„Einzelne Engpässe“

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Staatssekretär Thomas Deufel im Interview

Das Gespräch führte Philipp Böhm



Seit 2009 ist der ehemalige Universitätsprofessor Thomas Deufel Staatssekretär im Thüringer Ministerium für Bildung und Kultur. Mit Akrützel sprach er über die geplanten Kürzungen des Landes.

Vor einem Jahr hat Bildungsminister Christoph Matschie in einem Interview mit uns zusätzliche Mittel für die Thüringer Hochschulen versprochen. Jetzt liest man in den lokalen Tageszeitungen von Kürzungen im Bereich von 20 Millionen. Wie passt das zusammen?
Im Koalitionsvertrag haben wir gesagt, dass wir die Ausstattung der Thüringer Hochschulen verstetigen wollen. Wir wussten, dass die Landeshaushalte aller Länder sich in den nächsten Jahren dramatisch verringern werden. Wenn es uns gelingt, die Mittel auf ihrem Niveau zu halten, wo sie in anderen Ressorts halbiert werden, dann ist das eine Leistung, die nicht ganz ohne ist. Wir sichern, dass unsere politischen Schwerpunkte, und dazu zähle ich ausdrücklich die Hochschulen, ausreichend finanziert sind.

Sie sagen „verstetigen“ . Dennoch sind im Landeshaushaltsplan für das kommende Jahr erhebliche Kürzungen vorgesehen …
Hier müssen wir ganz genau hinsehen. Für 2011 hat die Thüringer Landesregierung einen Haushaltsentwurf vorgelegt, der im Volumen deutlich unter dem von 2010 liegt. Die Ausgaben des Landes müssen insgesamt verringert werden, da die Schulden, die wir aufnehmen könnten, limitiert sind. Dieses Limit haben wir fast erreicht.

Warum betrifft ein großer Teil der Kürzungen ausgerechnet die Bildung?
Das Budget des Kultusministeriums umfasst rund ein Viertel des gesamten Haushalts. Deshalb geht es bei der Haushaltskonsolidierung gleich um einen großen Betrag. Wenn Sie allerdings nachrechnen, werden Sie feststellen: Hätten wir tatsächlich ein Viertel der gesamten Einsparsumme geleistet, wären wir ganz woanders gelandet. Hier hat Minister Christoph Matschie unseren politischen Bildungsschwerpunkt verteidigt.

Was bedeutet das konkret für die Universitäten?
Für die Hochschulen heißt das: Gegen­über dem, was sie erwartet haben, wenn wir streng nach den Zusagen der Rahmenvereinbarung automatisch hätten aufstocken können, stehen jetzt etwa 20 Millionen weniger im Haushalt. Das gebe ich offen zu und das tut uns weh. Die tatsächliche Verringerung gegenüber 2010 ist jedoch deutlich geringer: 15,8 Millionen Bundesmittel kompensieren das wegfallende Geld des Landes in großen Teilen. Es bleibt eine schmerzliche Differenz von knapp 5 Millionen. Davon sind aber fast 3 Millionen ein Aufwuchs gegenüber 2010, der sich aus den Rahmenvereinbarungen mit den Hochschulen ergeben hätte. Netto betrachtet reden wir also über etwa 2 Millionen an Kürzungen und einen geringeren Anteil aus den Hochschulpaktmitteln.

Mit den Bundesmitteln meinen Sie das Geld aus dem Hochschulpakt 2020. Der verpflichtet die Hochschulen aber dazu, die Studentenzahlen auf ihrem momentanen Stand zu halten.
Der Bund kommt mit dem Hochschulpakt 2020 seiner Verpflichtung nach, die Länder finanziell so auszustatten, dass sie ihren Aufgaben in der Hochschulfinanzierung nachkommen können, und hier konkret, dass wir als so genannte “Halteländer” die derzeitigen Studentenzahlen auch dann vorhalten, wenn aus dem Land selbst wegen der geburtenschwachen Jahrgänge weniger Schulabgänger kommen. Ich will aber nicht abstreiten, dass die Studenten in Thüringen mehr geworden sind, als wir eigentlich halten müssten. Insofern ist es wichtig, dass die­se Bundesmittel den Hochschulen zur Verfügung stehen. Wir möchten gewisse Dinge auch ausbauen und gestalten. Das ist für 2011 nicht gelungen. Wir haben einmalig die sogenannte Notfallklausel der Rahmenvereinbarung des Hochschulpakts gezogen, wodurch die vertraglich vereinbarten Zahlungen an die Hochschulen nicht geleistet werden können, weil nach der Erklärung der Landesregierung die finanzielle Situation des Freistaats das derzeit nicht zulässt. Die Klausel sagt ausdrücklich, dass bei verbesserter Lage diese Verringerungen wieder wegfallen müssen..

