Eine Ehe für drei

Die Entdeckung der Unendlichkeit in der Kulturarena

Von Bernadette Mittermeier

Die Entdeckung der Unendlichkeit ist ein großartiger Film – bis auf eine Schwäche.

Aber der Reihe nach: The Theory of Everything, wie der Film im Original treffender heißt, ist die Liebes- und Lebensgeschichte von Stephen und Jane Hawking, vom Kennenlernen in Cambridge bis zur Veröffentlichung der kurzen Geschichte der Zeit, dem Werk, das Hawking schließlich weltberühmt machte.

Hauptdarsteller Eddie Redmayne zeigt Hawking als den humorvollen, klugen, komplizierten Menschen, der Millionen Menschen aus seinen Büchern, aus Talkshows, Vorträgen und Gastauftritten wie in der Serie The Big Bang Theory bekannt ist. Und das gelingt Redmayne auf so großartige Weise, das man den Film in Zeitlupe sehen möchte, um kein Detail seiner Darstellung zu verpassen. Am Anfang sind es subtile Vorzeichen der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS), einer Erkrankung im Nervensystem. Ein verschüttetes Glas Wein, ein Stolpern auf der Treppe. Mit fortschreitender Krankheit verliert Hawking immer mehr alltägliche Fähigkeiten, kann sich nicht mehr selbst anziehen, schließlich nicht mehr sprechen. Redmayne stehen im letzten Viertel des Films nur noch seine Augen und Augenbrauen zu Verfügung, um Hawkings Gedanken auszudrücken, trotzdem ist dem Zuschauer in jeder Sekunde klar, welche Emotion er gerade zeigt.

Eine Lebens- und Liebesgeschichte

Die Entdeckung der Unendlichkeit ist allerdings nicht nur Stephens Geschichte, sondern auch die seiner Frau Jane. Das Drehbuch basiert auf ihrer Autobiografie. So ist es nicht verwunderlich, dass ein Großteil der Handlung sich auf ihr Leben als Ehefrau eines schwer behinderten Genies und auf ihre sich langsam entwickelnden Gefühle für den Kirchenmusiker Jonathan konzentriert.

Hier findet sich die einzige nennenswerte Schwäche des Films: Er behandelt die Eheprobleme des Paares und zeigt die fortschreitende Krankheit Hawkings – Physik spielt allerdings kaum eine Rolle. Der Grund dafür ist offensichtlich, Schwarze Löcher und Allgemeine Relativitätstheorie sind nicht Konzepte, die einem Kinopublikum leicht zu vermitteln wären. Ähnlich konzentriert sich A Beautiful Mind auch auf die Schizophrenie des Mathematikers John Forbes Nash, und weniger auf seine Spieltheorie.

Aber Die Entdeckung der Unendlichkeit ist eben ein Film über Stephen Hawking und bei einem Film über Stephen Hawking darf die Physik keine Fußnote sein. Seine jetzige Berühmtheit hat er durch Eine kurze Geschichte der Zeit erlangt, einem Werk, das es geschafft hat, einem Millionenpublikum Physik anschaulich zu erklären. Neben seinen physikalischen Entdeckungen ist Hawking eben auch der Lehrer, der einer Bevölkerung das Fach näher gebracht hat, das sie zu großen Teilen in der Schule verabscheut hat. Sein Buch hielt sich 237 Wochen lang auf der Bestsellerliste der Sunday Times, länger als alle anderen Bücher. Er begeistert noch immer Millionen, die Vorstellung in der Kulturarena war nicht zufällig ausverkauft.

Dieser wichtige Aspekt geht im Film allerdings unter. Hawking selbst sagte einmal: „Manchmal frage ich mich, ob ich nicht mehr für meine Krankheit berühmt bin als für meine Wissenschaft.“

Lässt man diesen Aspekt beiseite, ist Die Entdeckung der Unendlichkeit ein ausgesprochen empfehlenswerter Film. Nicht nur dank Redmaynes herausragender Darstellung, sondern auch dank der klug eingesetzten Farbgebung und der Einbindung von Geräuschen, die hier noch mal hervorzuheben sind: das Kratzen der Kreide, ein lauter Knall als Hawking zum ersten Mal stürzt und sich die Brille bricht, das Surren der Krankenhauslampe – die Entdeckung der Unendlichkeit ist ein Film, den man nicht nur sehen, sondern vor allem auch hören muss.

Foto: Universal

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