Ein Tag Uni

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Helden im Hintergrund

Von Jana Felgenhauer, Marco Fieber, Anna-Sophie Heinze, Susanne Veil



Foto: Katharina Schmidt

4.30 Uhr, Cafeteria

Es klingelt der Wecker der Cafeteria-Chefin Diana Walther. Nein, 4.25 Uhr. „Da hab ich noch fünf Minuten zum Aufstehen“, erklärt sie und lächelt dabei so zufrieden, als gäbe es nichts Schöneres als mitten in der Nacht das Bett zu verlassen.

Meist beginnt Frau Walther ihre Arbeit in der Carl-Zeiss-Straße bereits vor 6.00 Uhr, schließlich stürmen die ersten Gäste in einer Stunde die Frühstückstheke. Es gibt daher mehr als genug zu tun. Sie schmiert Brötchen, geht an das ständig klingelnde Telefon, backt Croissants und Brezeln. So bekommt auch der „Milchbauer“ gegen 6.20 Uhr ordnungsgemäß einen Eingangsstempel aufgedrückt. Neben Frau Walther wuseln außerdem zwei weitere Mitarbeiterinnen durch die Küchenräume und befüllen die Vitrinen der Cafeteria. Hier kann sich niemand erlauben, faul in der Ecke herumzustehen, geschweige denn einen Guten-Morgen-Kaffee zu trinken. „Das ist von der Zeit her gar nicht drin“, sagt Frau Walther und hastet weiter zwischen Gurkengläsern und Körben voller Kürbiskernbrötchen umher.
Für die meisten Studenten wohl unvorstellbar, eine morgendliche Belastung von grauenvollem Ausmaß. Doch dass sich die Ereignisse auch schon zu dieser Uhrzeit überschlagen, stört Frau Walther kein bisschen. „Ich mach das ja jetzt auch schon 20 Jahre und ich liebe meinen Job.“ Da bleiben keine Zweifel. Während sie in Windeseile Brötchen halbiert und belegt, erzählt sie, wie sie damals im seit nunmehr 13 Jahren geschlossenen Turmcafé anfing zu arbeiten, dass sie eigentlich aus der Nähe von Berlin kommt und der Liebe wegen nach Jena zog.
Das eingespielte Team besteht aus acht Frauen und arbeitet in Schichten. Dies erklärt auch, warum hier niemanden so schnell etwas aus der Fassung bringt. Ob es einmal ein richtiges Problem gegeben hätte? Nein. Meist finden die Angestellten so schnell eine Lösung, dass es nicht mal den teilweise ungeduldigen oder sich beschwerenden Studenten vor der Kasse auffällt. „Wir sind halt Profis“, grinst die Chefin stolz. Zu Recht. Denn nicht jeder würde sich in diesem Chaos so ruhig und gelassen verhalten wie sie.
Was sie so richtig aufregt? Da gibt es nichts. Wenigstens so ein bisschen? Man kitzelt ihr mit Mühe und Not eine winzige Portion Wut heraus. „Wenn die Studenten die Tische und Stühle klauen. Das ärgert mich.“
Und obwohl sie sich nicht vorstellen kann, die Cafeteria für eine Woche zu verlassen, würde sich Frau Walther bei einem Schnupperstudium heutzutage wohl am ehesten mal in eine Psychologie-Vorlesung setzen. Ein Grund hierfür ist offensichtlich: der Wunsch, vielleicht noch weiter in die Köpfe schauen zu können. Denn wenn man von 7.00 bis 19.00 Uhr mit hungrigen Studenten zu tun hat, bleibt einiges an Eindrücken hängen. Die alltägliche Bedürfnis- und Persönlichkeitsforschung der Cafeteria-Crew kann sich hierbei sehen lassen. Nicht nur, dass Brezeln gerade voll im Trend sind (täglich gehen über 200 selbstgebackene Exemplare über die Theke), auch Tomate-Mozzarella-Ciabattas werden wie nichts verschlungen. Kaffee, Kuchen und Gummibärchen gehören seit jeher zu den Basics. Trotzdem ist man zu Semesteranfang immer wieder gespannt, was die frisch Immatrikulierten wohl für neue Essgewohnheiten mitbringen.
Was natürlich auch nie fehlen darf: Club Mate. Obwohl Frau Walther generell kein Fan von Brausegetränken ist (probiert hat sie natürlich trotzdem), bunkert sie seit Monaten stets genügend Kästen auf Reserve. Warum? Wegen des diesjährigen Anlieferungsnotstandes, der die Studenten in ganz Jena in den puren Wahnsinn trieb und eine Woche lang für allgemeine Entzugserscheinungen sorgte. „Die haben mir die Bude eingerannt“, erinnert sie sich – natürlich lächelnd. Die Frau ist ein Fuchs.
Obwohl… eigentlich sind Frau Walther ja Situationen, in denen massig Betrieb herrscht, am liebsten. Wenn die Studenten mittags die Theken plündern und die Schlangen vor den Kassen scheinbar endlos werden. Und wenn sich dann jemand inmitten dieser Grenzsituation über die seit eben leer gefegte Salattheke beschwert, geht auch das sofort in Arbeit. Bewundernswert.