Die Gelder vom Bund sind doch aber schon lange eingeplant.
Nein, die genaue Höhe dieser Mittel wird jedes Jahr neu definiert, abhängig von den realen Studentenzahlen, die wir abliefern. Der Hochschulpakt 2020 ist ja so etwas wie eine Prämie, die wir bekommen, weil wir eine bestimmte Leistung erbringen. Das hätte auch schief gehen können und schon wären die Einnahmen vom Bund nicht mehr da gewesen. Da kann sich niemand hinstellen und sagen: Das sind Einnahmen, die auf jeden Fall da gewesen wären. Richtig ist, dass die Hochschulen ihre Zusagen gehalten haben und dass wir deshalb die Bundesmittel erhalten, die wir ja auch für die Hochschulen einsetzen.

Selbst wenn die Mittel verstetigt werden, sind die Hochschulen aber personell nach wie vor überlastet.
Das halte ich für eine schwierige Aussage. Wenn wir uns im Bundesvergleich umsehen, finden wir bestätigt, dass die Personalausstattung der Thüringer Hochschulen mitnichten hinter die der anderen Bundesländer zurückfällt. Im Bundesdurchschnitt liegen wir ziemlich gut.

Dennoch hat die Uni Jena in den vergangenen Verhandlungen mit dem Land immer wieder darauf hingewiesen, dass mit der momentanen Personalsituation keine gute Lehre gewährleistet werden kann.
Das nehme ich zur Kenntnis. Ich muss trotzdem auf die Zahlen verweisen. Die Personalausstattung der Thüringer Hochschulen kann sich im Bundesvergleich sehen lassen. Das äußert sich beispielsweise in den bundesweiten Umfragen. Dort wird Thüringen als eines der Länder wahrgenommen, in dem die Betreuungssituation an den Hochschulen und deren Ausstattung besonders gut sind. Ich kann nicht abstreiten, dass es in einzelnen Bereichen Engpässe gibt, was die personellen Ressourcen angeht. Dort müssen dann Mittel möglicherweise anders eingesetzt werden, um die Umstände zu verbessern. Insgesamt werden die Studienbedingungen in Thüringen von einer großen Zahl von Studierenden offenbar erheblich besser eingeschätzt, als die Diskussion hier vermuten lässt.

Also sind die Thüringer Hochschulen nicht überlastet?
Wir wissen, wo es Belastungssituationen gibt und arbeiten gemeinsam daran, diese speziellen Situationen zu bessern. Wir tun aber dem Studienstandort Thüringen und den Thüringer Hochschulen keinen Gefallen, wenn wir so tun, als würden wir hier die Katastrophe verwalten. Wir sollten mit unserer Außendarstellung da vielleicht etwas sorgfältiger umgehen. Wir brauchen die Studierenden von überallher in Thüringen und wir wollen sie.

Dennoch sind in den vergangenen Jahren zahlreiche Studenten gegen die Bedingungen an den Thüringer Hochschulen auf die Straße gegangen…
Generell muss man sich hier die Einzelfälle anschauen: Wo gibt es Bedarf und wo haben wir andererseits eine Ausstattung, mit der wir leben können? Während des Bildungsstreiks habe ich selbst immer wieder darauf hingewiesen, dass man vielleicht die realen Zustände und die gefühlten Zustände miteinander vergleichen sollte.

