Traditionstheater in der Provinz

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Jungjournalisten bestaunen die Jungfrau in Meiningen

Von Maria Hoffmann




Der Zuschauerraum des Meininger Theaters in neuem Glanz mit blauen Sitzpolstern wie zu Herzog Georgs Zeiten.
Foto: Maria Hoffmann

Abseits der A4, der kulturellen Perlenkette Thüringens, gibt es im Süden unseres Freistaates einen Ort, der bisher nur Kulturkennern bekannt ist: Meiningen. Zentrum des kulturellen Lebens der kleinen Stadt ist ihr frisch saniertes Theater. Dorthin führte der diesjährige Recherchewandertag des Deutschen Journalistenverbandes. Etwa zehn junge Journalisten aus Thüringen hatten so die Möglichkeit hinter die Kulissen zu schauen.

Schon beim Betreten verbreitet es eine derart erhebende Stimmung, dass man sich gleich einen Kopf größer fühlt. Wir werden von der Pressesprecherin Brigitte Zugmaier empfangen und in den mächtigen Pausensaal geführt. Wo abends die Besucher für ihr teures Glas Sekt anstehen, weiht uns Ansgar Haag, der Intendant des Hauses, in dessen Geschichte und seine Pläne für die Zukunft ein.

Botschaften statt Nackter

Georg der Zweite sei ein Verrückter gewesen, erzählt er. Mitte des 19. Jahrhunderts übernahm der als Reformator des Theaters Bekannte die Regentschaft des Herzogtums Sachsen-Meiningen. Mit seinen Holzgeschäften finanzierte er sich in Form dieses Theaters ein außergewöhnliches Hobby. Doch Theater nach den eingefahrenen Mustern der Zeit zu machen, reichte ihm nicht aus. Gesamtkunstwerke sollten die Vorstellungen sein. Bühnenbildner und Regisseur tragen dazu genauso bei, wie der Schauspieler selbst. Georg der Zweite würdigte diese beiden Berufe und hob sie zu Recht auf den Sockel des Künstlerischen. Damit machte er Meiningen zu einem innovativen kleinen Städtchen, was das Theater betrifft. „Meiningen lebt von der diktatorischen Verrücktheit dieses Mannes“ bestätigt Haag. Wie ein alles überwachender Vater blickt er währenddessen von einem riesigen Gemälde am Kopf des Saales auf uns herab. Ganz so, als würde er Haags Worte genau verfolgen. Seit 2005 leitet der neue Intendant die Geschicke des Hauses. Die Innovationsfreudigkeit Georgs setzt er sich dabei zum Maßstab. „Wir möchten zukunftsträchtige Theaterpolitik machen“, sagt er dazu klar. Das Theater sei nicht nur zur Unterhaltung gedacht, sondern soll vor allem den politischen Geist anregen. Brecht kann Spaß machen, aber das mache seine Stücke bei weitem nicht aus. Die politische Botschaft sei das Entscheidende. Wie schon der streng dreinblickende Mann auf dem Gemälde steht Haag für das Regietheater ein. Etwas kämpferisch stößt er sich am schlechten Ruf dieser Form und will mit seinem Betrieb dagegen arbeiten: „Das ist mehr als nur Nackte und Leute, die auf die Bühne scheißen.“

Unter schwebenden Lasten

In dieser Stimmung und mit vielen emotional aufgeladenen Worten im Ohr überlässt er uns der Pressesprecherin Zugmaier und einem Kollegen, die uns nun das ganze Haus zeigen. 17 Monate lang hat es gedauert, bis das Meininger Theater von innen runderneuert war. Neue Technik und ein Zuschauerraum nach originalem Vorbild sollen großen Produktionen den Weg bereiten. Zusammen mit ihrem Kollegen Folkert Streich führt uns Brigitte Zugmaier durch die labyrinthartig verbundenen Gänge des Gebäudes und zeigt uns verborgene Ecken. Nebenbei begegnen uns hier und da Requisiten: Säbel, Gewehre, Krönchen und Taucherhelme. Im Bühnenbereich konnten wir sehen, was das Theater im Innersten zusammenhält. Computergesteuerte Maschinenzüge bewegen die massiven Bühnenteile. Bis zu 500 Kilogramm kann jeder einzelne Zug tragen. „Wenn man bedenkt, dass Theaterschauspieler auf der Bühne die einzige Berufsgruppe sind, die unter schwebenden Lasten ohne Schutz arbeiten darf, sollten diese Züge schon einiges halten können“, fügt Streich hinzu. Die Bühne selbst ist seit dem Umbau dreißig Meter lang. Um das zu erreichen, musste die Fassade des Hauses verschoben werden. Dadurch gewann das Theater auch einige Möglichkeiten für die Lagerung. Am Abend konnten wir Technik und Schauspiel des neuen Theaters in Aktion erleben. Es wurde Schillers „Jungfrau von Orleans“ gegeben. Eine katholische Heldengestalt wird zur politischen Kämpferin gegen Unterdrückung durch fremde Machthaber. Bloße Unterhaltung, wie sie Intendant Haag vermeiden will, war diese Inszenierung beileibe nicht.

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