6.00 Uhr, Campus

Wenn der gemeine Student noch auf der Suche nach seinem Wohnungsschlüssel beziehungsweise seinem Kopf ist, be­ginnt bereits der Arbeitstag des Hausmeisterteams im Uni-Gebäude am Campus. Zu dem gehören Thomas Tornow, Florian Herold und Thomas Hartmann. Ihre erste Aufgabe ist es, die Container für die Müllabfuhr der Stadt bereitzustellen. Jeden Montag und jeden Donnerstag müssen zwölf Mülltonnen mit jeweils 600 Litern Fassungsvermögen aus dem Lagerraum im Keller auf die Carl-Zeiss-Straße hinter die Uni geschafft werden. Jeden Mittwoch kommt dann noch dieselbe Menge an Papiermüll dazu. Seitdem die Cafeteria und die Mensa Pappbecher für den „Coffee-to-go“ eingeführt haben, stieg der Müll merklich an, erzählt der 28-jährige Florian Herold, der erst seit anderthalb Jahren Hausmeister an der Uni ist.
Der 43-jährige Thomas Tornow ist zwar schon deutlich länger mit dabei, eine Sache nervt ihn aber nach wie vor: Die Hausmeister müssen jeden Morgen die Fluchtwege der Hörsäle von Stühlen aus anderen Räumen befreien. „Wenn die Studenten das wüssten, könnte man sich das jeden Tag sparen“, kommentiert der Jenenser das sich allmorgendlich wiederholende „ewige Spiel“, bei dem schon mal Schlüpfer gefunden wurden, wie er dann doch schmunzelnd hinzufügt.
Nach dem Rundgang durch die Hörsäle der Uni folgt auch immer eine Begehung des Campus. An diesem Tag ist es eher sauber, „die dreckigsten Tage sind Montag – wegen des Wochenendes – und Freitag – wegen des F-Hauses“, berichtet Florian Herold, als er auf dem Campus eine leere Flasche Sekt mit der Greifzange aufhebt. Thomas Tornow meint dazu, dass es dann grade hinten in der Krautgasse sehr „interessant“ aussehe.

6.45 Uhr, Cafeteria

Die vorerst letzten Croissants befinden sich im Backofen, alles ist bereit. Und dann endlich: eine verschwindend kurze Verschnaufpause für eine Tasse Kaffee, bevor die Tore des Essens-Paradieses auch schon geöffnet werden. Die ersten Uni-Mitarbeiter stellen sich bereits 7.03 Uhr ihren individuellen Salat zusammen – diesmal noch vor dem Mathematikprofessor, der seit Jahren stets zu den ersten Gästen zählt.

