Der springende grüne Punkt

Was die Uni und das Studentenwerk für Nachhaltigkeit tun

Von Johanne Bischoff, Jan-Henrik Wiebe, Susanne Veil

Wieder einer dieser Morgen an denen der Wecker viel zu leise klingelt. Die gestrige Party steckt auch noch in den Knochen. Schnell aus dem Bett und heiß duschen. Weil das Wasser so langsam warm wird, läuft es – während die Zähne geputzt werden – ungenutzt in den Abfluss. Das Licht im Bad bleibt heute an, die Zeit ist zu knapp. Auch das Küchenradio darf den ganzen Tag ohne Hörer vor sich hindudeln. Schuhe an und ab in die Uni. Weil es nieselt, lieber mit dem Bus. Das Semesterticket ist ja bezahlt. In der Cafeteria noch schnell einen Coffee to go – natürlich im Pappbecher. Das Pfand für die Tasse abzuholen vergisst man sowieso. Mittags in die Mensa? Da ist es immer so voll, also lieber zur Fastfoodbude um die Ecke. Das Tablett mit Kartons, Tüten, Burgerresten und Plastikbesteck zum Container jonglieren und alles in eine Tonne. Zurück in den Seminarraum. Wieder sind alle Plätze belegt. Also den letzten Stuhl neben dem Fenster erkämpfen. Der Dozent will, dass es offen bleibt. Naja, wenigstens die Heizung kann dann in Eigenregie hochgedreht werden. Abends dann zum Basketball. Der Platz ist beleuchtet – die ganze Nacht hindurch. Um den Tag richtig studentisch ausklingen zu lassen, geht es in die Wagnergasse. Drinnen rauchen dürfen die Gäste nicht mehr, darum unter den Heizpilz gesetzt und eine Zigarette nach der anderen geraucht. Weil der Aschenbecher voll ist, landen die Kippen auf dem Boden. Die Kehrmaschine wird es schon richten. Bei der Kellnerin bestellt man sich dann aber doch einen Fairtrade-Bio-Wein. Um das Gewissen zu beruhigen.

Die Hochschule verbraucht Strom, Wärme und Wasser und produziert Müll. Doch gibt es Anstrengungen, alle Werte nach unten zu regulieren. In Haushalten entsteht durch Heizen die höchste COâ‚‚-Belastung, das wird in Universitäten – abgesehen von Laborbereichen mit hohem Strombedarf – ähnlich sein. Gebäude brauchen darum eine gute Wärmedämmung. In Jena hat die Universität ungefähr 150 größere Objekte, von denen ein knappes Drittel unter den speziellen Sanierungsauflagen des Denkmalschutzes steht. „Wir würden viel mehr machen, aber das ist eine finanzielle Frage“, versichert Marina Sammler, Mitarbeiterin im Dezernat für Technik und Liegenschaften. „Wir können ja nicht nur energetisch sanieren, wir müssen auch den Bestand pflegen“, fügt sie hinzu. Denkmalgeschützte Gebäude sind am teuersten zu modernisieren: Fenster müssen speziell angepasst werden und Wärmeisolierung ist in der Regel nur von innen möglich.
Dass bei der Dämmung durchaus Bedarf besteht, zeigt sich am Geowissenschaftlichen Institut. Weil die Räume im Winter immer so kalt waren, suchte man sich Hilfe beim Verein Sunfried. Ein Experte wurde engagiert, der Stellen des Wärmeverlustes lokalisieren sollte. „Ihm ist aufgefallen, dass die Dämmung im Dach schlecht ist. Wir haben dann zwei Möglichkeiten gehabt: Zum einen hätte eine Totalsanierung helfen können. Aber auch eine abgespeckte Variante, die schon viel bringen kann, ist möglich. Die würde weniger als 20.000 Euro kosten“, so Katja Puschkarsky, Sprecherin des Vereins.

