Mit dem Prof im Bett frühstücken

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Der Einsatz technischer Hilfsmittel an der FSU

Von Dirk Hertrampf, Johanne Bischoff, Marco Fieber



Foto: Foto/Montage: Maximilian Gertler

Kurz nach acht Uhr morgens. Den letzten Tropfen koffeinhaltigen Lebenssaft aus der Kanne in die „Ohne dich ist alles doof“-Tasse gekippt, das T-Shirt zurück in die karierte Pyjamahose gesteckt und dann mit der dampfenden Tasse zurück ins Bett. Dort noch das Kissen aufschütteln, den Laptop auf den Knien ausbalancieren und den Stream auf der Institutsseite öffnen, dann kann es losgehen. Kurz darauf flimmert bereits der Professor über den Bildschirm und füllt wie jeden Dienstag seine elektronische Tafel mit Wolken aus Formeln und Summenzeichen. Matratzenvorlesung statt Matratzensport.

Vorlesung per Livestream

Was klingt wie eine Zukunftsvision des Studiums im Jahre 2030, ist längst Realität. Zumindest an einigen Lehrstühlen der FSU. „Inzwischen übertragen wir standardmäßig meine Vorlesung ins Internet“, sagt Rolf Steyer, Professor für Methodenlehre und Evaluationsforschung am Institut für Psychologie. „Das ist dann etwa 30 Sekunden zeitversetzt und jeder kann es sich zu Hause selbst ansehen. Alles wird aufgezeichnet und ist ein oder zwei Tage später online als Konserve verfügbar. Das Schöne ist: Die Studenten können mich jederzeit stoppen, wieder zurückdrehen und gleich nochmal, so oft sie wollen.“
Dieses sehr ambitionierte, aber keinesfalls abwegige Beispiel für die Nutzung der Technik ist ein Ausdruck des Umstandes, dass der Betrieb der Universität ohne Technik kaum noch vorstellbar ist. Besonders aus den Bereichen Lehre und interne Verwaltung ist die Unterstützung durch Computer und andere Elektronik nicht mehr wegzudenken. Die technischen Grundlagen für das Funktionieren der universitären Strukturen werden vor allem an zwei Orten betreut, zum einen am Universitätsrechenzentrum (URZ) und zum anderen am Multimediazentrum.
„Ohne Computer ist ein Studium heutzutage kaum noch vorstellbar“, erklärt Dr. Harald Ziegler, Leiter des URZ, welches für sehr viel mehr als die reine Hardwarebereitstellung zuständig ist: „Es gibt immer mehr individualisierte Dienstleistungen. Dazu gehören etwa die ganzen multimedialen Sachen, aber auch Friedolin, Studienorganisation, Prüfungsorganisation: auch ein recht individuelles Geschäft, wo der Dienstleistungsaspekt im Vordergrund steht.“
Im Gegensatz dazu gibt es Dinge wie die Mailverwaltung, die für viele auf gleiche Weise bereit gestellt werden. Und das, obwohl das Mailsystem relativ alt ist und auch nicht auf diese Massennutzung ausgelegt war. Das Postfach ist sehr klein. Sie können aber wesentlich mehr Mails im Archiv speichern, denn das ist unbegrenzt“, fügt Ziegler hinzu.
Zum Reizthema Friedolin meint er: „Es könnte schlimmer sein. Es gibt auf dem Markt nicht so viele Tools für die Studienorganisation. Man könnte es sich schöner vorstellen, aber mit solch begrenzten Mitteln ist das schon relativ gut.“