Aber auch der Rektor der Uni Jena, Klaus Dicke, hat den geplanten Haushalt kritisiert.
Der Rektor ist seiner Verantwortung gerecht geworden. Er muss sehen, dass er für seine Hochschule möglichst gute Bedingungen schafft. Das ist völlig richtig und ich hätte es genauso gemacht. Er weiß aber auch und akzeptiert, dass es bei der derzeitigen Haushaltslage notwendig ist, dass alle einen Beitrag zum Sparen leisten. Die Landesrektorenkonferenz hat den Haushalt für 2011 gewiss nicht gern zur Kenntnis genommen, aber auch festgestellt, dass es unsere gemeinsame Aufgabe ist, in den kommenden Verhandlungen zur Fortschreibung der Rahmenvereinbarungen für 2012 dafür zu sorgen, dass wir auch weiterhin eine gute Finanzierung für unsere Thüringer Hochschulen bekommen.

Die Überlastung betrifft ja nicht nur die personelle Situation, sondern auch die Kapazitäten. An der FSU haben wir derzeit 9.300 flächenbezogene Studienplätze für fast 22.000 Studenten.
Wir haben in den Koalitionsverhandlungen gesagt, dass es hier im Hochschulbau einen Nachholbedarf gibt. 2010 ist es uns gelungen, den Hochschulbau besser zu stellen durch Rückführung auf die vereinbarten 70 Millionen pro Jahr. Für 2011 konnte das leider nicht vollständig fortgeschrieben werden. Wir haben aber dafür sorgen können, dass alle Baumaßnahmen die bereits begonnen wurden, im kommenden Jahr planmäßig weitergeführt werden können. Real entsprechen die verfügbaren Mittel den Anträgen der Hochschulen, die Einsparung betrifft eine Streckung des Neubaus am Uniklinikum in Jena, die sich aus dem veränderten Bauablauf erklärt.

Was ist mit neuen Bauten?
Neu zu beginnende Bauten wird es 2011 nicht geben. Der Hochschulbau ist aber auch kein Unternehmen für die nächsten zwei Jahre. Hier reden wir über sehr viel Geld, das wir über lange Zeiträume und mit langfristigen Konzepten, die über eine Legislaturperiode weit hinausreichen, investieren werden.

Welche Perspektiven sehen Sie in den nächsten Jahren für die Thüringer Hochschulen? Geht es jetzt bergab mit der Finanzierung?
Jeder, der Zeitung liest, weiß, dass wir in den nächsten Jahren auch in Thüringen schwierige Aufgaben in der Konsolidierung der Landesfinanzen zu bewältigen haben. Wir können nicht sagen: Da passiert gar nix. Wir wollen unsere Hochschullandschaft so stark und so leistungsfähig halten, wie sie ist. Das heißt aber auch, dass wir in der gemeinsamen Diskussion sehr gut begründen müssen, warum wir wie viel Geld in die Hochschulen hineinstecken.

Wie muss man sich das vorstellen?
Wir werden uns mit den Hochschulen hinsetzen und ganz sorgfältig die Leistungsfähigkeit, die Struktur und die Entwicklung der Hochschulen im Ganzen ansehen, um dann eine gemeinsame Planung zu erarbeiten.  In den Verhandlungen zur Rahmenvereinbarung werden wir sicherstellen müssen, dass die Gesamtheit der verfügbaren Mittel, also Landes- und Bundesmittel, auf dem momentanen Niveau gehalten werden kann und dass die notwendigen Spielräume in der Gestaltung und Verbesserung der Hochschulen erhalten bleiben. Das ist eine Herausforderung für die konzeptionelle Arbeit des Landes und der Hochschulen in gleicher Weise.

Besteht zumindest die Möglichkeit, die Mittel nach 2011 wieder zu erhöhen?
Das kann ich jetzt nicht sagen. Für die neue Rahmenvereinbarung soll der Haushalt 2011 nicht Vorbild sein. Wir haben die Notfallklausel gezogen, weil wir 2011 einen Sonderbeitrag zur Konsolidierung des Haushalts geleistet haben. Das ist nicht das Muster, nach dem wir die Rahmenvereinbarungen verhandeln.

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