Der Genuss vorm Genuss der Nuss

Zum Titelthema: Begeisterung

Von Martin Emberger

Wie eine straff gespannte Trommelhaut legt sie sich glänzend auf den Glasrand und schützt das cremige Innere. Man muss Ihre Ästhetik unweigerlich zerstören, um dort ranzukommen.
Da gibt es automatische Folienschneider, deren einziger Zweck es ist, die Folie sauber automatisch abzutrennen. Reine Blasphemie! Das Zerstechen ist eine heilige Zeremonie, die haptisch gefeiert wird. Ein wahrer Nussnougatfan beherrscht perfekt Geschwindigkeit, Winkel und Höhe des Fingers, um die Folie knackend zu durchstoßen und dabei die glatte, schokoladige Oberfläche weder mit der Folie noch dem Finger in Kontakt zu bringen und so in Ihrer Perfektion zu schädigen. Dennoch darf man sich kurzzeitig in eine einfache, martialische Welt zurückziehen, ist man doch sonst immer so darum bemüht, überkorrekt nirgends anzuecken. Nun kommt es darauf an, zu zerstechen,  zu zerreißen, direkt zu sein.

Das Gefühl, das die Fingerkuppe auf der geprägten Folienstruktur vor dem Öffnen erfährt, lässt sich mit nichts vergleichen. Alles kann scheiße sein, aber sobald man ein neues Glas mit der Gewissheit, es öffnen zu dürfen in den Händen hält, relativieren sich die Probleme. Es ist nicht nur ein graziles Erfolgserlebnis, sondern gibt einem auch das konkrete Gefühl, wieder etwas Neues anzufangen zu können. Da wo ein Nutellaglas leer ist, wartet die nächste intakte Folie bereits.

Foto: Martin Emberger
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