Hilflos vor Halbwüchsigen

Erstes Praxissemester für Lehramtsstudenten mit Schwierigkeiten

Von Anna Zimmermann

Wenn Lehren zur Qual wird.
Foto: Katharina Schmidt

Dass universitäre Ausbildung lebensfern und exzentrisch ist und sich oft in heillosen Theorien verzettelt, ist wohl kein Geheimnis. Seit Jahren wird vielfach genau das bemängelt: Studenten hätten keine Vorstellung von echter Berufswelt, höchstens Praktika wären ein Mittel, um Praxiserfahrungen zu sammeln. Eine Integration ins Studium findet nur in Ausnahmefällen statt.
Eine dieser Ausnahmen ist das Praxissemester der Lehramtsstudenten, die nach dem neuen Jenaer Modell der Lehrerbildung studieren. Seit 2002 tüftele man an einer Möglichkeit, Schulpraxis in das Lehramtsstudium zu integrieren, berichtet Karin Kleinespel, die wissenschaftliche Geschäftsführerin des Zentrums für Lehrerbildung und Didaktikforschung (ZLD). Als man das Modell 2007 einführte schien die Lösung gefunden: Jeder Lehramtsstudent soll im fünften oder sechsten Semester ein Praxissemester absolvieren. Aufgaben des Praktikanten sind dabei Hospitationen, Assistenztätigkeiten und 20 bis 40 eigene Unterrichtsstunden je Fach. Alle zwei Wochen werden diese Aktivitäten in der Schule von Begleitveranstaltungen aufgearbeitet. In diesem Wintersemester wurden nun die ersten 177 Studenten an thüringische Schulen geschickt, in einem, wie Kleinespel selbst zugibt, „Experiment mit echten Menschen“.
Dass es dabei noch eine Handvoll Probleme gibt, kann Franziska, Lehramtsstudentin in den Fächern Deutsch und Philosophie, nur bestätigen: „Die Kommunikation zwischen Uni und Schule funktioniert nicht.“ Wenn Lehrer an Schulen nicht wissen, wer man ist, was man eigentlich dort zu suchen hat und wie lange man bleibt, fällt der Anfang schwer. Nach sechs Wochen Praktikum muss Franziska erkennen, dass sie zu einem weitaus geringeren Teil in das schulische Geschehen eingebunden wird als vorher erhofft. „Am Anfang hat sich keiner um uns gekümmert, man kam sich vor wie Ballast und musste sich Hospitationen regelrecht erbetteln“, erzählt sie resigniert. Bei vielen Lehrern scheint noch nicht angekommen zu sein, dass ab diesem Semester permanent Praktikanten an ihren Schulen sein werden.
Die Reaktionen der Lehrer sind umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass Schulen sich um Praktikanten bewerben müssen. Kleinespel erzählt, dass einige sich mit allen Mitteln dafür ins Zeug legten, Studenten in ihre überalterten Kollegien zu locken. „Eine Schule versuchte sogar mit einem Wohnheimplatz für Studenten zu werben.“ Damit spricht sie indirekt das nächste Problem an: Nur wenige der Praktikanten können in Jenaer Schulen unterkommen. Wer einen Platz in einer Schule in Weimar oder Erfurt zugeteilt bekommt, kann sich noch glücklich schätzen. Nicht ungewöhnlich sind Fahrtstrecken bis nach Ilmenau oder sogar Meiningen – und das, obwohl Kleinespel als gerade noch zumutbare Fahrtzeit etwa eineinhalb Stunden angibt. Die Geschäftsführerin macht auch klar, dass zum Beispiel Fahrtkostenerstattungen für den öffentlichen Nahverkehr unmöglich sind. In einer Informationsveranstaltung verweist Frank Ahrens, einer der Hauptkoordinatoren des Praxissemesters, dazu auf das Referat für Lehrämter.
Dort hat man jedoch schon mehr als genug zu tun: „Vieles, das eigentlich Aufgabe der Universität wäre, wird auf die Fachschaften abgeschoben“, so Marcel Helwig, Ansprechpartner des Referats. Helwig weiter: „Problematisch ist auch, dass die Informationskette Student-Referat-Universität sehr schlecht ist.“ Ins Auge fällt den Referenten trotzdem der erhöhte Arbeitsaufwand in einzelnen Begleitveranstaltungen.

