Der Zweck heiligte die Mittel

Diskussion um NS-Vergangenheit eines Jenaer Reformpädagogen

Von Matthias Benkenstein

Reformpädagoge Peter Petersen
Foto: Jenaplan-Archiv

Er war schon nach Adolf Hitler benannt und auch nach Karl Marx. Seit der Wende trägt der Jenaer Platz zwischen Arbeitsamt und Seidelparkplatz den Namen Peter Petersens. Jetzt ist ein Streit darüber entbrannt, ob der Platz erneut umbenannt werden soll. Denn Petersen (1884-1952) war nicht nur Reformpädagoge und Erfinder des sogenannten Jena-Plans, sondern auch Rassist und NS-Opportunist.
Angestoßen hat die aktuelle Diskussion eine Studie des Frankfurter Erziehungswissenschaftlers Benjamin Ortmeyer. Seine Arbeit beleuchtet das Leben von vier Erziehungswissenschaftlern, die nach dem Zweiten Weltkrieg großen Einfluss auf die Erziehungswissenschaften in der Bundesrepublik hatten: Eduard Spranger, Hermann Nohl, Erich Weniger und Peter Petersen. Im Zuge seiner jahrelangen Recherchen entdeckte er Aufsätze wieder, die deutlich wie nie die Nähe der vier Personen zur Nazi-Ideologie belegen.

„Peter Petersen war kein Nazi, aber er hat das Regime unterstützt – obwohl er es besser hätte wissen müssen“, sagte Ortmeyer anlässlich einer Buchvorstellung vorige Woche in Jena. So lobte der Reformpädagoge Adolf Hitler als „Erzieher des Volkes“ und fand anerkennende Worte für SA und SS. Er unterstützte die Eugenik-Gesetze des NS-Regimes und die militaristische Opferideologie. Zudem war er Rassist.

“Das Gesetz der Rasse”

1941 schrieb er: „Das Gesetz der Rasse ist ungeheuer streng und rächt sich an jedem, der es missachtet. Umso höher die Pflicht hochwertiger Völker und Rassen, ihr Erbgut und seine Kräfte heilig, und das ist dann rein, zu halten!“ Über die Juden äußerte er 1933: „Weil es dem Juden unmöglich sein wird, unsre Art innerlich mitzuleben, so wirkt er in allem, das er angreift, für uns zersetzend, verflachend, ja vergiftend und tritt alles in den Dienst seines Machtstrebens.“
Petersen habe zwar nicht im Ton des „Stürmers“ das Nazi-Regime unterstützt. Der akademische Ton habe sich aber mit dem des „Stürmers“ gut ergänzt – „so konnten verschiedene Kreise angesprochen werden“, sagte Ortmeyer. Peter Petersen sei ein Bindeglied zu den gebildeten und skeptischen Leuten im „Dritten Reich“ gewesen.
Die Enthüllungen des Frankfurter Wissenschaftlers lösten in den vergangenen Monaten bundesweite Diskussionen aus. Dutzende Schulen sind in Deutschland nach Petersen oder seinem Jena-Plan benannt. Im hessischen Weiterstadt wurde bereits beschlossen, die Peter-Petersen-Schule in Anna-Freud-Schule umzubenennen.
In Jena beschäftigte sich vorige Woche eine öffentliche Podiumsdiskussion in der Rathausdiele mit der Problematik. Hier trafen die Analysen Benjamin Ortmeyers auf die Sichtweisen und Erfahrungen ehemaliger Petersenschüler und angereister Verehrer des Erziehungswissenschaftlers. Viele von ihnen befürchten, dass der Ruf der Jena-Plan-Pädagogik (Grundgedanken: Gruppenarbeit, altersgemischte Klassen, selbstständiges Denken und Mitverantwortung) geschädigt wird und die guten Seiten Petersens vergessen werden könnten. Der Tenor lautete, dass sich Ortmeyer des Themas „zu emotional“ angenommen und Zitate aus ihrem Zusammenhang gerissen habe. Ein Podiums­teilnehmer sprach der Studie sogar ihre Wissenschaftlichkeit ab.
„Petersens rassistische Schriften haben mich erschüttert. Sein Opportunismus ist aber dem damaligen Zeitgeist geschuldet“, sagte ein ehemaliger Petersenschüler aus Berlin. Ein anderer fügte hinzu, dass die Nazis Peter Petersen verbogen hätten, schließlich höhle steter Tropfen den Stein.
Dem setzte der emeritierte Jenaer Historiker Jürgen John, der ebenfalls auf dem Podium saß, entgegen, dass sich Petersen eben nicht verbiegen ließ. „Er musste überhaupt nichts, sondern hat alles aus freien Stücken getan“, sagte John. Petersen wollte seine Schulidee mit dem Ziel einer Volksgemeinschaft verwirklicht sehen. Er habe Mittel gesucht und schließlich mit der SS zusammengearbeitet, um das zu erreichen.
Der Historiker gab aber zu bedenken, dass Erinnerungskultur nicht erst seit dem Fall des Jenaer Pädagogen problematisch sei. Auch Martin Luther, der großen Einfluss auf die Theologie hatte, habe sich oft antisemitisch geäußert. In der sogenannten „Reichskristallnacht“ an Luthers Geburtstag sei er sogar als „größter Antisemit“ bezeichnet worden. Dennoch forderte John, dass auch Benjamin Ortmeyer zu widersprechen sei, „der Petersen nicht nur mehr oder weniger berechtigt Charakterlosigkeit und pro-nationalsozialistische Aktivität vorwirft, sondern ihm auch eine durchweg reaktionäre Grundausrichtung und einen antidemokratischen autoritären Erziehungsstil unterstellt“.
Ortmeyer bekräftigte wiederum, nicht Peter Petersens reformpädagogische Ansätze angegriffen zu haben: „Die NS-Zeit darf aber auch nicht bagatellisiert werden.“ Eine Debatte über Petersens Pädagogik sei mindestens so wichtig wie eine über seine öffentliche NS-Unterstützung, so Ortmeyer. Er erinnerte auch an das Auftreten des berühmten Pädagogen nach dem Zweiten Weltkrieg. „Petersen kritisierte zwar Hitler, aber nur dafür, dass er seine Versprechen nicht eingehalten habe.“ Der Nationalsozialismus sei für ihn eine gute Idee gewesen, die nur schlecht umgesetzt wurde. Zitat Petersen: „[Stattdessen wurde] das Entgegengesetzte der so laut verkündeten Forderungen erreicht: die Zeugen einer Kultur von tausend Jahren für immer vernichtet, das Volksleben in seinen Grundlagen erschüttert und verwildert, das deutsche Volk rassisch verunreinigt und aufgelöst und politisch gegeneinander, alle gegen alle, aufgebracht, der letzte Rest einer Volksgemeinschaft durch Organisationen bedroht und fast in ihnen erstickt – überall eine bis zur völligen Substanzvernichtung vorgetriebene Auflösung des Volkes“.
Fazit des Frankfurter Wissenschaftlers: „Peter Petersen ist kein geeigneter Namensgeber mehr für Schulen“. Ob auch der Jenaer Petersenplatz umbenannt oder mit einem zusätzlichen kommentierenden Schild gekennzeichnet wird, wird auf der nächsten Podiumsdiskussion am 26. Oktober weiterdiskutiert. Die Entscheidung liegt letztlich beim städtischen Kulturausschuss.