„Bibliotheken ändern sich“

Auch die Funktionsweise der Thulb fußt inzwischen beinahe ausschließlich auf computergestützter Elektronik. „Im Gegensatz zu einer herkömmlichen Bibliothek sind heute sowohl der Nutzer als auch der Mitarbeiter stark darauf angewiesen. Wenn der Opac nicht funktioniert, gibt es keine Möglichkeit, die physisch vorhandenen Bücher zu finden“, erklärt Michael Lörzer, Abteilungsleiter für Informationsmanagement und –systeme der Thulb. „Mithilfe des Multimediazentrums stellen wir inzwischen auch viele Vorlesungen online und das wird extrem stark nachgefragt“, ergänzt er. Aber nicht nur in dieser Form unterstützt die Thulb mit ihren technischen Möglichkeiten Studenten und Dozenten bei der wissenschaftlichen Arbeit.
„In den nächsten fünf Jahren sollten wir es geschafft haben, unseren gesamten Bestand online zu katalogisieren. Aber bereits jetzt hat man einen Großteil der Recherchearbeit, die früher die meiste Zeit beanspruchte, in fünf Minuten erledigt“, sagt Lörzer. Die Thulb möchte die Suche nach Medien in ihrem Bestand jedoch weiter vereinfachen und die gleichzeitige Durchsuchung mehrerer Datenbanken ermöglichen. Angst, dass sie dabei zum Buchmuseum mutiert, hat dabei niemand. „Unser Anspruch geht eher dahin, eine wissenschaftsunterstützende Einrichtung zu sein. Für uns ist die Erscheinungsform einer Publikation im ersten Moment nicht wichtig. Wir wollen sie dem Nutzer zugänglich machen und das so günstig und schnell wie möglich“, erläutert Karsten Leydolph, Leiter der EDV-Abteilung der Thulb.
Das technische Gesamtkonzept der Jenaer Universitätsbibliothek ist also stringent auf immer weiter fortschreitende Technisierung ausgelegt. Die Leitung der Thulb ist einmütig der Meinung, auf dem richtigen Weg zu sein. „Wir sehen eine Zukunft für Bibliotheken, sie werden sich noch mehr verändern als sie es jetzt schon tun. Dass wir dann lediglich eine leere Hülle sind, in der nur noch PCs stehen, glaube ich nicht“, fasst Leydolph zusammen.
Von dieser Art Konsens im Umgang mit Technik ist der Bereich der Lehre noch weit entfernt. So unterschiedlich wie die unterrichteten Studiengänge an der FSU ist auch der Einsatz von Technik und Medien bei denen, die diese unterrichten.
Dass die Zukunft durchaus noch Innovationen im Lehrbetrieb bereithalten kann, zeigt eine Eigenentwicklung von Diplom-Bioinformatiker Stephan Richter. Vor rund einem Jahr hatte sein „Chef“ Dr. Peter Dittrich, die Idee seine Studenten mit einer Fernbedienung auszustatten, um von ihnen live Feedbacks zur Vorlesung zu erhalten. Er wusste oft nicht, ob er zu schnell oder zu langsam referierte. Doktorant Richter wurde so mit dem Bau von insgesamt 13 Versuchsmodellen und der Programmierung beauftragt. „Die Studenten fanden es cool“, beschreibt Richter die ersten Reaktionen, allerdings habe das Projekt eine „niedrige Priorität“ und wurde deshalb noch nicht publik gemacht. Daher war es auch bisher eher nur eine „Spielerei am Rande“, die aber durchaus Chancen hat, weiterentwickelt zu werden. So könne man – wenn auch mit einigem Aufwand – jedem Studenten Software für sein Handy bereitstellen, um per Bluetooth die Signale an den Dozenten-Laptop zu senden.

Grundsätzlich skeptisch

Während die Entwicklung den einen nicht schnell genug vorangetrieben werden kann, stehen andere dem zunehmenden Einsatz von Technik in der Lehre grundsätzlich skeptisch gegenüber.
„Alles was aufgenommen und gespeichert wird, kann aus dem Kontext genommen und verbreitet werden, dann Missverständnisse auslösen und die Spontaneität der Seminarsitzung behindern“, meint Eckhard Meineke, Professor für die Geschichte der deutschen Sprache am Institut für germanistische Sprachwissenschaft. „Wenn alles aufgezeichnet wird und ins Netz kommt, dann wird es verbreitet, verarbeitet, verhackstückt. Das lehne ich strikt ab!“
Einig sind sich die meisten Universitätsangehörigen jedoch darin, dass der Umgang mit Technik unbedingt reflektiert vonstatten gehen muss. „Sie brauchen definitiv den intelligenten Nutzer“, resümiert Leydolph über die technischen Angebote der Thulb und auch Meineke erklärt: „Beim Multimediaeinsatz sollte man aufpassen und muss herausfinden, wie viel Unterstützung man gibt.“

