Das Mosaik der Enthusiasten

Wer Jenas Kunst am Leben erhält

Von Maria Hoffmann

ein Mandala? ein Mosaik? geheimnisumwittert!

… geheimnisumwittert …
Titelbild: Maria Grafft

Gedanken materialisieren, Emotionen sichtbar machen und mit den eigenen Händen eine Welt erschaffen, die jenseits des Alltags liegt – Künstler sind Menschen, die sich dieser Arbeit hingeben. Jeder spricht seine eigene Sprache und will doch von allen verstanden werden. „Kunst ist ein wichtiger Bestandteil menschlichen Seins“, meint Robert Sorg, Vereinsvorsitzender des Kunsthof e. V. Jena. Jedem wohnt es also inne: das Künstlerische. Es ist nur eine Frage, wie und ob man es zum Ausdruck bringt.

Jena bietet jenen, die sich nur mal ausprobieren wollen ebenso Möglichkeiten wie solchen, bei denen das künstlerische Schaffen einen Großteil ihres Lebens bestimmt. An vielen verschiedenen Orten arbeiten die Akteure daran, der Kunst eine Plattform zu geben und das kreative Potential dieser Stadt auszuschöpfen. „Es sind etwa 300 Leute, die man immer wieder trifft und die sich bemühen, etwas zu bewegen“, beschreibt Tilo Hermes vom Kulturbahnhof die Situation. Das Kulturzentrum nördlich der Innenstadt sei eines der größten in Jena. Hier befinden sich Ateliers, Proberäume und Ausstellungsflächen unter einem Dach.

Sprungbretter

Der Kulturbahnhof versteht sich außerdem als Ort, an dem sich Künstler selbst aufbauen können – ohne wirtschaftliche Zwänge. Denn Kunst ist in den seltensten Fällen eine Goldgrube und viele Künstler erwarten dies auch nicht. Ihnen geht es um ihre Arbeit. Selbstverwirklichung spielt darum auch für Tilo Hermes eine große Rolle. Im Gebäude des ehemaligen Jenaer Saalbahnhofs sollen die etwa 50 Kulturschaffenden so möglichst frei arbeiten können.Auch Robert Sorg sieht seinen Ausstellungsbetrieb als Möglichkeit für junge Künstler, Fuß zu fassen: „Bei uns auszustellen könnte vielleicht eine Art Visitenkarte sein.“ Neben Literaturveranstaltungen und Konzerten verwaltet das Team des Vereins zwei Räume, die als Ausstellungsflächen dienen. Obwohl hier auch Jenaer wie Maria Grafft und Anne Schwing zu sehen waren, versteht sich der Kunsthof nicht allein als Förderer der hiesigen bildenden Künstler. „Wir wollen auch Impulse von außen nach Jena hineintragen“, erklärt Robert. Ein Kriterium, um im Kunsthof gezeigt zu werden, ist allerdings, dass man als freischaffender Künstler arbeitet und diese Arbeit als seinen Lebensmittelpunkt begreift. Soll heißen, wer Kunst als sein Hobby versteht, wird schwerlich eine Chance haben.

Mehr als ein Hobby

Viele kreative Köpfe, die ihre Ideen im stillen Kämmerlein umsetzen, stehen wohl vor der Frage, wie viel Raum sie der Kunst in ihrem Leben zur Verfügung stellen wollen. Die Schwelle hin zum professionellen Künstler überschreiten dann jene, für die die Kunst eine Notwendigkeit geworden ist. Auf Michaela Hirche vom Verband Bildender Künstler Thüringen kommen häufig Menschen zu, die an eben dieser Schwelle stehen: „Irgendwann kommt der Punkt, an dem man nachdenkt: Ist das etwas, was ich beruflich machen will?“ Ein Bruch im Leben, nicht selten positiver Natur, sei bei vielen der Auslöser, sich für die Kunst zu entscheiden. Wenn man beispielsweise entschlossen ist, sich von einem anderen Beruf zu befreien, den man nicht mit dem Herzen ausübt. Jedem und bei allem könne der Verband dennoch nicht helfen, sagt sie. „Wir sind kein Existenzgründerbüro.“ Als Vertretung der professionellen Künstler Thüringens bietet der Verband seinen Mitgliedern allerdings direkte Vorteile. So recherchiert das Team Ausschreibungen, bietet berufsbezogene Seminare oder berät in vertraglichen und sozialen Fragen. Wichtig ist Hirche dabei, für die Künstler auch kulturpolitisch einzutreten und den Status der Tätigkeit klarzumachen: „Künstler ist ein ernstzunehmender Beruf, für den man in aller Regel ein Studium absolviert oder eine aktive autoditaktische Laufbahn hinter sich hat.“Aus Jena sind momentan 27 von etwa 340 Künstlern Mitglieder im Thüringer Verband. Sie treffen sich zum gemeinsamen Zeichnen und tauschen sich darüber künstlerisch aus, gibt Hirche ihre Erfahrungen aus Gesprächen mit den Jenaer Künstlern wieder. Dementsprechend fühlten sie sich in Jena verortet und seien gut vernetzt.Was auf diese Künstler zutreffen mag, kann man von den Organisatoren vor Ort nur bedingt sagen. Jede Institution scheint so mit ihrem eigenen Betrieb beschäftigt zu sein, dass wenig Zeit für größere Kooperationen bleibt. „Es ist ein freundliches Miteinander“, sagt Tilo Hermes. Projekte würden sich aber nicht ergeben. Man könnte durchaus etwas planen, meint auch Robert vom Kunsthof, allerdings seien die Ressourcen einfach nicht da. Die meisten machen ihre Arbeit ehrenamtlich und sind damit sehr gut ausgelastet. „Wenn man das stemmen kann, fände ich es auch ganz gut, mal eine größere Aktion mit anderen zu machen“, fügt er hinzu. Mit Jenakultur und dem ehemaligen Salon der Künste habe der Verein schon zusammengearbeitet. In Jena passiere schon viel und es gebe ein reges Kulturleben, aber die Akteuere hätten oft wenig Spielraum, gerade finanziell. Auch der Jenaer Kunstverein, der unter anderem vier bis fünf Ausstellungen im Jahr organisiert, sei prinzipiell für Zusammenarbeit offen. „Der Austausch könnte schon reger sein“, meint allerdings Cornelia Schöft, zuständig für Organisation und Verwaltung. Robert hat bisher den Eindruck gewonnen, der Kunstverein sei „eher für sich“. Es gebe wenig Berührungspunkte, fügt er hinzu. Obwohl der Verein den Anspruch hat, junge Kunst aus der Region zu fördern, ist das Klientel wohl ein anderes als beispielsweise bei Kunsthof oder Kulturbahnhof.