9.15 Uhr, Poststelle

Tatjana Schöttners Handy schreit: „Hallo, hier kommt die Post…“. Das ist ihr Stichwort, denn sie ist allein verantwortlich für die Post der Carl-Zeiss-Straße 3. Sie strahlt und erklärt geduldig die komplizierten logistischen Abläufe. Zum Beispiel, dass der Hauptteil der Post vom UHG aus verteilt wird und sie von dort auch mehrmals am Tag die Post für die Institute am Campus gebracht bekommt. Nebenbei sortiert sie die Sendungen in Postfächer, hat die Päckchen im Blick und verwaltet auch die Fundsachen. Bei Frau Schöttner geht nichts verloren. Der Empfänger eines lückenhaft adressierten Briefes wird in detektivischer Kleinarbeit ermittelt und in den Postfächern Ordnung gehalten. Schließlich ist sie gelernte „Zeissianerin“ und da liege einem die Präzision im Blut. Ins Blut übergegangen sind ihr auch die Zuständigkeiten der einzelnen Institute. Jede Feinheit der Adressierung bedeutet für Frau Schöttner einen Unterschied, nach welchem sie dann die Post einsortiert. Dabei kennt sie jeden Institutsangehörigen beim Namen und weiß, welcher Professor welche Zeitung abonniert hat.
Zu allen pflege sie ein gutes Verhältnis, denn dann helfe man sich auch gegenseitig und alles funktioniere. Sie hilft vor allem beim Wachmann aus, der ihr am Schreibtisch gegenüber sitzt und mit dem sie sich wohl das lauteste Büro der Uni teilt. Die Geräuschkulisse, vor der Frau Schöttner ihre Arbeit verrichtet, ist gewaltig. Manchmal kann man nicht sagen, von welcher Seite ein Zuruf kommt und wer nun genau etwas von ihr möchte. Sie identifiziere sich mit ihrem Beruf, das sei wichtig. Es muss „etwas bewegt“ werden, überall an der Uni, nur so könne sie funktionieren. Dazu gehöre Respekt und dass jeder seine Berechtigung im riesigen Uni-Apparat habe. Frau Schöttner kann dann auch ganz selbstbewusst sagen: „Probleme sind dazu da, um sie zu lösen – aber wir haben keine Probleme.“
Hier sei alles ein Geben und Nehmen, das betont sie mehrmals. Das Austeilen der Briefe bekommt metaphysische Ausmaße, wenn sie sagt: „Man bekommt nur das zurück, was man austeilt.“ Auch darum pflegt sie ein gutes Verhältnis zu den Sekretären und Sekretärinnen, den Hausmeistern und Wachmännern.
Nach den Studenten gefragt, muss sie schmunzeln. Ja, man bekomme hier den studentischen Alltag in seinem vollen Chaos mit. Sie versucht weiterzuhelfen und versteht sich als Dienstleisterin, aber Studenten ihren Stundenplan erklären, das kann sie nun doch nicht.

10.00 Uhr, Druckerei

„Im Keller.“ Das war die Antwort auf die Frage, wo man sie denn finden könne – die Reprotechnik. Der Chef Rainer Botsch betont ausdrücklich, hinter dem etwas sperrigen Namen verberge sich keine Hausdruckerei für Studenten, sondern ein spezialisierter Dienstleister der Uni.
Zwischen 10.00 und 11.00 Uhr werden hier direkt am Schalter die besonders eiligen Aufträge von Universitätsangehörigen angenommen. Brauchen Institute noch Flyer für die nächste Diskussionsrunde, Dozenten noch Präsentationsmaterialien oder die Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit neue Hochglanzplakate auf 80 Gramm Papier, wenden sie sich an die Druckerei. Jedoch unterstreicht Herr Botsch den Ernst der derzeitigen Lage, denn die Reprotechnik befindet sich im Umbruch. Sie muss sich den Herausforderungen der sich ständig weiterentwickelnden Technik stellen, mit der wachsenden Anzahl an Copy-Shops konkurrieren und dabei noch preisgünstig und effektiv sein. Die Zukunft der Reprotechnik sieht Herr Botsch in Schnelligkeit und Qualität. Aber die Zukunft muss warten, denn die Druckerei bleibt die nächsten Tage wegen gehäufter Krankheitsfälle geschlossen. Und die Maschinen stehen still, vorerst.