Mit Schirm, Charme und Polylux

Warum sich Tafel und Kreide auf der einen und Onlinevorlesungen und Skype-Konferenzen auf der anderen Seite an ein und derselben Universität immer noch gegenüberstehen wie Knickerbocker und Jeans, hat mehrere Gründe.
Natürlich ist es ein Unterschied, ob Dozenten über Bedeutungswandel im Mittelalter oder bedingte Wahrscheinlichkeiten sprechen und dementsprechend ändern sich dann auch ihre Herangehensweise und ihr Umgang mit Powerpoint, E-Learning und Co. Zugleich gibt es mehrere Schnittstellen, die den Informationsfluss blockieren können. So wissen die Mitarbeiter der Thulb nicht genau, wie ihre technischen Angebote an den Fakultäten aufgenommen werden. „Für uns ist das schwierig. Wir stellen auf der einen Seite Wissen für den Nutzer bereit und wollen es diesem auch zugänglich machen. Wie aber die Vermittlung in den Fakultäten stattfindet, das wissen wir nicht“, sagt Leydolph. Ganz ähnlich geht es den Dozenten. Auch sie können sich nie vollkommen sicher sein, wie viel bei den Studenten ankommt und ob Technik diesen Prozentsatz hebt oder senkt.
Während Steyer sich sicher ist, dass durch seine multimediale Art, Vorlesungen zu halten, mögliche Missverständnisse – etwa durch falsche Mitschriften als einzige Lerngrundlage – vermieden werden, sieht Meineke eher die Gefahr, dass „der Multimediaeinsatz nicht mehr unterstützt, sondern zum Abschalten führt“ und dass dies wiederum Missverständnisse erst heraufbeschwört.
Wie so oft gibt es auch bei der Frage nach adäquatem Technikeinsatz keine eindeutige Antwort. Die Verwaltung der Universität ist ohne digitale Unterstützung kaum noch vorstellbar und auch die Thulb setzt voll und ganz auf die neuesten Entwicklungen in diesem Bereich. In der Lehre muss sowieso jeder Dozent selbst reflektieren, was er in welchem Ausmaß verwenden möchte. „Wenn die Uni so etwas fördern wollte, müsste sie auch mehr in die Technik stecken und in Mitarbeiter, welche das Know-how zur Verfügung stellen und hilfreich sind bei der Erstellung“, fasst Steyer seine Überlegungen zusammen.
Falls die Universität also in diesem Zusammenhang nicht grundsätzlich hinterfragt, inwiefern sie den gezielten und reflektierten Einsatz von Technik durch Dozenten gewährleistet, wird es höchstwahrscheinlich auch noch 2030 Studenten geben, die im Hörsaal schnell noch das Tafelbild abmalen, bevor es abgewischt wird, während ihre Mitbewohner sich zeitgleich morgens ihre Vorlesung mit Kaffee im Bett ansehen.




Während der Vorlesung schlafen ist jetzt noch bequemer.

Foto: Katharina Schmidt

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Ex-PsychoStudi

    Die Bedenken und die Skepsis gegenüber des Einsatzes technischer HIlfsmittel in der Lehre seitens Prof. Meineke kann ich weder teilen noch nachvollziehen.
    Als Studentin habe ich gute Erfahrungen mit den Video-Vorlesungen von Prof. Steyer gemacht und dieses Angebot gern und häufig genutzt. Gerade bei inhaltlich schwierigen und komplexen Themen ist ein Video-Stream äußerst nützlich. Man kann eine 1,5 Stunden Vorlesung immer wieder anhalten und zurückspulen, um auch wirklich geistig da zu sein und alles nachvollziehen zu können. Ich hab dann “gerne” mal auch 3 Stunden in eine solche VL investiert. Dadurch wird eine viel intensivere Auseinandersetzung mit dem Stoff ermöglicht. Auch erscheint mir die Argumentation Prof. Meinekes, dass Studenten solch einen Live-Stream einfach abschalten, doch recht schwach. Auch bei einer realen Vorlesung hat man als Student doch immer die Möglichkeit gar nicht erst hinzugehen oder während dessen geistig abzuschalten.

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