Hamletine und König Pappkopf

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Theaterhaus Jena versucht sich an Shakespeare-Inszenierung

Von Johannes Weiß

Foto: Joachim Dette / Theaterhaus So ein Pappkopf kann ganz schön kuschlig sein.

Man sagt dem Dänenprinzen Hamlet ja gerne nach, dass er vor lauter Nachdenken nicht mehr zum Handeln komme. Nachwuchsregisseurin Alice Buddeberg und das Ensemble des Theaterhauses Jena gehen in ihrer Neuinszenierung von Shakespeares Klassiker lieber den umgekehrten Weg: Jegliche reflektierte Auseinandersetzung mit dem Stoff geht hier in einer Welle von blindem Bühnenaktionismus unter.

Gott sei Dank erschien in der Thüringischen Landeszeitung zur Premiere am 17. Dezember ein Interview mit der Regisseurin, das zwar nicht deren Konzept, aber so manches andere erklärt und übrigens den Unterhaltungswert der Inszenierung bei weitem übertrifft. Die Frage, warum lediglich vier Schauspieler sämtliche wichtige Rollen im Stück verkörpern, beantwortet Buddeberg offenherzig mit dem Hinweis auf die „Personalsituation am Jenaer Theater“. Als sei ihr so viel Pragmatismus peinlich, fügt sie vorsichtshalber noch eine künstlerische Begründung hinzu, nämlich dass sie „komplett auf die junge Generation“ setzen wollte und daher nur die Rollen des Hamlet (Zoe Hutmacher), des Horatio (Kai Meyer), des Laertes (Ralph Jung) und der Ophelia (Julian Hackenberg) besetzt habe. Die älteren Figuren wie König Claudius, Königin Gertrude und Hofkämmerer Polonius treten hingegen nur dann auf, wenn sich die Schauspieler zwischenzeitlich große Pappmaché-Köpfe überstülpen.

Schreien und Stampfen

Wer Buddebergs Begründung für diesen ständigen Rollenwechsel bereits etwas inhaltsleer und beliebig findet, darf auf ihre Erklärung gespannt sein, warum denn Hamlet ausgerechnet von einer Frau gespielt werden muss: „Weil wir das Spiel an sich thematisieren. Man kann auch das andere Geschlecht spielen“. Nach dieser Logik hätten auch Schimpansen die Rollen übernehmen können; die hätten sogar ziemlich gut ins Regiekonzept gepasst, das ohnehin weitgehend nur aus Schreien und Stampfen besteht. Immerhin eine Ironie, die Shakespeare alle Ehre macht: Im einen Moment warnt Hamlet vor der „Übertreibung“, die dem Zweck eines Schauspiels widerspreche, im nächsten toben die Schauspieler über die schräge Bühne und brüllen sich die selbe Szene fünfmal hintereinander immer lauter ins Gesicht. Auch dafür gibt es wohl eher pragmatische als dramaturgische Gründe, denn Brüllen ist nun mal das, was das Jenaer Theaterensemble immer noch am besten kann. Buddeberg gibt unumwunden zu, dass sie Zoe Hutmacher deswegen für die Rolle des Hamlet ausgewählt hat, weil sie die nötige „Wut“ mitbringe. Hamlet also nicht mehr als Melancholiker, sondern als Choleriker – für diese untypische Sichtweise mag es vielleicht sogar gute Gründe geben. Nur ist von denen nichts auf der Bühne zu sehen. Stattdessen ein undifferenzierter, bedeutungsloser, langweiliger und lauter Versuch, dem Klassiker etwas Neues abzugewinnen.

Wahnsinn ohne Methode

Dabei übt die Grundidee, durch das Maskierungsmotiv Hamlets Frage nach Sein oder Nicht-Sein zu unterstreichen und auf verborgene Identitätsproblematiken aufmerksam zu machen, auf den ersten Blick durchaus einen gewissen Reiz und Überzeugungskraft aus. Doch die Umsetzung auf der Jenaer Bühne wirkt wie Wahnsinn, der nicht einmal Methode hat. Zu viel geht hier durcheinander, als dass noch klare Konturen erkennbar bleiben könnten, und zu viel wird überstrapaziert, als dass es noch Wirkung entfalten könnte. Die Titelfigur ist ein Jammerlappen, der seine Nachdenklichkeit zumeist lautstark übertönt, seine Geliebte Ophelia – natürlich von einem Mann gespielt – eine Witzfigur, die sich schließlich im wahrsten Sinne des Wortes langatmig in einem Wassereimer ertränkt. Die Zuneigung Horatios zu seinem Freund Hamlet präsentiert sich auf so überzogene Weise, dass sie irgendwann in einen leidenschaftlichen Kuss mündet; ebenso weit vom Original entfernt sich die Schlussrede des Prinzen Fortinbras (Hannah Heinzelmann), der aus Chaplins „Der große Diktator“ zitiert und die Überlebenden auf der Bühne und im Publikum dazu auffordert, „keine Roboter“ zu sein.
Etwas ist faul im Theaterhaus Jena. Die betont wohlwollenden Rezensionen dieser Hamlet-Inszenierung in der Lokalpresse zeigen, wie sehr die Erwartungen an die Qualität der Aufführungen offenbar bereits gesunken sind. Wenige Tage vor der Premiere veröffentlichte der Künstlerische Geschäftsführer des Theaterhauses, Markus Heinzelmann, eine Stellungnahme zu den geplanten Einsparungen der Stadt beim Sommerspektakel der Kulturarena. Gegen das, was er zu Recht als „kulturelle Bankrotterklärung“ bezeichnet, sind solche Inszenierungen leider ein schlechtes Argument. Denn ein Stück weit ist ein solch verbrauchter „Hamlet“ nichts anderes als eine künstlerische Bankrotterklärung.

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