Stura, schaff dich ab!

Egal wie sehr man sich bemüht: Positiv über den Stura zu berichten funktioniert nicht. Das Gremium hat sich festgefahren und kann nur produktiv werden, wenn es sich neu aufstellt. Und zwar komplett.

Ein Kommentar von Lukas Hillmann und Johannes Vogt

Leere Sitze – auf Sitzungen keine Seltenheit. Foto: Lukas Hillmann

Wir hatten uns in dieser Woche fest vorgenommen, uns den Vorwürfen, das Akrützel würde einseitig berichten, zu stellen. Einige Mitglieder des Stura beklagten, es würde sich nur auf Skandälchen stürzen und die Arbeit des höchsten studentischen Gremiums verzerrt wiedergeben. Das wollten wir nicht länger hinnehmen und auch die Errungenschaften betonen. Doch es funktioniert nicht. Unnötige Satzungsdebatten überschatten jeden produktiven Versuch im Stura, etwas zu erreichen – Debatten, die einzig und allein den Nutzen haben, die eigene Macht im egalsten Gremium der Welt zu demonstrieren, die Arbeit zu behindern und auf Kosten anderer ein bisschen Spaß zu haben.

Alles wird gut?

Doch, wie versprochen, zunächst das Gute: Der Stura hat eine neue AG gegründet. Sie beschäftigt sich mit der Weiterentwicklung des Kulturtickets und hat sogar einen Vorsitz. Es wurde ein Wahlvorstand gewählt. Die anstehenden Stura-Wahlen sind gerettet.

Die Fridays-for-Future-Diskussion fand ein Ende. Der Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) hatte den Antrag eingereicht, die Kooperation zu beenden, weil die Aktivistinnen auf Instagram einen Aufruf zum Verbrennen von Autos als „coole Aktion“ bezeichnet hätten. Ein Sprecher der Fridays, der nicht so aussah, als würde er gleich einen Molotowcocktail auf die nächste Kehrmaschine werfen, kam ganz demokratisch zu Wort und verteidigte die Gruppe. Am Ende fehlte dem RCDS, der sich in seiner Abstimmung selbst nicht ganz einig war, schlicht die Mehrheit.

Für ein neues Pokerset ist genug Geld da und wenn die Mathematikerinnen versprechen, kein Glücksspiel zu betreiben, dann dürfen sie sogar damit spielen. Auch alle anderen Finanzanträge haben die gönnerhaften Gremienanhängerinnen angenommen, die Fachschaften dürfen auf ihre lang ersehnten Klausurfahrten – dieses Mal auch garantiert nicht auf Mallorca. Die FSR-Kom, Zusammenschluss aller Fachschaften und Schwester der Unfähigkeit, hat gut gearbeitet, an den Finanzanträgen gab es kaum etwas zu meckern.

Doch steht diese beinahe schon produktive Arbeit unter dem ständigen Schatten jener absurden Krümelkackerei, die Woche für Woche im Gremium hervortritt.

Satzung, Satzung über alles

Der Wahlvorstand könnte wirklich ein Glücksgriff für den Stura sein. Mit Rebecca Bück, Stella Greiner, Leif Jacob und Nele Tornow haben sich vier Menschen gefunden, die sich der enormen Aufgabe annehmen, die Wahlen für die Studierendenschaft zu organisieren. Gleichzeitig bringen mit dieser Wahl drei neue Gesichter frischen Wind ins Gremium. Die Alteingesessenen könnten ihnen offen gegenüberstehen. Sie könnten sie ermutigen, eigene Ideen ins Gremium zu tragen und sich vielleicht sogar über den Wahlvorstand hinaus für den Stura zu engagieren. Die Liste der Stellenausschreibungen ist schließlich länger als die Anwesenheitslisten der letzten Sitzungen.

