„Viele kleine Schritte“

Im Gespräch über Wege zur Nachhaltigkeit: Professor Schaltegger

Das Gespräch führte Jan-Henrik Wiebe




Was tun Universitäten und Unternehmen für die Nachhaltigkeit und was steckt eigentlich hinter diesem Begriff? Das Akrützel sprach mit Prof. Dr. Stefan Schaltegger von der Leuphana-Universität Lüneburg, dem Leiter des Forschungszentrums für Nachhaltigkeitsmanagement an der einzigen nachhaltigkeitswissenschaftlichen Fakultät in Deutschland und Gründer des ersten MBAs für Sustainability Management.Foto: Utopia, R. Stalla

Was ist die Philosophie hinter dem Nachhaltigkeitsmanagement?

Darunter verstehe ich die integrative Berücksichtigung sozialer, ökologischer und ökonomischer Aspekte in der Unternehmensführung. Dabei geht es erstens darum, eine Organisation nachhaltig zu entwickeln und sie zweitens zu befähigen, einen konstruktiven Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung in Wirtschaft und Gesellschaft zu leisten.

Und was machen Nachhaltigkeitsmanager, die Sie an der Leuphana-Universität Lüneburg ausbilden?

Das sind Personen, die sich mit der nachhaltigen Entwicklung der Organisation befassen. Es gibt implizite Nachhaltigkeitsmanager, die zum Beispiel Werke, Produktion oder Produktentwicklung leiten und sich dort die Aufgabe stellen, Nachhaltigkeitsaspekte zu berücksichtigen. Man wird immer Auswirkungen haben, die die Nachhaltigkeit oder Unnachhaltigkeit beeinflussen und wenn man dies nicht explizit managt, dann wird akzeptiert, dass im Regelfall ein negativer Beitrag geleistet wird.

Welche Branchen setzen besonders auf nachhaltige Entwicklung?

Das kann ich so generell nicht beantworten. Was man sagen kann, ist, dass es zeitliche Verschiebungen und andere Schwerpunktsetzungen gibt. Die Chemieindustrie war relativ früh dran, weil sie auch besonders exponiert war durch Unfälle. In der Ernährungsbranche beispielsweise sieht man eine stärkere Ausrichtung des Nachhaltigkeitsmanagement in Richtung Produktentwicklung und Marketing, während die chemische Industrie sehr auf Risikomanagement setzt. Die konventionelle Energiebranche ist mehr auf Kommunikation und Risikomanagement ausgerichtet. Die unterschiedlichen Schwerpunkte hängen damit zusammen, von welchen Fragestellungen die Unternehmen herausgefordert werden. Man kann nicht sagen: Die einen machen etwas und die anderen machen nichts.

Wie groß ist die Nachfrage nach zukünftigen Nachhaltigkeitsmanagern?

Wir haben gerade eine Befragung bei unseren MBA-Absolventen gemacht und haben da sehr deutlich gesehen, dass es eine große Nachfrage gibt und die Leute alle sehr gute Stellenangebote bekommen. Wobei sehr gut heißt, dass sie die Stellen bekommen, wo sie Sinn und Erfüllung in ihrer Arbeit sehen. Es besteht also Bedarf an Nachhaltigkeitsmanagern.

Warum setzt die Leuphana auf Nachhaltigkeit?

Weil engagierte Menschen, die an der Uni arbeiten, zu der Überzeugung gelangt sind, dass das eine der wesentlichsten Zukunftsfragen der Zivilgesellschafft des
21. Jahrhunderts ist. Die Leuphana hat sich das Ziel gesetzt, nicht als Elfenbeinturm dazustehen, sondern in eine Interaktion mit der Gesellschaft zu treten und einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung zu leisten.

Welche grundlegenden Schritte hat die Uni getan, um dorthin zu gelangen, wo sie jetzt steht?

Das sind viele kleine Schritte gewesen. Ein wichtiger Markstein ist die Einrichtung der Stelle einer Umweltkoordinatorin. Damit fand eine Institutionalisierung statt. Außerdem hat man Studiengänge eingerichtet und eine Fakultät für Nachhaltigkeitswissenschaften ins Leben gerufen. Wir waren auch, so weit wir wissen, die erste Uni, die sich das klare Ziel gesetzt hat, vollständig klimaneutral zu werden.

Hier an der Uni Jena gibt es zum Beispiel keine Umweltkoordinatorin. Ist es ohne eine solche Stelle unmöglich, nachhaltig zu werden?

Man kann erhebliche Fortschritte ohne Umweltkoordinator oder Nachhaltigkeitsbeauftragte machen. Das ist grundsätzlich möglich, aber es ist sehr viel schwieriger. Es braucht Personen, deren Aufgabe und Selbstverständnis darin besteht, die Organisation zu unterstützen, in Richtung nachhaltige Entwicklung voranzuschreiten. Für Fortschritte bezüglich Themen wie Energieeffizienz, Campusentwicklung und Verkehrskonzept ist so eine Person sehr wichtig. In der Lehre ist es nötig, dass Nachhaltigkeit im Curriculum verankert ist, dass der Präsident, der Vizepräsident und auch der Dekan sich das Thema auf die Fahne schreiben und vorantreiben.

Was bringt es der Uni für Vorteile, wenn sie verstärkt auf Nachhaltigkeit setzt?

Zuerst einmal entspricht es unserem Grundverständnis, dass wir sagen, wir wollen einen Beitrag zur Entwicklung und zur Lösung der wesentlichen Probleme und Fragestellungen in der Zivilgesellschaft leisten. Dazu gehört Nachhaltigkeit ganz zentral. Wir sind von inhaltlichem Interesse getrieben und unser Selbstverständnis der Rolle einer Universität in der Gesellschaft ist durch Engagement gekennzeichnet. Zweitens: Nutzen gibt es natürlich, weil wir mehrere Studiengänge haben, die sich mit Nachhaltigkeit befassen und wir damit Studierende, die daran auch interessiert sind, anziehen. Das sind natürlich Vorteile, die könnte man mit einem anderen Thema auch haben. Im Kern geht es um die Frage: @Was ist eigentlich die Rolle einer Universität?@ Wir als Leuphana wollen eine moderne Universität sein, die sich mit den relevanten Fragestellungen der Neuzeit befasst.

Tun Universitäten und Unternehmen in Deutschland genug, um nachhaltig zu werden oder wurden sie schon von anderen Ländern abgehängt?

Zur Universität kann man sagen, es gibt zwei davon auf der Welt, die eine Faculty for Sustainability Sciences haben. Neben der Leuphana-Universität ist das die Arizona State University. Man kann nie genug für eine nachhaltige Entwicklung machen; es ist ein so anspruchsvolles Ziel. Genauso ist es bei Unternehmen. Es gibt nicht den perfekt nachhaltigen Betrieb. Wir haben in Deutschland viele, die wirklich viel tun und es gibt welche die einfach grauenhaft hinterherhängen – oder versuchen zu bremsen. Schauen Sie sich einfach mal die Energiebranche an, dann sehen sie das gesamte Spektrum.

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