Die große Gleichgültigkeit

  • Beitrags-Autor:
  • Beitrags-Kategorie:Allgemein
  • Beitrags-Kommentare:0 Kommentare

Der Stura kämpft mit chronischem Desinteresse der Studenten

Von Dirk Hertrampf

Nur selten sind Stura-Sitzungen noch so gut besucht. Foto: Christoph Worsch

„Wir sollten hier ein Schild aufstellen wie das im Bundestag, nur auf Jena gemünzt: ,Dem Jenaer Studenten‘.“ Die Mundwinkel von David Schinkel, Vorstandsmitglied des FSU-Sturas, zucken, während er diesen wohl nicht ganz ernst gemeinten Vorschlag zur Verbesserung der Außenwirkung des Sturas vorbringt. Vielleicht sind solch drastische Werbemaßnahmen nicht so abwegig, wie es auf den ersten Blick den Anschein hat, denn 20 Jahre nach seiner Gründung steckt die Institution in der Krise. Eine Wahlbeteiligung von zwischen 15 und 20 Prozent und der generelle Verlust von studentischer Mitbestimmung sind nur die eine Seite.

Ein Image-Problem

„Wir stecken in einem Teufelskreis: Wir haben zu wenig engagierte Studenten, besonders außerhalb der eigentlichen Gremienarbeit. Deswegen liegen viele Projekte brach oder schlafen ein, sodass die Studenten den Eindruck bekommen, der Stura würde nichts für sie tun, und deswegen gibt es noch weniger, die sich engagieren wollen“, meint David.
Die Punkte, bei denen es im Stura krankt, scheinen klar zu sein, aber um diese effektiv zu bekämpfen, fehle es an anpackenden Händen und eifrigen Köpfen. Dazu kommt ein weiteres Problem: Das oberste Gremium studentischer Interessenvertretung wird von vielen Studenten als bürokratisch und nicht transparent eingeschätzt. Anna-Luise Friedich, ehemaliges Mitglied des Stura-Vorstands, bestätigt dies : „Es besteht ein Informationsdefizit zwischen Stura und Studenten.“
„Aber ohne Regelwerk wäre es wie im Zoo – alle Affen brüllen durcheinander“, sagt David dazu. „Um bei Meinungsverschiedenheiten die Kontrolle zu behalten, ist eine Geschäftsordnung notwendig.“
„Aber wie viel Zeit verschwende ich für genaue Satzungen?“, fragt sich dagegen Stefan Grundmann, ebenfalls Stura-Vorstand, jedoch an der Fachhochschule Jena. Der Stura der FH war letzte Legislaturperiode medienwirksam zu Grabe getragen worden. Die Aktion hatte Erfolg – in die neue Wahlperiode startet der Stura mit 16 Mitgliedern.
„Wir reagieren nun stärker auf konkrete Probleme der Studierenden. Mehr Demokratie an der Hochschule ist wichtig, aber man kann Probleme auch ohne Mitspracherecht lösen“, fügen Stefans Amtskollegen Nadine Preiß und Tommy Wilsdorf hinzu.
Dieser Kommentar offenbart die grundsätzlich verschiedenen Arbeitsweisen und das unterschiedliche Selbstverständnis der beiden Jenaer Sturas: Während der FH-Stura auf flexible Satzungsauslegung, lockere Sitzungen und konkrete Projekte setzt, sieht sich der Stura der FSU eher als Gremium, das sich bei grundsätzlichen Fragen, wie etwa der nach Studiengebühren, im Sinne der Studenten positioniert und durch Ausweitung seiner Kompetenzen in anderen universitären Gremien und Komitees die Studiensituation langfristig verbessern will. Inhaltliche Arbeit und die direkte Förderung von Projekten sind hingegen Sache der Referate. In diesen Referaten und Arbeitskreisen sitzen häufig Nichtgremiumsmitglieder, die sich mit den einzelnen Projekten identifizieren. Leider geht so aber zum Teil die studentische Wahrnehmung dafür verloren, dass hinter all diesen Projekten der Stura steht und nicht nur das einzelne Referat. Auch wenn der Stura weiß, was seine Referate tun, der Student selbst erfährt davon wenig.
Auch Daniel Schmücking vom Institut für Politikwissenschaft ist der Ansicht, dass der Stura seine Öffentlichkeitsarbeit überdenken sollte: „Es sollten mehr Projekte bearbeitet werden, die eine breite Masse von Studenten und nicht nur einen kleinen Kreis betreffen. Beispielsweise sind die überfüllten Hörsäle und Mensen ein Problem, das man angehen und dessen Lösungsvorschläge man dann klar kommunizieren müsste. Der Stura ist die Vertretung aller Studenten, er sollte deshalb auch eine Politik machen, die die Mehrheit der Studenten betrifft.“ Schmücking beschäftigt sich schon seit einiger Zeit intensiv mit dem Thema politischer Kommunikation. Seiner Ansicht nach könnte der Stura auf diesem Weg mehr Studenten erreichen und auch seine Arbeit besser vermitteln.

Keine Kontinuität

Das sind jedoch nicht die einzigen Probleme: Außerdem macht dem Vorstand die hohe Fluktuation zu schaffen, die eine kontinuierliche Arbeit erschwert. Christoph Pregla, ebenfalls Stura-Mitglied, meint hierzu nur: „Vorstand zu sein ist so aufwendig und es ist unbezahlt – wer das mal gemacht hat, macht es nicht ein zweites Mal.“ Damit legt er die Finger gleich in zwei Wunden: Das Problem des Personenwechsels ist so alt wie die Institution Stura selbst, ein Patentrezept ist nicht in Sicht und zugleich steht damit die Frage nach der Würdigung des Engagements im Raum. Reicht ein Aufschieben der Langzeitstudiengebühren und die Vergabe von Freisemestern oder sollte die Stura-Arbeit direkt mit barer Münze vergolten werden?Neben den Problemen einer angemessenen Öffentlichkeitsarbeit und der hohen Personalfluktuation gestaltet sich besonders der Umstand für die Stura-Vorstände schwierig, als politisches Gremium eine Balance zwischen Neutralität und Parteienpolitik zu finden. Der FH-Sturavorstand grenzt sich klar von Parteien ab: „Wir sind politisch, aber nicht parteipolitisch“, sagt Tommy. David Schinkel dagegen sieht das Verhältnis des Uni-Sturas zu den großen politischen Parteien eher als System von „Zuckerbrot und Peitsche“: „Wer uns hilft, der nützt uns, und wer nicht, mit dem arbeiten wir nicht.“ Die Wahrheit liegt wohl in der Mitte und damit in der Balance zwischen starren Programmen und pragmatischen Lösungen im Sinne der Studenten, denn darin sind sich beide Stura-Vorstände anscheinend einig: „An erster Stelle steht für uns das Wohl der Studenten und die Verbesserung der Studienbedingungen.“

Schreibe einen Kommentar

*