Nachhaltigkeit 2.0

Marina Sammler und ihr Dezernat arbeiten derzeit an einer Homepage, auf der alle Verbrauchsdaten der Universität veröffentlicht werden sollen: „Andere Unis erstellen Nachhaltigkeitsberichte.“ Die Mitarbeiter des Dezernates wollten keinen Bericht verfassen, der dann ungelesen bleibt. Darum entschieden sie sich für eine Visualisierung auf der Website.
Schon das Festlegen der einzelnen Bereiche stellte sie allerdings vor ein Problem: Nicht jedes Uni-Gebäude hat seinen eigenen Zähler, viele sind auch in Fernwärme- und Trafostationen zusammengefasst. Das macht das Ermitteln genauer Daten unmöglich. „Nicht überall können wir Zähler nachrüsten, darum haben wir Bereiche festgelegt“, erklärt Sammler. Wichtig ist ihr, nicht zu vergessen, dass nicht alle Institute miteinander ver­glichen werden können. So ist der Stromverbrauch in einem physikalischen Labor sehr viel höher als der Verbrauch in den Büros des Historischen Instituts.
Die Idee zur Homepage, die in den nächsten Wochen ins Netz gestellt werden soll, kam den Machern in der Arbeitsgruppe Umwelt, in der neben den Mitarbeitern der Verwaltung unter anderem auch der Rektor und Mitglieder des Umweltreferates zusammenkommen. „Wir haben uns in dieser Konstellation vor einem Jahr zum letzten Mal getroffen“, sagt Felix Quittek, Umweltreferent des Stura, „das liegt aber daran, dass wir erstmal die zwei größeren Projekte beenden wollten, bevor wir etwas Neues anfangen.“ Neben der Transparenz, die durch die Internetpräsenz entstehen soll, hat das Umweltreferat den Leitfaden „Auf grünen Wegen“ erarbeitet. Auf knapp 40 Seiten befasst sich diese Broschüre mit Fakten rund um das Thema Nachhaltigkeit. Für Felix ist dabei der Ton entscheidend: „Wir haben versucht, unseren Leitfaden ziemlich sachlich zu schreiben. Die Leute sollen das lesen und nachdenken – nicht in eine Abwehrhaltung getrieben werden.“ Er will nicht der antihedonistische Besserwisser sein, sondern wirklich etwas bewirken.
Einen Beitrag zu leisten – dieses Ziel verfolgen auch die Mitglieder des Vereins Sunfried. Sie haben dank vieler Kleindarlehen eine Solaranlage finanziert. Mit Werbung und Engagement haben sie 68.000 Euro zusammengetragen und standen dann vor der Aufgabe, ein passendes Dach zu finden: „Dabei haben wir Unterstützung von der Universität bekommen. Die Statik musste geprüft werden. Denkmalgeschützte Gebäude fielen von vornherein weg“, erinnert sich Katja Puschkarsky. Seit der Errichtung Ende 2009 erwirtschafte die Anlage 7.000 Euro im Jahr, so könne den Investoren ihr Geld und eine Gewinnausschüttung garantiert werden. „Außerdem haben wir jetzt zwei Hiwis, die die Anlage wissenschaftlich begleiten. Eine der beiden Stellen sponsert Professor Gerhard Paulus vom Institut für Optik und Quantenelektronik.“ Sein Interesse an den Daten brachte ihn dazu, die Mittel zur Verfügung zu stellen.
Die gesamte Uni mit Solaranlagen auszustatten sei aber nicht möglich. Weil die Universität nicht selbst ihren Stromanbieter wählen könne, sondern ihn vom Land Thüringen zugeschrieben bekomme, sei es bis jetzt nicht möglich, Ökostrom zu beziehen. Zum Jahreswechsel verbessert sich der Energiemix trotzdem: Bisher kam der Strom von Vattenfall und wurde zu 69 Prozent aus fossilen Brennstoffen, 26 Prozent aus regenerativen Quellen und fünf Prozent aus Kernenergie gewonnen. Der neue Anbieter enviaM hingegen garantiert, 75 Prozent der Energie aus regenerativen Ressourcen zu ziehen. Dafür können die restlichen 25 Prozent gemischt zusammengestellt werden, was auch bedeuten kann, dass diese ausschließlich Kernenergie beinhalten.
Außerdem sei die Universität gezwungen, Fernwärme – ein Abfallprodukt der Stromerzeugung – zu beziehen. Der Stadtrat beschließt, welche Gebiete angeschlossen werden. Dem könne man nur entgehen, wenn nachgewiesen werden kann, dass Wärme selbst emissionsfrei erzeugt werden kann.
„Die Universität fährt nachts und an den Wochenenden die Temperaturen runter. Das ist auch ein Grund, warum die Uni zwischen Weihnachten und Neujahr schließt. Wir müssen inzwischen alle Urlaub machen. Da war Jena eine der ersten Universitäten“, sagt Marina Sammler. Ihrer Meinung nach könne man aber noch mehr einsparen.
Mit den Maßnahmen im Bereich Wassersparen ist sie hingegen zufrieden. Nach und nach wurden Armaturen eingebaut, die einen geringeren Durchlauf haben. Im Bereich „Campus“ konnte so der bisherige jährliche Wasserverbrauch von mehr als 16.000 Kubikmeter um etwa 3.100 reduziert werden. Das ist mehr als eine Füllung des Olympiabeckens in Berlin. An den Waschbecken der Toiletten wird inzwischen auf warmes Wasser verzichtet. Auch Felix vom Umweltreferat hält das für eine sinnvolle Maßnahme: „Das Problem ist gar nicht, dass Wasser verschwendet wird. Denn unser Abwassersystem ist auf einen hohen Durchlauf ausgelegt. Viel bedenklicher ist das Verschwenden von warmem Wasser.“

