Kein Platz fürs Studium

An der Universität soll sich Forschung und Lehre vereinen, zum Lernen fehlt es allerdings an geeigneten Angeboten. Auf Spurensuche nach studentischen Räumen.

von Johanna Heym und Vincent Kluger

Freiraum oder Sperrmüll? Foto: Vincent Kluger

An einem sonnigen Dienstagvormittag sitzen vier motivierte Student:innen vor ihren Lernunterlagen, es ist der Lern- und Aufenthaltsraum der Physikfachschaft. Der Raum, auf den die meisten Fachschaften neidisch blicken dürften, ist gemütlich eingerichtet. Auf schätzungsweise 16 Quadratmetern befinden sich bis zu sechs Arbeitsplätze, eine Eckcouch mit Tisch und das nötigste Equipment für die Pause: Kaffeemaschine, Mikrowelle und Wasserkocher.

Gut versteckt

Student:innen anderer Institute suchen nach solchen Orten vergebens, denn es gibt wenige Räume, die sich ausschließlich in den Händen der Fachschaften befinden. Dem Stura scheint die Problematik bekannt zu sein und versucht mit dem sagenumwobenen Frei(t)raum ein Angebot für alle zu schaffen. Doch der Traum vom freien Raum erblasst gegenwärtig hinter der Baustellenabsperrung zwischen Foyer und Stura-Büros. Mutigen Student:innen wird spätestens beim ersten Blick in den Frei(t)raum die Lust vergehen und Erinnerungen an einen Besuch beim städtischen Entsorgungshof wecken: Lattenrost, Matratze, Zeitschriftenständer und anderer Sperrmüll verhindert jeden Betretungsversuch. Doch der eigentliche Zweck des Raumes ist gut und richtig: steht allen offen, lockt mit Foodsharing, Sitzgelegenheiten, etwas Ruhe und einem Ort, an dem auch einmal eine Gruppenarbeit besprochen werden kann – nur halt nicht jetzt.

Beim Charme und der Lautstärke einer Bahnhofsvorhalle wird im Foyer der Carl-Zeiss-Straße auf die nächste Veranstaltung gewartet, viel mehr ist hier nicht möglich. Die unbewegliche Bank-Tisch-Kombination und nur einseitig angebrachte Steckdosen lassen die gegenwärtigen Angebote der FSU eher provisorisch anmuten und wirken wenig einladend, der Mangel an Angeboten zwingt die Student:innen nichtsdestotrotz an Orte wie diesen.

Sitzgelegenheiten auf dem Campus sind knapp.

Auf dem Ernst-Abbe-Platz vertröstet die angebotene Holzklasse (Palettenbänke) des „Green Office“ für einen kurzen Moment. Wie ein unangenehmer Splitter stehen sie, bereits nach einer Saison ramponiert, im Sonnenlicht. Warum es nicht für eine langlebigere und damit vermutlich nachhaltigere Lösung gereicht hat, kann vermutlich auch das Green Office der Uni nicht richtig beantworten – immerhin gebraucht und FSC-zertifiziert. Sitzgelegenheiten auf dem Campus sind knapp und über mehr Angebot würde sich sicherlich niemand beschweren, aber wenn, dann bitte mit Konzept. Sitzgelegenheiten zwischen Blumenbeeten und schattenspendenden Bäumen könnten die Pflasterstein-Riviera Ernst-Abbe-Platz in Zukunft in einegrüne Erholungsoase verwandeln.

Leuchtturm Geographie

Eine Anfrage an die FSRe zeichnet eine eher karge Landschaft studentischer Aufenthaltsräume. Die Geschichte, Philosophie, Psychologie, Pharmazie und Theologie verfügen laut eigener Aussage über keine Räume, die jederzeit für ihre Student:innen zugänglich sind. Die Institute statten ihre FSRe in der Regel nur mit kleinen Räumen aus, für Projekte wie dauerhafte Gemeinschafts- und Aufenthaltsräume sind die Kapazitäten nicht vorhanden. Der FSR Geschichte entwirft gleich einen „Fantasiegemeinschaftsraum“, der Historiker:innenherzen höher schlagen lässt: Flügel, Kronleuchter und Statue zieren den Raum. Frischer Wind weht aus Richtung der Geographie, der FSR plant derzeit in Zusammenarbeit mit dem Institut den „Lern- und Begegnungsraum“ (LuB). Mit Sofas, Sitzsäcken, Stühlen und Tischen „soll ein Raum erschaffen werden, wo sich Studis treffen können“.

Es entsteht der Eindruck, dass an der FSU der Bedarf nach Orten zum Aufhalten und Verweilen, Lesen und Lernen, Quatschen, Ausruhen und Kartenspielen sichtbar vorhanden ist. Das bis jetzt schändlich vernachlässigte Metier der Gemeinschafts- und Aufenthaltsorte an der FSU benötigt dringend ein Update. Es bleibt zu hoffen, dass den Worten des Präsidenten aus dem letzten Akrützel-Interview, die Universität in einen „Aufenthaltsraum, mit einer attraktiven und angenehmen Umgebung“ umzugestalten, auch Taten folgen.

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