Starke Konzentration

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Betreuersuche in der Erziehungswissenschaft

Von Kay Abendroth und Johanne Bischoff




Die Suche nach der passenden Betreuung ist mehr als nur nervenaufreibend.

Foto: Katharina Schmidt

Nora Bader* hat Probleme einen Betreuer zu finden. Sie studiert im sechsten Semester Erziehungswissenschaft und wollte nun eigentlich ihre Bachelorarbeit schreiben, aber daraus wird wohl nichts. Sieben Dozentinnen und Dozenten hat sie nach eigenen Angaben seit März schon kontaktiert. Das Ergebnis war ernüchternd: Fünf Personen haben gar nicht geantwortet, eine hat abgesagt und nur eine Dozentin gab ihr einen Termin. Fachliche Hilfestellung kann diese Dozentin jedoch nicht geben, weil das Thema der Arbeit nicht in ihr Gebiet fällt. „Wenn ich wirklich niemanden finde, würde sie meine Arbeit annehmen“, erzählt Nora. Sie hat sich über das Angebot gefreut. „Aber gerade diese fachliche Betreuung, jemand, der mir sagt: ,Diese und jene Punkte sind gut, hier müssen sie noch nacharbeiten‘, wäre mir enorm wichtig.“

„Die Suche nach einem Betreuer ist schon für viele ein Thema“, sagt Micha Fuchs vom Fachschaftsrat Erziehungswissenschaft. „Und es ist nicht immer ganz einfach, den Prüfer zu finden.“ Eva-Maria Voigt, die ebenfalls im FSR aktiv ist, ergänzt noch: „Man muss auch deutlich sagen, dass man hier nicht innerhalb einer Woche einen Betreuer findet.“ Dennoch hält der FSR es nicht für ein generelles Problem, welches alle Studenten in gleichem Maße betrifft, und sich pauschalisieren lässt. Vielmehr sei es so, dass sich viele Anfragen bei wenigen Dozenten häufen würden. „Es kann sehr gut sein, dass der Lieblingsprofessor nicht kann, weil er bereits viele Arbeiten betreut“, erklärt Micha. Von den ersten Absagen solle man sich aber nicht entmutigen lassen und vor allem auch bei Dozenten anfragen, die man nicht kennt. „Dann heißt es weiter E-Mails schreiben, telefonieren, in die Sprechstunden gehen.“ Der persönliche Kontakt am Telefon oder noch besser ein Vier-Augen-Gespräch, meint Franziska Schlotte vom FSR, seien immer vorzuziehen. Eigeninitiative ist gefragt. „Aber wenn die Studenten Hilfe brauchen, sind wir natürlich für sie da und können auch den einen oder anderen Tipp geben, keine Frage“, versichert Micha.
„Gegen Ende des fünften Semesters sollte man sich Gedanken machen und mit der Suche beginnen“, rät Franziska. „Wir haben von Studenten im ersten Semester gehört, die der Meinung waren sie müssten sofort einen Prüfer suchen. Wir halten dies jedoch für nicht notwendig“, sagt Micha und ergänzt: „Generell unterstützen wir es, sich rechtzeitig Gedanken über das Prüfungsthema zu machen, da so die Suche nach einem geeigneten Betreuer einfacher wird, jedoch sollte dies nicht bereits in das erste Semester verlagert werden.“

Noch gibt es keine Statistik

Rein rechnerisch kommen auf jeden der 39 prüfungsberechtigten Dozenten am Institut für Erziehungswissenschaft (IFE) und am Institut für Bildung und Kultur (IBK) etwa zweieinhalb Bachelorarbeiten. Nach Angaben des IFE studieren aktuell 100 Personen im sechsten Semester Erziehungswissenschaft im Kernfach. Die tatsächliche Zahl an Arbeiten, die ein Dozent annimmt, schwankt natürlich, weil sich zum einen die Anfragen ungleich verteilen, aber auch, weil unter anderem noch Magisterarbeiten angenommen werden müssen, am IFE umfangreiche Praktikumsberichte eines jeden Studenten auszuwerten sind und jeder Lehramtsstudent zu prüfen ist.
Die Zahl der angenommenen Bachelorarbeiten eines Dozenten sagt allein noch nicht viel aus. Nach Recherche des Akrützel schwankt sie aktuell zwischen null und 15. Die ungleiche Verteilung der Anfragen ergebe sich unter anderem aufgrund der beiden zentralen Arbeitsfelder in der Erziehungswissenschaft, Sozialpädagogik und Sozialmanagement, heißt es in Dozentenkreisen. Für viele Studenten seien dies wichtige Themen im Studium und folglich auch für die Bachelorarbeit. So konzentrieren sich viele Anfragen auf wenige Personen. „Der Bereich Sozialmanagement ist extrem überlastet“, offenbart ein Dozent, der anonym bleiben möchte. Christine Meyer, Vertretung für die Professur Sozialmanagement, möchte das nicht kommentieren.
Aktuell erstellt das IFE eine „Statistik hinsichtlich der Prüfungs- und Betreuungskapazität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, so Susanne Volkmar von der Geschäftsstelle. Diese soll dann „erstmalig für den Bachelorstudiengang aussagekräftige und verwendbare Zahlen liefern“. Bei Redaktionsschluss lag diese Statistik noch nicht vor, sie soll aber vor der nächsten Sitzung des Institutsrates im Mai fertiggestellt werden. Damit würden nicht nur die Mitarbeiter des Instituts, sondern auch die Studenten einen Überblick bekommen, welcher Dozent wie stark ausgelastet oder überlastet ist.
Auch befristete Arbeitsverträge von Dozenten können sich negativ auf die Betreuersuche auswirken. Solange unklar ist, ob der Vertrag verlängert wird, und das Vertragsende in den Zeitraum der Bachelorarbeit fällt, kann der Dozent keine verbindliche Zusage machen. Planungssicherheit geht so auf beiden Seiten flöten: bei den Dozenten und den Studenten.
Bis auf wenige Ausnahmen waren die Dozenten an beiden Instituten durchaus gesprächsbereit. Auffällig war jedoch, dass fast alle anonym bleiben wollten.
Durch die Suche nach einem Betreuer und die „damit verbundene Unsicherheit und auch Angst habe ich nun immer das Gefühl, dass das so eine Art betteln ist“, so Nora. Ihre Arbeit will sie nun im siebten Semester schreiben. Sie hofft, dann eine thematisch passende Betreuung zu finden. Obwohl sie den Master hier attraktiv findet, weil er mit Sozialpädagogik und Sozialmanagement relativ weit gefasst ist, möchte sie ihn aber nicht in Jena machen. „Auf die Strukturen hier habe ich überhaupt keine Lust mehr“, sagt sie.

* Namen von der Redaktion geändert.

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