Gewohnheitsprotest

Widerstand gegen das vierte rechtsradikale “Fest der Völker”

Von Anne Dünger

Sitzen wir’s aus!
Foto: Florian Sokoll

Pa-ramm, pa-ramm, schleift das Bodenblech der Straßenbahn über den Kies im Gleisbett. Die Stimmung hat etwas von der vorfreudigen Aufgeregtheit bei Klassenfahrten. Aber die etwa 250 Menschen, die sich an diesem Morgen des 12. Septembers in der Enge der Straßenbahn drängen, werden nicht von Klassenlehrern zurechtgewiesen, sondern von Ordnern des Aktionsnetzwerks gegen Rechtsextremismus. Und begleitet werden sie auf Schritt und Tritt von den Sondereinsatzkräften der Polizei.
Anlass des Ausflugs ist wieder einmal das sogenannte „Fest der Völker“. „Wieder einmal,“ das ist auch ein dumpfes Bauchgefühl, das wohl nicht wenige der Demonstranten auf dem Weg zum Pößnecker „Schützenhaus“ begleitet, dem diesjährigen Ort des Nazitreffens. Zum mittlerweile vierten Mal fand das „FdV“ statt und etablierte damit nicht nur eine traurige Tradition der rechten Szene in Thüringen, sondern auch eine Tradition der Gegendemonstrationen und Sitzblockaden.
Noch am frühen Morgen hatten Brandsätze an der Zugstrecke und im Autobahntunnel der A4 die Reise nach Pößneck verzögert. Nach einer Irrfahrt über Straßenbahnen und den Göschwitzer Bahnhof stiegen schließlich gegen Mittag etwa 700 Menschen in Pößneck aus, die meisten davon aus Jena. Nach einer kurzen Wanderung in Richtung Schützenhaus und einem kurzen Sprint durch Polizeieinsatzkommandos hindurch wurde eine Kreuzung besetzt. Dann begann das Warten, Sitzen und Warten in den Sitzblockaden. Am Ende des Tages zählte man etwa 470 Teilnehmer des „FdV“, denen sich 800 bis 1000 Gegendemonstranten auf mehreren Veranstaltungen entgegenstellten und -setzten. 17 Menschen wurden von der Polizei kurzfristig in Gewahrsam genommen.
Das „Fest der Völker“, das anfangs in Jena großspurig auf ganze zehn Jahre angemeldet wurde, hat sich in den letzten zwei Jahren immer weiter in die Provinz zurückgezogen. Nach noch 1300 Teilnehmern in Altenburg 2008 wirkt das „FdV“ in diesem Jahr nur noch wie ein politisches Dorftreffen. Ein anderes Event der rechten Szene, das „Rock für Deutschland“-Festival in Gera, hatte Anfang Juli noch fast 4000 Anhänger aus ganz Europa angelockt. Die Sitzblockaden gegen rechts sind mittlerweile allerdings genauso in der bürgerlichen Mitte angekommen, wie die NPD es in den letzten Jahren auch von sich behauptet. Von einer „Verhinderung“ des „FdV“ wurde in diesem Jahr nicht laut gesprochen. „Wir werden den Nazis den Spaß an ihrem Fest verderben“, war der Motivationsspruch der Blockierer, und tatsächlich sah es so aus, als sei dazu nicht einmal viel Anstrengung nötig gewesen, auch wenn sich die einschlägigen rechten Webseiten redlich bemühten zu zeigen, dass sie sehr wohl „jede Menge Spaß“ gehabt hätten.

Hauptsache Spaß dabei

„Spaß haben“ gegen „Spaß verderben“ – wenn man sich die beiden Ansprüche von Nazis und Gegendemonstranten kritisch betrachtet, kommt wieder ein zwiespältiges Gefühl auf. Die kurze Zurschaustellung der politischen Meinung in Gegendemos und der „Meile der Demokratie“ der örtlichen Politik hat an diesem Tag niemanden so richtig überzeugt. Die beiden Hauptveranstalter der Gegendemonstrationen, die JG-Stadtmitte Jena und das Aktionsnetzwerk, hatten sich im Vorfeld zerstritten und mieden einander, wenn nicht gerade Lothar König spitze Kommentare von seiner Gegenveranstaltung in Richtung der Sitzblockaden schickte. Auch die Nazis und ihre Gegner bekamen einander an jenem Tag nur selten zu sehen und kümmerten sich auch recht wenig darum, was der andere jeweils tat. Es war auf Seiten der Gegenveranstaltungen schon fast ein selbstgerechtes „Sich-Wohlfühlen damit, Recht zu haben“, was an Stelle der „besseren Argumente gegen rechts“ trat. „Spaß“ schien die wichtigste Motivationsgrundlage zu sein, beim Sitzen im Eiscafé an der Ecke hinter den Sitzblockaden machte sich Gemütlichkeit breit. Aber, und das war das Dilemma: Politisch gesehen war der Spaßfaktor der Veranstaltung ein dünnes Eis. Die gute Laune der Demonstranten konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass gute Argumente gegen rechtes Denken dieses Mal nicht zu hören waren. Das Gefühl, wieder einmal die eigene Stimme und das eigene Sitzfleisch gegen rechts eingesetzt zu haben, verhallte angesichts des Bewusstseins, dass man an der politischen Meinung des Gegners und wohl auch vieler Menschen insgesamt durch diesen Tag wieder einmal nichts geändert hatte. Und schließlich konnte man sich ganz gut denken, dass auch die Rechtsextremen auf der anderen Seite der Polizeisperre sich in ihrer Meinung demonstrativ und ungestört wohl fühlen durften. Am Ende des Tages, als die letzten Gegendemonstranten den Zug nach Hause betraten, waren es wieder nur die SEK-Kräfte mit ihren grimmigen Gesichtern, die den Eindruck eines „netten, sonnigen Tagesausflugs“ auf den Boden der Tatsachen zurückholten. Schon auf dem Weg zurück nach Jena schlich sich der Gedanke ein, dass all die Anstrengungen gegen Rassismus und Intoleranz und für die gelebte Politik, die als Grundgedanken des Aktionsnetzwerks und der linken Gegenbewegung gelten, ein wenig in Stocken geraten sind. Wir haben uns schon zu sehr aneinander gewöhnt.

Schreibe einen Kommentar

*