10.30 Uhr, UHG

Dies academicus! Das bedeutet erschwerte Bedingungen für den Pförtner am UHG: Aber welcher Kurs jetzt genau stattfindet und welcher nicht, könne er beim besten Willen nicht sagen. – Nein, hier finde nicht die feierliche Immatrikulation statt, die ist im Volkshaus. – Ja, er habe auch noch ein paar Unterrichtsmaterialien für verzweifelte Lehrkräfte zur Hand. Und falls alle Stricke reißen, hat Hans-Jürgen Hädrich jede Telefonnummer, die helfen könnte, im Kopf oder im Telefon gespeichert. Er macht den Weg frei, für alle, die kurz vor knapp ihren Seminarraum suchen, ebenso wie für die, die gleich ein Seminar halten und einen Schlüssel brauchen, und auch für die, die verzweifelt und mit schiefgelegtem Kopf den Lageplan mustern.
Neben Raumauskünften bekommt man von Hans-Jürgen Hädrich auch jeden Schlüssel, er kennt Öffnungszeiten, Zuständigkeiten und die Geschichte des Hauses. Er mache auch Hausführungen, weil „man doch Antworten haben muss“. Er kann erzählen von Hodlers Gemälde und seinem früheren Platz, vom Senatssaal und dessen Geschichte und von den Menschen, die tagtäglich hier vorbeikommen. Ein sehr gutes Gedächtnis, das habe er, für Menschen und Gesichter.
Seit 20 Jahren sei er schon hier, er habe schon 1990 in der Keksrolle angefangen. In diesem Gebäude, das heute schon längst kein Gebäude der Wissenschaft mehr ist, waren Wegauskünfte noch leichter zu geben als heute im Uni-Hauptgebäude. Wenn er ganz ehrlich sein soll – und dabei neigt er sich vertrauensvoll weit nach vorne –, habe er selbst ein halbes Jahr Orientierungsschwierigkeiten gehabt und sich auch schon mal verlaufen.

11.00 Uhr, Pforte

Der Computerdienst bringt Monitore. Erste Anlaufstelle: Herr Hädrich. Keiner gehe ans Telefon, beschwert sich der Lieferant, er wisse also nicht, wo er hingehen solle. „Die Leute wissen selbst nicht, wo sie sitzen“, empört er sich. Doch der Pförtner weiß Rat und muss nur einen Blick auf die Unterlagen des Hilfesuchenden werfen, um festzustellen: „Ganz falsche Nummer, das seh‘ ich schon!“ Im Hintergrund trällert das Radio, als Herr Hädrich zusammenbringt, was zusammengehört. Dank der richtigen Nummer findet der Lieferant seinen Abnehmer und Herr Hädrichs Mission ist erfüllt.
So gegen 10 und 14 Uhr, das seien die Spitzenzeiten. In denen habe man noch nicht einmal Zeit, auf die Toilette zu gehen. Aber er behält die Ruhe, dann müssen die Leute eben warten…
Freundlichkeit, das sei wichtig. Er zitiert: „Wie man in den Wald hinein schreit, so schallt es auch wieder heraus.“ Einmal habe sich einer beschwert, er sei zu freundlich – dafür hat Hans-Jürgen Hädrich nur ein Achselzucken übrig. Höflichkeit ist für ihn eine Selbstverständlichkeit, so sei er eben erzogen worden. „Dies ist ja auch ein internationales Haus“, betont er nicht ohne Stolz in der Stimme, „und ordentliches Auftreten erwünscht.“
Herr Hädrich weiß, dass er vermisst wird, wenn er nicht da ist. Er erzählt, dass ihm die Studenten zuraunen: Wo er denn gewesen sei. „Mit den anderen, mit denen kann man doch nicht reden…“ Und dann beginnt man zu verstehen, was er meinte, als er sagte: „Ich gehe in meinem Job auf.“

