Der Kick beim Klick

Die meisten Menschen denken bei Sexualität an Spaß und Intimität. Wie es ist, wenn Sex zum Zwang wird, erleben Personen, die an Pornosucht leiden.

Von Janina Gerhardt

„Wenn das so weitergeht, wird das der nächste Rückfall“, dachte Paul* im Auto vor der Arbeit. Doch statt seinem Zwang nachzugeben, rief er seinen Mentor an und sprach seine Gedanken auf dessen Mailbox. In diesem Moment sei der Druck von ihm abgefallen. Darüber zu reden helfe nicht immer, aber manchmal schon. Paul ist in der Gruppe der Anonymen Sexaholiker (AS) in Jena. Diese besteht aus ungefähr fünf festen Mitgliedern, welche sich mindestens einmal in der Woche treffen, um über ihre sexuellen Zwänge zu sprechen. In anderen Ortsgruppen der AS treffe man sich auch mehrmals pro Woche, angepasst an die Bedürfnisse der Gruppenmitglieder. Außerhalb der Treffen stünden die Männer und Frauen der Gruppe auch telefonisch in Kontakt, um sich gegenseitig zu unterstützen. Gerade wenn jemand drohe, rückfällig zu werden, sei dies sehr hilfreich.

Schnupfen?
Foto: Dominik Itzigehl

Pornosucht sei eine von unterschiedlichen Arten, die Sexsucht auszuleben. Paul berichtet, dass er, während andere Sexsüchtige ständig zu Prostituierten gehen würden, „immer nur vor dem Computer hing.“ Paul wurde in seiner Kindheit missbraucht. Auch aus diesem Grund hatte er lange keine Lust auf Frauen und flüchtete sich in die Pornographie. Um aus seinem Suchtkreislauf auszubrechen, besucht er die Anonymen Sexaholiker in Jena.

Sexuell komplett abstinent

Paul erklärt, dass die AS nach einem 12-Schritte-Programm verfahren, ähnlich wie die Anonymen Alkoholiker. Die Quintessenz des Programms sei, sich seine Machtlosigkeit einzugestehen, um die Sucht auch wirklich bekämpfen zu können. Bevor man heilen könne, müsse man an den Punkt kommen, zu sagen: „Ich kann mir selbst nicht mehr helfen.” Die 12 Schritte des Programms beinhalten, eine gründliche Inventur des Selbst vorzunehmen und sich das eigene Fehlverhalten einzugestehen. Außerdem solle man wiedergutmachen, wenn man Menschen in seinem Umfeld Unrecht getan oder diese verletzt hat. Um das Programm erfolgreich zu meistern, bekommen neue Mitglieder einen Mentor an ihre Seite, der bereits Erfahrung in der Suchtbekämpfung hat.
Die Mitglieder der AS versuchen, komplett sexuell abstinent zu sein. Paul vergleicht es mit Alkoholikern, die auch nüchtern bleiben müssen, um nicht rückfällig zu werden. Dies sei notwendig, um innerlich gesund zu werden und eine liebevolle Haltung gegenüber sich selbst und seinen Mitmenschen entwickeln zu können. Wenn man jahrzehntelang beim Ausleben der Sexualität nur auf sich selbst geachtet hätte, dann habe das auch Schaden bei anderen Menschen angerichtet. Die Treffen der AS bestehen hauptsächlich aus Gesprächen. Wichtig sei, dass jeder Gelegenheit hat, von sich selbst zu erzählen und seine Erfahrungen zu teilen.

*Der Name wurde von der Redaktion geändert

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