Erik Ahrens will an deutschen Universitäten eine rechte Elite nach dem Vorbild der SS aufbauen.
Mit der Gegenuni und den „Studientagen“ in Schnellroda bildet die Neue Rechte Studierende zu rechtsextremen Pseudointellektuellen aus. Wie erfolgreich ist die rechte Strategie an der Universität Jena?
Ein Restaurant in Athen. Erik Ahrens sitzt am Tisch, vor ihm ein Glas Weißwein. Der Mann, der sich stolz einen Rassisten nennt, fantasiert an diesem Abend von dem Aufbau einer neuen rechten Elite, ganz nach dem Vorbild der SS. Das erklärt Ahrens einem vermeintlichen Investor, der eigentlich ein Aktivist der NGO „Hope not Hate“ ist und die Videoaufnahmen des Gesprächs später in der britischen Zeitung „The Guardian“ veröffentlichen wird.
Erik Ahrens ist der TikTok-Stratege hinter Maximilian Krah. Er ist der Mann, der das millionenfach geklickte TikTok-Video „Echte Männer sind rechts“ produziert hat. Ahrens ist ein bedeutender Kopf der Neuen Rechten, einem Netzwerk rechtsextremer Akteure, das sich der sogenannten „Vorfeldarbeit“ verschrieben hat. Die Neue Rechte wirkt nicht in der Parteipolitik, sondern im gesellschaftlichen, medialen und kulturellen Raum. Ihr erklärtes Ziel ist der Einfluss auf die Köpfe der Menschen. Rechtsextreme Begriffe und Ideen sollen wieder denkbar und sagbar gemacht werden. Fragen der „Rasse” sollen wieder in der Mitte der Gesellschaft diskutiert werden. Dafür braucht es laut Erik Ahrens eine neue rechte Elite, die sich um einen starken Anführer schart und sich dem vermeintlichen Niedergang Deutschlands entgegenstellt. In der Rolle des Anführers sieht Ahrens selbstverständlich sich selbst.
Die Gegenuni
Wer glaubt, Ahrens ist im heißen Athen nur der Weißwein zu Kopf gestiegen, unterschätzt den rechten Strategen. Hinter seinen Ausführungen steckt ein ausgeklügelter Plan. Im Visier stehen deutsche Universitäten. Dort will Ahrens seine Elite aufbauen und tut es bereits. Weil an den Universitäten laut Ahrens eine linke „Cancel Culture“ herrsche, gründet er 2021 die GegenUni, die Studierenden ein alternatives Unierlebnis bieten soll. Für 8,25 Euro im Monat kann man sich an der GegenUni „einschreiben“ und Seminare zu Themen wie „Das Dschihadsystem“, „Geopolitik“ oder „Sozialbiologie“ belegen.
In Lesekreisen werden Klassiker wie „Das Kapital“ von Karl Marx studiert und im Sinne der rechten Ideologie umgedeutet. Für den aktivistischen Nachwuchs bietet die GegenUni einen Kurs über „Visuelle politische Kommunikation“. Durch Einblicke in die Wahrnehmungspsychologie sollen die Teilnehmer:innen lernen, emotionale Bildsprache einzusetzen, fesselnde Wahlplakate zu erstellen und die Internet-Meme-Kultur für rechte Botschaften zu nutzen.
Unter pseudointellektuellem Deckmantel werden in den über 50 angebotenen Kursen rechtsextreme Inhalte gelehrt.
Man beschäftigt sich mit Fragen von „Rasse und IQ” oder sieht in der „Refugees welcome Mentalität“ ein deutsches Kriegstrauma, das psychoanalytisch aufgelöst werden muss. Die Dozierenden lehren knallharten Rassismus, aber eben auf eine intellektuelle Weise. Hier wirkt nicht mehr der Pöbler mit Deutschlandhut, der auf der Straße wütend „Ausländer raus“ brüllt, sondern der feine Rassist, der weißweinschlürfend in einem edlen Restaurant SS-Vergleiche zieht.
Die Gegenuni gibt an, bereits 550 Studierende „auszubilden“. Auf ihrer Website wirbt sie unverhohlen um Spenden für ihren „Kampf um die Köpfe“. Mit den Mitteln sollen Werbekampagnen finanziert werden, um immer mehr Studierende auf die alternative Universität aufmerksam zu machen. Ziel sei es, eine akademische „Parallelstruktur“ aufzubauen.
Rechte Studientage in Schnellroda
auf ihrem Telegramm-Account eifrig Werbung für die GegenUni. Geteilt wird auch ein weiteres pseudointellektuelles Rekrutierungsprogramm der Neuen Rechten: Die „Studientage“ in Schnellroda.
