das ist positiv für beide Partner: „Lautschrift“ wird als offizielle Lesebühne der LGT Bestandteil eines festen Förderprogramms. Das holt das an sich studentische Projekt aus der finanziellen Schwebe und sorgt für Stabilität. Für die LGT ist der Einstieg der Lautschrift eine Verjüngungskur, die sie dringend braucht: Johannes Lange ist in diesem Jahr in den Vorstand der Gesellschaft aufgerückt. Er gehört zu den wenigen Studenten, die seit einigen Jahren das Programm der LGT auch für ein junges Publikum öffnen. Vorher lag das Durchschnittsalter der Mitglieder bei Mitte sechzig. Auch der „Lese-Zeichen“ e.V. ist eine feste Adresse für Autorenlesungen in Jena und Umgebung. In sein Programm fallen so gegensätzliche Veranstaltungen wie Leseabende im Schillerschen Gartenhaus und die „Frischfleischlounge“ im Kunsthof, eine Zusammenarbeit mit dem Theaterhaus Jena. Der Verein veranstaltet darüber hinaus in jedem Sommer eine kreative Schreibwerkstatt für junge Autoren ab 16 auf der Burg Ranis, einem weiteren Ort des „Lese-Zeichen e.V.“. Seit April 2009 ist eine hochkarätige Veranstaltungsreihe zum Programm des Vereins dazugekommen: „Spoken Words“ bringt in halbjährlichen Abständen die großen Namen der deutschen Lyrik- und Poetry-Slam-Szene auf die Bühne des Theaterhauses. Sie ergänzt die etablierten Poetry-Slam-Reihen „LiveLyrix-Literatursonntag“ im Kassablanca und das „Speaker‘s Corner“ im Café Wagner um die „Stars“ der deutschen Poesiemanege. Die bisherigen Veranstaltungen waren sämtlich ausverkauft.

Poesie heißt „Performance“

Der livelyriX e.V. ist neben dem „Speaker‘s Corner“ im Wagner die älteste Veranstaltungsreihe dieser Art in Jena. Der Verein organisiert seit 2005 die überregionale Poetry-Slam-Szene von Jena, Leipzig und Dresden. Er bietet genau wie die Lautschrift eine Bühne für neue und professionelle Autoren, mit dem Schwerpunkt frei vorgetragener Texte – Poesie ist hier auch „Performance“. Darüber hinaus werden Poetry-Slam-Workshops für Schüler angeboten, der Verein ist außerdem Mitveranstalter des Dresdner Literaturfestivals „Literatur Jetzt!“, das die junge Literaturszene Deutschlands auf die Bühne holt.
Seit 2007 veranstaltet auch der FSR des Instituts für Germanistische Literaturwissenschaft einen Wettbewerb, bei dem bisher immer wieder junge Studenten kleinere Preise mit der Chance auf Veröffentlichung ihrer Texte gewinnen konnten. Auch Romina hat dort bisher schon zweimal die höchsten Preise der Jury gewonnen – sie wird dieses Jahr zum ersten Mal im Rahmenprogramm der Leipziger Buchmesse lesen.

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