„Ich rede Tacheles“

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Die Arbeitsbelastung des ASPA ist enorm – Uni plant Umstrukturierung

Von Norbert Krause

Die Mitarbeiterinnen des ASPA: Dr. Claudia Hohberg, Elke Netz, Dagmar Bechstein, Carola Heinecke, Franziska Poser, Claudia Graumüller (v.l.)
Foto: Scheere/FSU-Fotozentrum

Es ist der Ort, an dem alle Fäden des Studiums zusammenlaufen. Es ist der Ort, an dem all die Paragrafen, all die Modulkataloge ein menschliches Gesicht bekommen. Es ist das Nadelöhr, durch das alle Studenten müssen: Das „Akademische Studien- und Prüfungsamt“, kurz ASPA.
Am Vormittag des 25. Mai wird das besonders deutlich. Der enge Vorraum ist stickig und völlig überfüllt. Es ist der letzte Tag der Anmeldung für die Modulprüfungen in diesem Semester. Die Studenten sitzen bereits auf den Stufen im Treppenhaus. Die meisten warten bereits seit mehr als einer Stunde.
„Der Verwaltungsaufwand ist durch Friedolin eigentlich geringer geworden, aber die Prüfungsmenge hat sich verfünf- bis verzehnfacht“, erklärt Claudia Hohberg, Leiterin des ASPA. Die elektronische Studentenakte in Friedolin mache die Arbeit effizienter: So können beispielsweise Zeugnisse automatisch erstellt werden und so kann auch sofort am konkreten Fall beraten werden, da alle Leistungen direkt für die Mitarbeiter ersichtlich sind. Dennoch ist der Aufwand pro Student beträchtlich angestiegen. Kamen die Magisterstudenten früher nur zum Abschluss ihres Studiums in das Amt, so kommen die Bachelorstudenten nun in jedem Semester. Bei drei bis fünf Prüfungen pro Semester können so bis zu 12.000 Prüfungsfälle pro Semester entstehen, die alle von Elke Netz, der Verantwortlichen für die Bachelorstudenten, überprüft werden müssen. Hinzu kommen die Sonder- und Spezialfälle, die eine persönliche und zugleich rechtssichere Beratung brauchen. Wenn wirklich alle 2.500 Bachelorstudenten nur einmal im Semester zu ihr kämen, hätte sie für jeden Einzelnen nur wenige Sekunden Zeit. „Eine Person kann das eigentlich gar nicht alleine schaffen, aber wir machen das seit drei Semestern“, fasst sie die jetzige Situation zusammen. „Es ist schon erstaunlich, wie brav die Studenten das alles mitmachen“, meint sie, „die warten einfach ein bis zwei Stunden.“
Die zugrundeliegende Struktur des Prüfungsamts besteht seit etwa 15 Jahren. Nach der Wende entschied die Universität, dass jede Fakultät ein eigenes Prüfungsamt erhält. Lediglich die Philosophische, die Theologische und die Fakultät der Sozial- und Verhaltenswissenschaften schlossen sich zusammen und begründeten das Magisterprüfungsamt – um die vielen fakultätsübergreifenden Fächerkombinationen besser koordinieren zu können. Damals hatten die acht Prüfungsämter allerdings auch nur 4.500 Studenten zu betreuen, heute betreut das ASPA allein etwa 5.000 Studenten – mit mittlerweile fünf Mitarbeitern.
Nicht nur, dass sich die Studentenzahlen seitdem vervierfacht haben, es gab zudem mit dem Bologna-Prozess auch die tiefgreifendste Umstellung des Hochschulsystems seit den 70er Jahren. Die Rolle des Prüfungsamtes hat sich in diesem Prozess geändert: Die Mitarbeiter haben den Fakultäten verstärkt beratend bei der Umsetzung der neuen Vorschriften zur Seite gestanden und den abstrakten Umsetzungsprozess mit praktischem Wissen begleitet. „Ohne das ASPA hätten wir die Umstellung nicht vollziehen können“, bestätigt auch Kurt-Dieter Koschmieder, Prorektor für Lehre und Struktur.

„Fütterzeiten“ einhalten

„Der Bachelor setzt ein anderes Denken, andere Strukturen voraus“, erklärt Hohberg dazu. Das System funktioniere nur, wenn alle einzelnen Beteiligten ihre jeweilige Rolle wahrnehmen. Wenn die Studenten sich bei Friedolin für ihre Seminare und ihre Prüfungen angemeldet haben, beginnt die Arbeit der Dozenten. Sie müssen dort die Noten und das Bestehen des Moduls eintragen. Nur dann können sich die Studenten für das nachfolgende Modul einschreiben oder, wenn sie nicht bestanden haben, die Prüfung an einem bereits festgelegten Termin nachholen.
Momentan befinde man sich gerade in der „Phase des Annehmens und Verstehens“, so Hohberg. Die technischen Kinderkrankheiten seien weitestgehend überstanden, jetzt müsse nur noch „mental“ der Sprung geschafft werden. „Wir müssen das System füttern, um es am Laufen zu halten.“ Und da müsse man eben auch „Fütterzeiten“ einhalten. Besonders die Dozenten müssen sich aber erst an diese neue Rolle des „regelmäßigen Fütterers“ gewöhnen.
Die Studenten haben allerdings andere Probleme mit dem System: Jede nicht bestandene Prüfung kann beim Bachelor zur Exmatrikulation führen. Das merkt man gerade auch im Prüfungsamt. „Wenn’s knallt, kommen sie hierher, weil es dann existentiell ist“, sagt Hohberg. „Wir gehen teilweise in Gespräche nur noch zu zweit rein.“ Gerade die 18- und 19-jährigen Studienanfänger könnten ja noch gar nicht auf die Erfahrung zurückgreifen, dass eine nicht bestandene Prüfung nicht den Weltuntergang bedeutet. Die ASPA-Chefin sieht ihre Aufgabe dann darin, den Studenten zu zeigen, dass es immer auch eine andere Möglichkeit gibt. Allerdings müsse sie zugleich auch Grenzen aufzeigen, um Chancengleichheit zu gewährleisten. „Da ist man manchmal auch abweisend.“ Sie spricht dann auch unliebsame Sachen an. Die Studenten müssten im Leben immer wieder mit Belastungen umgehen, ein bisschen Stress und Schwitzen gehöre dazu. Dann fragt sie meist, wie die Studenten denn später mit solchen Situationen umgehen wollen, wenn sie es jetzt nicht lernen. „Ich rede dann Tacheles. Meine Erfahrung ist, dass das in den meisten Fällen auch hilft.“
Die Universitätsleitung hat die Überlastung des Amtes mittlerweile auch erkannt und plant in den nächsten Jahren eine grundlegende Umstrukturierung. „Es wäre allerdings absurd gewesen, das Amt im Prozess der Bologna-Umstellung umzubauen“, so Koschmieder. Die Unileitung stellt sich einen Umbau nach dem Vorbild des Studierendenservicezentrums vor. Die Aufgaben sollen besser verteilt werden und das Amt soll mit mehr Personal ausgestattet werden. Geplant ist zudem eine vorgeschaltete, zentrale Anlaufstelle für die Studenten, die sie den einzelnen Mitarbeitern zuweist. Das Prüfungsamt soll insgesamt „effizienter und beratungsfreundlicher für die Studenten“ werden. Die langen Schlangen im ASPA sollen dann der Vergangenheit angehören.

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