In dem kleinen Dorf in Sachsen-Anhalt, nur eine Stunde von Jena entfernt, wohnt der rechte Verleger Götz Kubitschek mit seiner Frau, sieben Kindern und vier Ziegen auf einem alten Rittergut. Kubitschek inszeniert sich gerne als rechten Intellektuellen und richtet auf seinem Anwesen regelmäßig rechte Studientage aus. Im September nahmen dort zuletzt etwa 130 junge Akademiker:innen teil. In den Seminaren sprechen bekannte Figuren der rechten Szene wie Martin Sellner, Maximilian Krah oder Erik Ahrens. Auch Björn Höcke ist ein gern gesehener Gast auf Kubitscheks Rittergut.
Die Vorträge sind im gleichen intellektuellen Stil gehalten wie die Kurse der GegenUni. Maximilian Krah referiert zu rechter Anthropologie und verliert sich dabei in Ausführungen zum drohenden Verlust des deutschen Volkes und dem so bezeichneten Kult um Transsexuelle. Er bezieht sich auf Platon und Carl Schmitt und genießt die Rolle des Philosophen.
Die Studientage in Schnellroda richten sich gezielt an ein junges, akademisches Publikum und sind der Versuch, eine rechte Elite aufzubauen. Anwerbungsversuche für die Akademien finden vor allem in den sozialen Medien statt. Bei der Rekrutierung junger Menschen legt Erik Ahrens ein besonderes Augenmerk auf die Plattform TikTok. In seinem Vortrag TikTok von Rechts referiert Ahrens bei einer Akademie in Schnellroda zu seiner TikTok-Strategie.
Auf Telegramm organisiert Ahrens die Gruppe TikTok Guerilla, in der er dazu aufruft, Videos rechter TikTok-Akteure durch Re-Uploads massenhaft weiterzuverbreiten. Gewinnspiele versprechen den Nutzenden mit den meisten Klicks ein iPad Air.
Ahrens ist sich des Einflusses bewusst, den er mit TikTok auf junge Menschen ausübt.
Die 90 Minuten, die Jugendliche durchschnittlich am Tag auf der Plattform verbringen, muss die Neue Rechte laut Ahrens für ihre ideologische Arbeit nutzen.
Mit der TikTok-Offensive möchte die Neue Rechte tief in den Alltagsverstand der jungen Menschen eindringen und eine rechte kulturelle Hegemonie herstellen.
Ahrens Strategie ist wirksam. Bei der Landtagswahl in Thüringen erhielt die AfD bei jungen Menschen die meiste Zustimmung. 38 Prozent der 18- bis 24-Jährigen wählten die Partei, die in Thüringen als rechtsextrem eingestuft wird.
Rechte Strukturen an der Universität Jena
Die Neue Rechte hat es geschafft, sich einen Platz im Kopf junger Menschen zu erkämpfen, aber wie steht es um ihr Ziel, rechte Eliten an den Universitäten zu etablieren? An der Universität Jena gibt es laut dem Präsidenten Andreas Marx noch keine Versuche der Neuen Rechten, eine Elite aufzubauen. Der Präsident weist allerdings darauf hin, dass mit einzelnen Burschenschaften bereits rechte Netzwerke an den Universitäten existieren. Diese Netzwerke könnten den Einstieg in die extreme Rechte erleichtern.
Eine Burschenschaft, die Verbindungen zur Neuen Rechten pflegt, ist die Alte Burschenschaft Burgkeller Jena. Laut dem Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena haben Mitglieder der Burschenschaft im Jahr 2022 an einer Veranstaltung des neurechten Netzwerkes in Schnellroda teilgenommen.
Die AfD will den Stura abschaffen
Auch wenn die Neue Rechte bisweilen noch keine starke rechte Elitenstruktur an der Universität Jena aufbauen konnte, wird die Universität immer wieder zur Zielscheibe rechter Einflussnahme. Laut dem StuRa stellen AfD-Politiker:innen regelmäßig kleine Anfragen im Landtag, in denen sie eine Übersicht über die Ausgaben des Studierendenrates fordern. Die AfD beschuldigt die Studierendenräte, eine einseitige, linksextreme Politik zu betreiben. Sie fordern eine Abschaffung der obligatorischen Studierendenräte an Thüringer Universitäten. Was als Sorge um die Gelder der Studierenden getarnt ist, ist der Versuch, politischen Einfluss an den Universitäten zu erlangen.
Widerstand im Kampf um die Köpfe
Solange es eine widerstandsfähige, demokratische Studierendenschaft gibt, wird es rechten Gruppen schwerfallen, eine Elite an den Universitäten zu etablieren. Doch wenn die Brandmauer bröckelt, werden Erik Ahrens und seine pseudointellektuellen Kompagnons jede Lücke nutzen, um ihre rassistische Ideologie in die Universitäten zu bringen und das Unsagbare wieder sagbar zu machen. Die Universitätsleitung und die Studierendenschaft müssen sich der Gefahr bewusst sein, die von den selbsternannten Vordenkern der parlamentarischen Rechten ausgeht. Erik Ahrens ist kein Einzelfall. Er ist Teil eines organisierten Netzwerkes, das mit einer ausgeklügelten Strategie einen geistigen Bürgerkrieg in Deutschland führt.
Lucy Tusche