12.00 Uhr, KiTa

So richtig laut wird es in dem bunten Raum voller Legosteine und Plüschgi-raffen, der sich hinter der Cafeteria in der Carl-Zeiss-Straße verbirgt, eher selten. Die Stille in diesem Zimmer ist schon beinahe gespenstisch. Drei Kleinkinder, die gerade auf dem Boden herumkrabbeln, gucken ihre Erzieherin Natascha Ronzhin nur mit großen Kulleraugen an und geben keinen Mucks von sich. Die professionelle und liebevolle Art der jungen Frau beruhigt nicht bloß die Kinder, sie gibt auch den Mitarbeitern und Studenten der FSU das Gefühl, ihre Kinder in der flexiblen Betreuung gut umsorgt zu wissen. Nach Ausfüllen einer Anmeldung sowie der Bezahlung an der Info-Take können die Eltern ihre Kinder zwischen Buntstiften und Bilderbüchern abgeben. Beauftragt wurde Natascha Ronzhin, die selbst zweifache Mutter ist, vom Studentenwerk und von „Jenaer Hochschulen“. Maximal zehn Sprösslinge gleichzeitig betreut die aus Russland stammende Erzieherin hier. Jedoch ist die junge Frau nicht völlig auf sich alleine gestellt, denn in dem Kindergarten auf dem Campus, nur einer von drei Uni-Kitas in Jena, helfen zusätzlich eine FSJ-Kraft sowie zahlreiche Studierende aus.

13.00 Uhr, Bibliothek

Wer bisher dachte, das Bücherimperium der Thüringischen Landesbibliothek in Jena liege ausschließlich in weiblicher Hand, der sei nun eines Besseren belehrt: Hinter den Kulissen agiert seit 1999 auch Alexander Kubel. Sein Arbeitsplatz ist das Magazin der ThULB, zu dem kein Student und nur wenige ausgewählte Mitarbeiter Zugang haben. Hier lagern 750.000 Zeitungen und Bücher, zum Teil Pflichtexemplare und Sammelbände, die die Bibliothek der Vollständigkeit halber besitzen muss, aber auch Bücher älterer Auflagen aus dem Freihandbestand. Sogar das Akrützel wird hier seit 1990 akribisch katalogisiert. Das Magazin in der ersten Etage fungiert als „Altenheim“ für alle Bücher, die das hundertste Lebensjahr vollendet haben. Es riecht wie in einem alten Spukschloss. Um die Märchenfilmatmosphäre perfekt zu machen, fehlen nur noch ein Schlossherr mit Monokel, Gehrock und Spinnweben, die sich um die Bücher ranken. Bei der peniblen Ordnung und Sauberkeit, die in den Bibliotheksarchiven einzuhalten sind, wäre dies aber undenkbar.
Mehrmals täglich sortiert Alexander Kubel, der eine Ausbildung im Bereich „Medien“ absolviert hat, zusammen mit den anderen beiden Mitarbeitern des Magazins rund 150 Buchbestellungen der Studenten nach Signaturgruppen und zutreffender Etage. Man traut sich kaum, ihm Fragen zu stellen, denn zu wichtig ist seine Aufgabe, auch ja die richtigen Bücher herauszusuchen, und wie peinlich wäre ihm jeder Fehler, der am Schluss an der Ausleihe von den Studenten bemerkt werden könnte. In riesigen „begehbaren Bücherregalen“ sucht er die gewünschten Exemplare heraus und sortiert sie auch wieder dort ein. Sorgsam geht er die Leihscheine nach Nummern durch, holt die Bücher aus den Regalen und blättert die Seiten auch nochmal durch, bevor er sie auf seinen Büchertrolly legt.
Die vorletzte Station der Bücher auf ihrer Reise vom Magazin in die Rucksäcke, Ledertaschen und Stoffbeutel der Studenten ist die Ankunftsverbuchung, bei der eine Mitarbeiterin zuerst den Zustand des Buches prüft und dann den Barcode scannt. Die Ankunft des Buches ist damit dokumentiert. Zum Schluss werden die Bücher hinter der Ausleihtheke nach Familiennamen der Nutzer in ein Regal eingeordnet und können innerhalb von 14 Tagen abgeholt werden.