Eine Antwort auf Der Zweck heiligte die Mittel

  • Um den Aufsatz von Herrn Ortmeyer zu verstehen, muss man ihn kennengelernt haben. Wir Studenten können daher alles bezeugen was sich in seinen Seminaren abspielt. Was Ortmeyer über Petersen geschrieben hat, stellt nicht eine Erneuerung innerhalb der Nationalsozialismusforschung dar. Ortmeyer will damit sagen, dass die Nazi-Rolle Petersen von den Deutschen verheimlicht wurde, weil die Deutschen immer noch Nazis sind. Diese Auffassung von Herrn Ortmeyer gegenüber der deutschen Gesellschaft, deutet er in seinen Seminaren an. Jeder, der nicht Jude ist wird von ihm verdächtigt.
    Vor einigen Semestern laß er uns die Gebote der Tora „Du sollst nicht töten“ vor, als ob wir Kriminelle wären. In der letzten Zeit führte Herr Ortmeyer kommunistische Literatur in seinen Seminaren ein. Wir sollten die Gedanken dieser Autoren ohne Widerreden akzeptieren, kritische Meinungen wurden von ihm sofort ausgeschaltet. Das gleiche tut er mit den Asta(-Studenten) er nutzt sie als Schutzschild aus. Ortmeyer unterrichtete sie darüber, dass die Goethe-Uni Nazi ist. In den Studentendemos (2009) hat er die Gewaltanwendung, seitens der Studenten unterstützt. Die Studenten zerstörten viele Bilder in Campus Westend. Aber dies ist nicht genug für Ortmeyer, er schreibt sogar in unserer Asta-Zeitung. Ich appelliere an seinen Verstand, er muss sich von den Kommilitonen distanzieren. Wir wollen nicht die Diktatur des Kommunismus in Deutschland. Ferner sollte er seine Propaganda gegen Deutschland beenden. Beweise liegen vor.

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