Radikal vs. pragmatisch

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Zwei Meinungen zum Bildungsstreik

Von Philipp Böhm / Johannes Wander

Der Bildungsstreik ist gescheitert. Er ist gescheitert, wenn sich Studenten mit ihren Forderungen auf minimale kosmetische Änderungen an ihrer Hochschule beschränken. Er ist gescheitert, wenn Hörsaalbesetzer auf die „Vernunft“ der Landesregierung und der selbsternannten geistigen Elite vertrauen. Er ist gescheitert, wenn sich die gesamte Bewegung mit ein paar mageren Häppchen wie der Abschaffung der Anwesenheitspflicht abfindet und darüber den Rest der langen Liste vergisst.
Dass einem dynamischen Protest mit halbgaren Vertröstungen die Luft aus den Segeln genommen wird, hat fast schon traurige Tradition in der Bundesrepublik. Der letzte kämpferische Funken in den Protestlern schwindet spätestens, wenn Kultusminister und Hochschulrektoren mit ihrem „Verständnis“ behutsam und sanft den Geist des Aufruhrs niederschlagen. Überhaupt ist „Verständnis“ dieser Tage ein sehr beliebtes Wörtchen, das bei Diskussionen über Bologna-Reform und Hochschulmisere den verschiedenen Anzugträgern über die Lippen kommt: Verständnis für die Kritik, für die Forderungen, manchmal sogar Verständnis für die Besetzung von Hörsälen.
Und bei dem großen Haufen an Verständnis, das ihnen von allen Seiten entgegengebracht wird, bemerken viele der Bildungsstreik-Aktivisten nicht, dass ihr Protest gegen die Wand läuft.

Radikal: Alles eine Frage der Machtverhältnisse

Denn Rektoren, Prorektoren und Minister mögen sich vielleicht gerne mal an einer Diskussion beteiligen – ändern müssen sie deshalb aber noch lange nichts. Um ihre Forderungen tatsächlich durchsetzen zu können, fehlen den Studenten die Druckmittel. Denn was ist schon ein besetzter Hörsaal 4 gegenüber einer komplett lahmgelegten Uni? Aber diese Druckmittel erreichen sie nicht, wenn sie den Blick über den Tellerrand scheuen und sich stur auf ihre Universität konzentrieren.
Die Strategie, mit möglichst moderaten Forderungen die kooperative Schiene zu fahren, geht nicht auf, da die Machtverhältnisse einfach nicht für die Studenten sprechen.
Wenn es der Bildungsstreik nicht schafft, die tiefer liegenden Ursachen des Wahnsinns namens Bologna zu nennen und damit zu einer breiten gesellschaftlichen Bewegung zu werden, wird sich auch an diesen Verhältnissen nichts ändern – und er wird sang- und klanglos untergehen.

Zeichnung: Michael Linke

Der Bildungsstreik ist gescheitert. Er ist gescheitert, wenn Studenten Hörsäle besetzen, ohne mit der Unileitung reden zu wollen. Er ist gescheitert aus sich selbst heraus, in der Annahme, eine legitimierte Studentenvertretung zu sein und für alle zu sprechen.
Der Bildungsstreik als Bewegung hat in erster Linie ein Problem: Er will zu viel. Wer alles umstürzen will und somit den erforderlichen Blick für den Anfang und das Ergebnis eines Prozesses verliert, wird untergehen. Einige wenige, konkrete Forderungen sollten herausgearbeitet und von Anfang bis Ende konsequent vertreten werden (und vielleicht nicht „Bologna abschaffen!“ lauten). Dabei sollte man besondere Rücksicht darauf nehmen, allgemeine Interessen anzusprechen und keine Nischenpolitik zu betreiben.

Pragmatisch: Konkrete Forderungen müssen her!

Hier liegt das zweite zentrale Problem des Streiks: Er aggregiert die Meinungen der Mehrheit der Studenten nicht und erfährt aus diesem Grund letztlich auch keine hinreichende Unterstützung. Daraus resultiert die nächste Schwierigkeit: Kaum jemand steht hinter dieser Bewegung. Wenn der Bildungsstreik erfolgreich sein will, muss er die große Masse der Studenten hinter sich bringen. Dann braucht man letzten Endes auch keine Horsäle besetzen und legitimiert sich, wie es die Besetzer auch dieses Mal gerne gehabt hätten, dadurch, dass man für die Mehrheit und nicht für eine kleine Minderheit steht. So könnte man sich mit seinen Zielen auch einfach in den Stura oder die Fachschaftsräte wählen lassen und sich auf diesem vielleicht nicht ganz so aufregenden, aber effizienten Wege verwirklichen.
Der Streik darf auch nicht zu einem Happening à la „wir wollen auch mal `68“ mutieren. Wenn der Eindruck entsteht, es gehe um das Streiken um des Streikens willen, läuft ganz klar etwas schief.
Letztendlich stellt sich eine grundsätzliche Frage: Steht die Mehrheit der Studenten überhaupt hinter der grundlegenden Bologna-Kritik? Der durchschnittliche Kernfach+Ergänzungsfach-Student hat an der FSU nach Musterstudienplan wohl nie mehr als 30 SWS Uni und liegt damit ein bisschen über Teilzeit. Warum sollte das nur Chuck Norris schaffen?

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