Der alte Mann und der Funk

Zurück in die 70er mit Fred Wesley

Von Matthias Benkenstein

Foto: Flämig/Kulturarena

Eine Sex-Maschine ist er nicht. Fred Wesley denkt gar nicht daran, auf der Bühne herumzuhüpfen wie ein Ball – so wie James Brown es tat, der „Godfather of Soul“, mit dem Wesley jahrzehntelang musizierte. Der 67-Jährige aus Alabama erinnert an einen gemütlichen Opa, der am Grill steht und die Gäste unterhält. Nur dann und wann setzt er seinen wuchtigen Körper in Bewegung, steigt vom Barhocker und wendet nicht etwa Wurst, sondern bläst professionell in seine Posaune.

Fred Wesley und seine Band „The New JBs“ verwöhnen die Kulturarena an diesem verregneten Juliabend mit geschmeidigem 70er-Jahre-Soulfunk. Wer nicht zu den 1.300 Gästen auf dem Theatervorplatz zählt, verpasst Musik, die so lässig ist, so herrlich altmodisch, so techno-frei, dass man schnell mit ihr per Du ist.

Wesleys Wurzeln liegen unüberhörbar im Jazz. Die ellenlangen Stücke stecken voller Improvisationen und Tempowechsel. Es überwiegen schnelle nervöse Funk-Titel, die auch am besten klingen. Bei den ruhigeren Sachen macht es die siebenköpfige Band dem Publikum schwerer. Die Bandbreite reicht dort von schönen dunstig-schwülen Kuschelnummern bis hin zu triefenden Kitschnudeln.

Verstärkt wird der Improvisations-Charakter des Konzerts durch die vielen Solos, die alle zehn Minuten eingeflochten werden. Hier darf jeder mal ran: ob Wesleys Bläserkollegen an Trompete und Saxofon, die aus ihren Instrumenten gekonnt die funk-typischen schrillen Töne herauskitzeln, oder Dwayne Dolphin, dessen wummernd-quakender Bass an dicke zerplatzende Teerblasen erinnert.

Es macht dem Altmeister nichts aus, den anderen Musikanten den Vortritt zu lassen. Wenn er auf seinem Holzschemel sitzt, scheint er zu sagen: „Mir kann niemand mehr was vormachen.“ Wesley hat Spaß dabei, seine Bandkollegen mit „Huh“, „Come on“ und „Yeah“ anzufeuern. Dazu trommelt er mit der linken Hand auf seinem Oberschenkel. Den Kopf bewegt er ruckartig und ungelenk hin und her. Er sieht aus wie ein in die Jahre gekommener Bill Cosby, das Publikum muss schmunzeln.

Überhaupt steht der Spaß an diesem Abend im Vordergrund – sei es beim Spielen und Improvisieren, sei es bei den Schwätzchen innerhalb der Band oder bei Gesprächen mit dem Publikum. Noch bevor das erste Lied richtig losgeht, mokiert sich Posaunist Wesley mit seinem Trompeter erst mal ausgiebig über das dünne, blondierte, nicht mehr junge Frauchen, das in interessanten Netzstrümpfen dahergestelzt kommt und Handyfotos macht.

Zwei Stunden voller Späßchen und Schwätzchen später ist das Konzert auch schon wieder zu Ende – fast. Statt „Zugabe, Zugabe“ rufen die Kulturarena-Gäste an diesem Samstag „Party, Party“. Die Band hatte sie zuvor mit dem Mitsingstück „House Party“ noch einmal in Feierlaune versetzt. Das ausdauernde Schreien und Jubeln hat Erfolg. Die 70er-Jahre-Party wird um zehn Minuten fortgesetzt.

Schreibe einen Kommentar

*