Und doch setzen die gewählten Mitglieder alles daran, den Stura als fundamentalistischen Klerus zu inszenieren, der mit der Macht der Satzung jedweder Arbeitsgrundlage entbehrt. Anstatt sich für den Einsatz des Wahlvorstands zu bedanken, prangern die Stura-Mitglieder seine Arbeit beständig an. Jedoch: Die vielfach angedrohte Innenrevision kontrolliert das studentische Gremium nicht von sich aus. Jemand müsste die Wahl anzweifeln. Solange das nicht passiert, bleibt das gesamte Problem konstruiert.

Konfession: Stura

Der Stura ist eine zerstrittene Glaubensgemeinschaft; Satzung und Geschäftsordnung bilden seine Bibel. Das Gespenst des satzungsgeilen Fundamentalismus geht um im Gremium, die einzige politische Antriebskraft bleibt deshalb der konservative RCDS. Damit ist der Kulturkampf, die letzte Bastion des normalen Deutschlands, im Stura angekommen: Tag der Arbeit sollte wieder Gedenktag des heiligen Josef sein, Gendern wird zum Zwang hysterisiert und der freie Markt zur Verfassung erhoben.

Die restlichen Stura-Mitglieder verlieren sich in Diskussionen um korrekte Abläufe, legen ernsthafte Diskussionen ad acta und bauen sich ein Konstrukt voller Paragraphen und Anträge an die Geschäftsordnung, das die Mitarbeit von außen unmöglich macht. Nur Auserwählte werden einer Taufe des Wissens unterzogen, die einen Eintritt in die Sturawelt ermöglicht. Eine solche Taufe bekommt nicht jede. Man muss sie sich verdienen, lange PDF-Dateien durchwälzen und eine Rhetorik der absurden Einwände erlernen. Wer das nicht will oder emotional nicht stemmen kann, kommt nach der ersten Sitzung nicht wieder. Die Satzungspredigerinnen bleiben unter sich.

Festgefahrenheit schürt Resignation

Fatal ist die Krise, in die sich der Stura dadurch hineinarbeitet, denn er verliert nun zusätzlich seine Köpfe. Der Vorstand ist dezimiert, die Haushaltsverantwortliche zurückgetreten, es gibt zu wenig Menschen, die sich um die Finanzen kümmern wollen. Die Haushaltssperre, die bereits im November gedroht hatte, wurde nun umgesetzt – zu einem ausgesprochen schlechten Zeitpunkt. Die aktuellen Corona-Maßnahmen würden eigentlich wieder Veranstaltungen in Präsenz zulassen. Dabei geht es nicht nur um Partys in der Rose. Es geht um sämtliche Zahlungen, die nicht zuvor vertraglich geregelt wurden. Keine spontane Überweisung kann mehr getätigt, keine studentische Initiative mehr finanziert werden.

Der Stura hat ein unlösbares Problem. Ein Pfeiler seiner Arbeit, die Satzung, hat sich breit gemacht und hebt das Gremium in einen Kosmos jenseits weltlicher Vernunft. Geschäftsordnungsanträge verdrängen inhaltliche Debatten, Selbstdarsteller jeden kleinsten Versuch, pragmatisch etwas zu erreichen. Die Grundlage des Stura, seine Ordnung, wird zu einer fundamentlosen Basis. Nur um sie allein wird gerungen, politische Ideale und der Reiz, etwas zu verändern, müssen hinten angestellt werden. Der Stura müsste sich neu aufstellen, bräuchte frischen Wind und neue Mitglieder, die an ernsthafter Arbeit interessiert sind.

Doch die werden nicht kommen, weil sich keiner freiwillig mit dem Stura auseinandersetzen möchte, und wenn doch, direkt vergrault wird. In der nächsten Legislatur sitzen mit gro-ßer Wahrscheinlichkeit dieselben Gesichter auf ihren eingesessenen Plätzen im Hörsaal. Das ist schade, denn solange sich das nicht ändert, wird der Stura unproduktiv bleiben.

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