Verschnaufen ist nicht drin

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Eine Zwischenbilanz von Christoph Matschies Bildungsplänen

Von Janina Rottmann




Was er wohl als nächstes ausheckt?
Foto: Katharina Schmidt

Im November war die Welt noch in Ordnung. Christoph Matschie war gerade zwei Wochen lang im Amt, das neue Büro im Kultusministerium nur mit dem Nötigsten bestückt und schon eilte der SPD-Minister von Termin zu Termin, um seine großen Pläne für die Bildungspolitik zu erläutern: den Verwaltungskostenbeitrag abschaffen, die Zuschüsse für die Studentenwerke erhöhen, mehr Wohnraum in Thüringen schaffen, keine Studiengebühren.

Erste Schritte

Und tatsächlich: Die 50 Euro Verwaltungskostenbeitrag bleiben den Studenten mittlerweile erspart, den Thüringer Hochschulen wird der Fehlbetrag vom Land erstattet. Auch erhöhten sich die Zuschüsse für das Studentenwerk im Vergleich zum Vorjahr um eine halbe Million Euro. Und dass zumindest in dieser Legislaturperiode keine Studiengebühren erhoben werden, ist sicher – weil man sich einig ist, dass dies ein Pluspunkt für die ostdeutschen Hochschulen darstellt.
Die Thüringer Landesregierung verabschiedete zudem kürzlich eine Richtlinie, die Bauträgern wie dem Studentenwerk finanzielle Anreize bietet, wenn diese in Gegenden studentischer Wohnungsnot bauen. „Diese Maßnahme soll kurzfristig Wohnraum für Studenten schaffen, wo er dringend gebraucht wird. Jena gehört dazu“, sagt Thomas Deufel, Staatssekretär im Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur.
Sechs Monate, einen Bildungsgipfel und den nunmehr dritten Studentenstreik später hat sich trotzdem fast überall betretenes Schweigen eingestellt. Der ambitionierte Bildungsgipfel im Kanzleramt mit Kultusministern und Kanzlerin Angela Merkel ist „grandios gescheitert“, so Matschie. Die Bundesländer einigten sich im Vorfeld auf ihre Position: Ohne Erhöhung der Zuschüsse vom Bund gibt es keine weiteren Ausgaben für Bildung und Forschung. Letztlich ihr gutes Recht – denn seit der Föderalismusreform von 2006 verantworten die Länder quasi allein die Bildungsausgaben. Und dass diese am Hungertuch nagen, ist keine Neuigkeit. „Die Länder fordern eine vernünftige finanzielle Grundausstattung vom Bund, der bisher die unterschiedlichen Ausgangsbedingungen und Schwerpunkte der Länder ignoriert“, erklärt Deufel den Grundkonflikt.
Das Hauptproblem der Universitäten ist jedoch längst zum Dauerbrenner geworden und wird schon kaum mehr angesprochen: der Mangel an Lehrpersonal. Bereits vor der Einführung der neuen Studiengänge ist nicht bedacht worden, dass sich die Regelstudienzeiten von neun (Magister oder Diplom) auf zehn Semester (Bachelor plus Master) verlängern. Dies bedeutet einen höheren Bedarf an Lehrpersonal an Hochschulen und Fachhochschulen nicht nur in Jena. „Die Universität Jena benötigt gut 15 Prozent mehr Lehrpersonal, um das zusätzliche Semester abdecken zu können“, so Kurt-Dieter Koschmieder, Prorektor für Lehre und Struktur. In Euro ausgedrückt: etwa 20 Millionen.

Trostlosigkeit im Thüringer Hochschultopf

Mittlerweile versucht die Landesregierung fleißig bei den Finanzen zu werkeln: Kultusminister Matschie kündigte im Februar auf dem ersten Thüringer Hochschulgipfel eine Soforthilfe namens „Pro Studium“ an. Im Zuge dessen wurden an die Thüringer Hochschulen mittlerweile insgesamt 3,7 Millionen Euro verteilt. Jenes Sofortprogramm entpuppt sich bei genauerer Betrachtung jedoch als Mogelpackung. Es besteht aus bereits versprochenen oder gezahlten Geldern an die Thüringer Hochschulen – in Jena beinhaltet es z. B. den finanziellen Ausgleich für den abgeschafften Verwaltungskostenbeitrag.
Das Kultusministerium zeigt zumindest weiterhin den Willen, die Hochschulen bei der Umsetzung der Bologna-Reform zu unterstützen. Am Mittwoch, den 30. Juni, fand in Erfurt ein Dialogforum gemeinsam mit Deufel und Vertretern der Thüringer Hochschulen statt, bei dem es ein weiteres Mal um die Probleme ging, die die Studienreform verursacht hat. Auf dem jüngsten Bildungsgipfel Anfang Juni konnte der dort beschlossene Qualitätspakt auch bei den Ländern Anklang finden, die ein Zehntel davon finanzieren. Die Bundesregierung stellt den deutschen Universitäten und Fachhochschulen bis 2020 jährlich Mittel in Höhe von circa 200 Millionen Euro zusätzlich bereit. Jede Hochschule kann für konkrete Projekte eine Förderung beantragen.
Trotz der Etappensiege kann es sich Christoph Matschie ein halbes Jahr nach Amtsantritt noch nicht so recht in seinem Büro bequem machen. Zwar wurden Einzelversprechen zunächst eingelöst, aber viele Maßnahmen kommen eher einem Feuerlöschen gleich. „Wir werden gemeinsam mit den Hochschulen die Lehre und die Studienbedingungen verbessern, kurzfristige Lösungen alleine reichen nicht“, sagt auch Deufel. Bis jetzt gibt es keinerlei Anzeichen, dass sich Matschies finanzieller Spielraum in absehbarer Zeit wundersam vergrößern würde, sodass er drängende Probleme wie z. B. den Lehrpersonalmangel angehen könnte. Zudem ist die Debatte zwischen Ländern und Bund um das Wer-bezahlt-was in der Bildung weiterhin verfahren und wird auch in der nächsten Zeit die Gemüter erhitzen.
Für die Studenten dennoch kein Grund zum Däumchendrehen: Indem sie auf die Probleme in ihren Studiengängen hinweisen und auf die Fakultäten zugehen, können sie dafür sorgen, dass die Probleme rund ums Studium auch in Zukunft gut lesbar ganz oben auf Matschies Schreibtisch liegen.

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