Viel hilft viel

Auch wenn die Saalestadt im Gegensatz zu Weimar kein Standort künstlerischer Hochschulen ist, gibt es eine Menge Möglichkeiten, sich kreativ aus- oder weiterzubilden. Die Musik- und Kunstschule bietet Kurse in Malerei und Grafik an. Eine ganze Bandbreite an Workshops kann im Kunstwerk e. V. belegt werden: von Holzbildhauerei über Töpfern bis zu Nähen und Ölmalerei. Auch im Kulturbahnhof können sich Interessierte jeden Montagabend zum Aktzeichenkurs treffen sowie an mehreren Terminen im Jahr an einem Ölmalkurs teilnehmen. Dass es unter den Jenaer Studenten einige gibt, die ihre künstlerischen Ambitionen ausleben möchten, zeigen entsprechende Angebote des Studentenwerks. Es betreut in Jena vier Ausstellungsflächen, wo nicht nur Fotografen, sondern auch Zeichner und Maler dem universitären Publikum ihre Werke präsentieren können. Zudem würden die kreativen Studenten organisatorisch und in Sachen Öffentlichkeitsarbeit unterstützt. Was die Auswahl der Kunst anbelangt, macht Ulrike Erfurth vom Studentenwerk wenig Einschränkungen: „Es sollten keine politikbezogenen Inhalte vorkommen. Ansonsten ist alles möglich.“ Man wolle den Studenten die Hemmungen nehmen, die eigenen Arbeiten vorzustellen. Jede Form kreativen Engagements soll gefördert werden. Erfurth macht in dem Zusammenhang klar: „Wir sind keine kreative Jury, sondern Vermittler.“ Um der künstlerischen Praxis ebenso gerecht zu werden, findet der Aktzeichenkurs unter künstlerischer Leitung von Astrid Leiterer statt, der „großen Zuspruch“ erhält. Weimar hat mit der Bauhaus-Uni natürlich eine akademische Herangehensweise an bildende Kunst. Auch allein der historische Hintergrund stützt Weimars Kulturlandschaft. Doch Jena steht mit seinem kulturellen Reichtum keinesfalls im Schatten der Goethe-Stadt. Tilo Hermes macht aber klar, dass das nicht von ungefähr kommt: „Jena erkämpft sich das hart.“Im Kunsthandel ist Weimar allerdings stärker involviert: ­„Die Galeriedichte ist dort in Bezug auf die Bevölkerungsdichte wesentlich höher“, sagt Robert Sorg. Er sieht die hohen Immobilienpreise der Stadt als einen Grund dafür. „Man findet keine Ladenfläche, wo Kreativität aus Jena selbst verkauft wird.“ Der Kulturtourismus sei in Weimar deutlich ausgeprägter. So kämen auch Besucher, die bereit wären, für Kunst zu zahlen. Was er in Jena als problematisch empfindet, ist der „Stempel der Subkultur“, der den Initiativen schnell aufgedrückt werde. „Das wird dann gleich immer in so eine Schublade geschoben, wo man es nicht ernst nehmen muss.“ Nicht der subkulturelle Charakter ist also das Problem, sondern die Zuschreibungen, die ihm anhaften. Michaela Hirche vom Verband Bildender Künstler Thüringen pflichtet dem bei und verweist auf die Netzwerkarbeit, die die Soziokultur einer Stadt leistet: „Sie wird zu Unrecht von ganz vielen Leuten einfach abgetan, weil der Grundgedanke nicht verstanden wird.“ Soziokultur schaffe Begegnungsmöglichkeiten zur Vernetzung unterschiedlicher Sparten und bereichere die Kulturlandschaft. Gorden Fehlhaber, Chefredakteur der Zeitschrift „Die Gesinnung“, beklagt die mangelnde Förderung subkultureller Initiativen. „Subkultur muss um Raum kämpfen, gerade in Jena.“ Seiner Ansicht nach könnten die Akteure zudem besser vernetzt sein. So könne man auch besser als eine Gruppe der Stadt gegenübertreten. Die Gesinnung setzte sich in ihren ersten vier Ausgaben sowohl mit den praktischen als auch den theoretischen Aspekten von Kultur auseinander. Dabei ist sie seit 2009 Plattform für bildende Jenaer Künstler, die das Heft illustrieren. Gorden hält es für möglich, die Gestaltung der Gesellschaft selbst als Kunstform zu verstehen. Es gelte, „Gesellschaft ästhetisch zu begreifen, um aus den eigenen, eingefahrenen Persepektiven rauszukommen.“ Auch ohne Pinsel und Farbe hätte so jeder die Möglichkeit, seine eigenen kreativen Ideen sichtbar zu machen – den Künstler in sich zu entdecken.

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