Unprofessionelle Dozenten

Auch Franziska verdreht die Augen, wenn sie von der Pädagogischen Psychologie, einem der fünf Begleitmodule, erzählt: „Ich weiß nicht, wie die sich das vorgestellt haben! An sich ist das ja alles eine gute Sache, der Umfang ist aber einfach unglaublich.“
Neben der Präsenzzeit an der Schule sind allein für dieses Fach unter anderem wöchentliche Protokolle, Beobachtungsaufgaben und schriftliche Ausarbeitungen zu theoretischen Fragestellungen anzufertigen. Die Aufgaben sind unpräzise formuliert, die lehrenden Dozenten nicht über die eigentlichen Anforderungen des Lehrstuhls informiert und die für die Notengebung relevanten Aspekte ungeklärt. In Bezug auf die Begleitveranstaltungen ist dies aber nicht das einzige Problem: Da die Modulverantwortlichkeit bei den einzelnen Lehrstühlen liegt, sind die Arbeitsaufträge unabgestimmt. So kommt es vor, dass für unterschiedliche Module ähnliche Arbeitsaufträge abzuleisten sind, was die Belastung der Studenten unnötig erhöht. Auch das Auftreten der Dozenten ist zum Teil unprofessionell. So sei der Verantwortliche für das Modul Forschungsmethoden zur einführenden Vorlesung auf den letzten Pfiff in den Hörsaal geschlendert – ohne vorher zu bemerken, dass weder Licht noch Mikrofon funktionierten.
Angehende Lehrer, deren zukünftiger Erfolg im Beruf von guter Organisation, intensiver Vorbereitung und Motivation durch anregende Arbeitsaufträge abhängt, sollten sich an all dem wohl besser kein Beispiel nehmen.
Selbstverständlich muss beachtet werden, dass das Praxissemester in diesem Jahr zum ersten Mal durchgeführt wird und die Koordination von dieser Masse an Studierenden zunächst geprobt werden muss. In den nächsten Jahren wird sicherlich einiges erfolgreicher verlaufen, aus Fehlern kann man schließlich lernen. Es wird vermieden werden längst exmatrikulierte Studenten auf Schulen aufzuteilen, weil niemand das ZLD über den Studienabbruch des Studenten informierte.
Auch die Probleme mit den Prüfungsämtern, die zum Beispiel während des Praxissemesters erbrachte Leistungen wie Latinumskurse nicht anerkennen, werden aus der Welt geschafft sein. Im besten Fall werden sogar Schulen und Universität endlich beginnen zusammenzuarbeiten und sich über gemeinsame Inhalte und Ziele des Lehramtsstudiums verständigen. Dass es wohl noch eine Weile dauern wird, bis all diese Verbesserungen umgesetzt sind, ist nur für die jetzigen Studierenden schade, die immerhin so wagemutig waren einen Studiengang zu studieren, der zu Beginn noch nicht einmal eine Studienordnung hatte. Vielleicht können sie sich wenigstens selbstgefällig auf die Schulter klopfen und sich als Wegbereiter einer wirklich guten Idee fühlen.

Allgemein

Eine Antwort auf Hilflos vor Halbwüchsigen

  • Eher schlecht recherchierter Artikel mit nur wenigen Wahrheiten. Nicht,dass ich das Praxissemester in den Himmel loben will (einige Sachen nerven mich auch total), aber von einer Studentin auf alle anderen zu schließen, ist doch sehr mutig. Uns geht`s bestens an der Schule und wir meckern nicht mal über unseren Fahrweg (der mit dem Zug gute 2 Stunden beträgt).
    Nur weil es eine Studentin nicht so gut mit ihrer Wahl getroffen hat, heißt das nicht,dass es allen so geht.
    Und: Nichts gegen den guten Dr.Jantowski. Das ist der Organisierteste von allen!!!

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