Regenwasser zum Spülen

Auch das Studentenwerk verstärkt seine Bemühungen. „Gerade bei Neubauten werden große Bemühungen aufgebracht. Sie installieren zum Beispiel Anlagen zur sogenannten Grauwassernutzung. Die sorgen dafür, dass Regenwasser zum Toilettenspülen genutzt wird“, erklärt Felix. Auch die Wärmedämmung sei vorbildlich.
Problematisch ist aber, dass Mieter der Wohnheimzimmer eine Strom- und Wasserflatrate haben. Das verleitet zum unreflektierten Konsum. „Wir haben mit Zählern in einem Wohnheim in Weimar ausprobiert, ob Studenten bei verbrauchsabhängiger Abrechnung mehr sparen. Das hat sich nicht gerechnet. Was man gespart hat, wurde durch höhere Kosten wieder kompensiert“, entgegnet Siegfried Kinzel, Abteilungsleiter Studentisches Wohnen. Außerdem sei auch die Fluktuation der Mieter zu groß.
Felix hat das Gefühl, dass das Studentenwerk von innen heraus Nachhaltigkeit anstrebt: „Im neuen Jahr eröffnet im jetzigen Pasta Basta eine rein vegetarische Mensa.“ Das Umweltreferat hat diese Idee an das Studentenwerk herangetragen. Es wollte das fleischlose Angebot verbreitern und den allgemeinen Fleischkonsum der Studenten reduzieren. Für die Produktion von Fleisch werden viel mehr Ressourcen benötigt. Außerdem soll der Anteil des biologisch angebauten Essens sukzessive gesteigert werden.
Olaf Herrmann, der stellvertretende Küchenchef bestätigt, dass entstandener Abfall in Pappe, Hausmüll und Biomüll getrennt und jeweils von verschiedenen Unternehmen abgeholt und entsorgt werde. Ein bisschen Hochachtung schwingt mit, wenn er über das Kalkulationsvermögen seines Chefs redet: „Wenn Herr Kirmse vormittags mit 900 Essen rechnet, verkaufen wir am Tag 880.“ Und falls die Kartoffeln doch einmal zu früh ausgehen sollten, könne man auf Reis zurückgreifen.
Meist sind es die kleinen Dinge, die etwas bewirken. So verabschiedete der Stura Nachhaltigkeitsrichtlinien. In diesem Zusammenhang wurde angeregt, dass Ökopapier benutzt werden soll. „Das ist schwieriger als man denkt, denn unsere Drucker würden mit dem normalen Recyclingpapier kaputtgehen“, erklärt Christoph Pregla, Technikreferent vom Stura. Das Problem ist so einfach wie banal: „Zu holzig.“ Doch durch einen Zufall ist der Informatikstudent auf ein Papier gestoßen, dass dem normalen in nichts nachsteht: Es ist zu hundert Prozent recycelt, ganz weiß und trotzdem chlorfrei. Nach Rücksprache mit dem Umweltreferat konnte dann endlich das neue Papier bestellt werden. „Wir mussten natürlich noch die Restbestände des alten aufbrauchen, aber am Semesteranfang druckt sich das weg“, erzählt Christoph. „Auch wenn das Ökopapier im Einkauf um 25 Prozent teurer ist, bleibt der Preis für die Studierenden vorerst bei zwei Cent.“
In einem sind sich Marina Sammler vom Dezernat für Technik und Liegenschaften und Felix Quittek vom Umweltreferat einig: Sowohl Studenten als auch Mitarbeiter der Hochschule müssen ein Bewusstsein für ein nachhaltiges Leben entwickeln. Felix wünscht sich, dass „man zum Beispiel bei Klamotten auf Langlebigkeit achtet. Keine Plastiktüten oder To-go-Becher. Jeder muss sich die Gedanken machen. Es ist nicht wichtig, dass die Menschen sich einen Regelkatalog aufstellen und den dann abarbeiten. Sie sollen hinterfragen, was sie machen und was sie dabei verbrauchen.“
Von der Universität verlangt er, dass das Wissen über Nachhaltigkeit in der Lehre vermittelt wird. „In ASQ-Modulen wäre das ziemlich leicht zu bewerkstelligen.“ Außerdem müsse eine Stelle für Nachhaltigkeitsmanagement geschaffen werden: „Natürlich könnte es sein, dass dafür zwei Hiwi-Stellen gestrichen werden müssen. Aber der Nutzen wäre absolut gegeben.“ Ihn stört, dass die Uni Nachhaltigkeit als wichtig bezeichnet, am Ende aber doch nur halbherzig verfolgt.


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