Die Kunst des Ausverkaufs

„Exit Through the Gift Shop“ – Banksy bringt Street Art ins Kino

Von Marietta Kahle




Ab dem 18. November wird der Film im Lichthaus in Weimar gezeigt.

Foto: banksy.com

Wer ist Banksy? Wenn man hofft, der Kinofilm „Exit through the gift shop“ des geheimnisumwitterten Street Artists Banksy gibt eine Antwort auf diese Frage, wird man enttäuscht. Stattdessen fragt man sich vielmehr: Wer ist Mr. Brainwash? – und sieht eine selbstironische Parabel über Realität und Fiktion, Kunst und Kommerz.

Es wird der Aufstieg zweier heutiger Stars der Kunstwelt erzählt, deren beider Biografien in der Szene der Street Art verwurzelt sind, sich kreuzen, sich ein Stück miteinander entwickeln und sich dann diametral gegenüberstehen: Im Mittelpunkt steht besagter, nicht minder mysteriöser Mr. Brainwash, Thierry Guetta mit bürgerlichem Namen. Ein nach Los Angeles ausgewanderter Franzose, der zufällig in die halbillegale, zwischen Kriminalität und Kunst balancierende Szene der Street Artists von L.A. gelangt. Diese anfangs als Dokumentarfilmer mit einer kleinen Handkamera begleitend, trifft er irgendwann auf den sagenumwitterten Banksy, wohnt dessen steilem Aufstieg in die etablierte Kunstwelt bei und will es selbst zu Ruhm bringen. In aller Bescheidenheit inszeniert Guetta seine größenwahnsinnige Ausstellung „Life is beautiful“ als „Revolution“ der Kunstwelt und sich selbst als Genie, das quasi über Nacht zum Künstler wird – Mr. Brainwash ist erschaffen. Zur Sicherheit stellt er
aber lieber noch ein paar
Bildhauer, Zeichner, Kuratoren und Photoshop-kundige Studenten ein, damit seine „Kunst“ auch schön fließbandmäßig produziert, vervielfältigt und überhaupt erst realisiert werden kann.
Und Banksy? Der taucht auch auf. Gleich zu Beginn, mit unkenntlich gemachtem Gesicht, verfremdeter Stimme, im schwarzen Pullover, Kapuze tragend. Kommentiert den Film, der anfangs eine eher konservativ gemachte Dokumentation über das Lebens Guettas zu sein scheint. Auf verwackelten Bildern aus der Perspektive von Guettas Handkamera wohnt der Zuschauer nebenbei auch dem unglaublichen Durchbruch Banksys 2006 mit seiner Ausstellung „Barely Legal“ in Los Angeles bei.

Bissige Satire

So weit, so gut – das Ganze kippt jedoch spätestens bei Guettas alias Mr. Brainwashs anmaßender „Warhol ist tot, aber ich lebe ja“-Aussage, wo der Dokumentarfilm sich immer mehr als bitterböse Satire entpuppt. Und vor allem: Wer ist jetzt eigentlich dieser Mr. Brainwash? Gespickt mit Kurzinterviews von Ausstellungsbesuchern und eingeblendeten Zeitungsschlagzeilen entwickelt Banksy zunehmend ein Verwirrspiel zwischen Realität und Fiktion: Das Ganze wird so bissig und überspitzt, dass man zu Ende des Films nicht sicher ist, ob es diesen Mr. Brainwash als Künstler nun wirklich gibt oder ob er nur ein weiteres Kunstwerk und ein selbstparodistischer Coup Banksys ist. Soviel jedoch ist sicher: Guetta/ Mr. Brainwash ist das Negativ-Alter-Ego Banksys, die Verkörperung der Kommerzialisierung der Kunst. Das Absurde: Banksy ist maßgeblich am Erfolg Guettas als Mr. Brainwash beteiligt, ja, ermutigt, fördert, erschafft ihn quasi als Künstlerperson. Der Hype um Guettas bzw. Mr. Brainwashs „Kunst“ ist natürlich eine ganz plakative Kritik an der Kommerzialisierung der Street Art im Allgemeinen, die immer häufiger, auch in ihrer Stilistik, zu Werbezwecken genutzt wird – nicht ohne eine gehörige Portion Selbstironie: Schließlich hängen sich Kunstsammler seit seinem Durchbruch 2006 neben Picasso und Paul Klee gerne mal einen echten Banksy an die Wand. Welcher Mensch sich nun aber hinter dem mysteriösen Pseudonym verbirgt, erfährt der Zuschauer – wider Erwarten – nicht. Gerade deswegen aber bleibt der große Street Artist trotz aller Berühmtheit so authentisch und glaubwürdig.

Schreibe einen Kommentar

*