14.30 Uhr, Campus

Später ziehen die drei Hausmeister mit Leiter, Bohrmaschine, Schraubenzieher, Wasserwaage und Zollstock bewaffnet los, um den (technischen) Problemen der Universität zu Leibe zu rücken. Aufträge für Reparaturarbeiten bekommen die Hausmeister von den Fakultäten jeden Tag per Mail, Fax oder Telefon. Das Handy klingelt unaufhörlich. Nicht bloß Reparaturen gehören zu ihren Aufgaben. Sie bringen auch Banner an, räumen Fluchtwege frei und bereiten Seminarräume für Kongresse und Tagungen vor.
Als sie an diesem Tag im Institut für Deutsch als Fremdsprache ankommen, werden sie gleich von einer Gruppe hilflos dreinblickender Frauen umringt. Eigentlich sollte nur ein kippliger Tisch repariert werden, aber mehr und mehr Dozentinnen und Professorinnen wollen nun auch Regale und Schränke gerückt haben, Lampen sollen ausgewechselt, an anderer Stelle eine Pinnwand angebracht werden. Im Gang stehen nach einer Renovierungsaktion aussortierte Möbel, eine Mitarbeiterin des Instituts kommt vorbei und fordert für ihr Büro: „Herr Hartmann, ich will diesen Schrank“!

16.30 Uhr, Pforte

Gegen Nachmittag wird es ruhiger im UHG und Herr Hädrich an der Pforte kommt auf die großen Themen des Lebens zu sprechen. Weisheiten, die aus langjähriger Berufs- und Lebenserfahrung erwachsen sind, brechen sich Bahn: „Frauen sind sensibel – Männer schnell und pünktlich.“ Das sollte man sich merken.

19.00 Uhr, Cafeteria

Nachdem die zweite Schicht zur Mittagszeit eingewechselt worden ist, mitten im Trubel sozusagen, werfen die Mitarbeiterinnen nun einen abschließenden Blick über die größtenteils leer gefutterten Vitrinen. In einer halben Stunde können sie hoffentlich einen Schlussstrich unter die Kasse setzen.

23.00 Uhr, Hörsaalgebäude

Die Reinigungskräfte der Uni Jena sind scheu, für einen Interview-Termin waren sie nicht zu bekommen, dafür wären sie tagsüber auch viel zu müde gewesen. Denn um den Uni-Betrieb nicht zu stören, wird spät abends geputzt. Wir können ein solches Szenario also nur erahnen. Wenn draußen die Grillen zirpen, die Eule ruft und im Winter nur das Knacken des Eises zu vernehmen ist, wird in den Universitätsgebäuden dem Dreck der Krieg erklärt.
Zu den Waffen gehören: Besen, Schrubber, Putzlappen und natürlich: Chemikalien. Ob die Putzfrauen in diesen Nächten außer Gummihandschuhen auch Schutzmasken tragen, wissen wir nicht. Zur Flutung der Gänge empfiehlt sich der Einsatz von Wasserwerfern, um den hartnäckigen Schlamm von den Böden zu entfernen. Toiletteneingänge, hinter denen Berge von benutzten Papierhandtüchern das Hineingehen unmöglich machen, können wahrscheinlich nur noch mit Dynamit frei gemacht werden. Solange tausende Studenten jeden Tag die Uni-Gebäude unsicher machen, wird es zwischen den Fronten der Reinigungskräfte und den Müll- und Dreckbergen wohl niemals zu Friedensverhandlungen kommen.

2.00 Uhr, Ernst-Abbe-Platz

Aus dem Dunkel der Nacht rollt der Sicherheitsdienst erneut auf den Campus. Doch die Operationen der „Securitas“ müssen aus Sicherheitsgründen geheim gehalten werden. Es bleibt bei den Augenzeugenberichten von Runden drehenden weißen Kleinwagen und patrouillierenden Männern in Uniform. Damit wird es für die Mitarbeiter und Studenten keine bösen Überraschungen geben, wenn sie am nächsten Morgen wieder „ihre“ Uni beleben.



Foto: Anna-Sophie Heinze

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